An Rhein und Ruhr. In Berlin kam es jüngst zu Gewalt in Freibädern. In Düsseldorf kam es 2019 ebenfalls zu Tumulten. Was sich seitdem geändert hat.
Auf der Decke entspannt ein Buch lesen, sich im Wasser abkühlen und bewegen; Kinder üben fürs Seepferdchen und belohnen sich mit einem Eis am Freibad-Kiosk. Der Sommer im Freibad könnte so schön sein – und ist es meistens auch. Doch nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Verletzten in Berliner Schwimmbädern gibt es erneut Diskussionen um die Sicherheit. Carsten Linnemann, designierter CDU-Generalsekretär, fordert sogar Schnellurteile gegen Gewalttäter. Doch an Rhein und Ruhr scheint es aktuell ruhiger geworden zu sein, nachdem es im Jahr 2019 zu ähnlichen Vorfällen im Düsseldorfer Rheinbad gekommen war. Daraus sind Lehren gezogen worden.
Gruppen zumeist junger Männer hatten damals im Rheinbad randaliert, den Sprungturm besetzt und sich Anweisungen der Schwimmmeister widersetzt. Die Polizei rückte aus, das Rheinbad wurde vorzeitig geschlossen. Ein Jahr später wurde ein 17-Jähriger wegen Bedrohung verurteilt. Er hat zu einer Bademeisterin gesagt: „Wenn wir uns privat sehen, klatsche ich dich an die Wand.“ Und: „Ich töte dich!“ Das Amtsgericht Düsseldorf verpflichtete den Jugendlichen zur Teilnahme an einem Leseprojekt. Auch im Essener Oststadtbad griffen im Juni 2019 junge Männer die Schwimmmeister an.
Wertedialog mit dem Minister
Die Geschehnisse damals wühlten die Politik auf, der damalige NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) lud zum „Wertedialog“ ein, die Freibäder stockten ihr Wachpersonal auf und überarbeiteten ihre Sicherheitskonzepte. In Düsseldorf „wirkt das Konzept“, sagt Marcus Werner von der Bädergesellschaft im Gespräch mit der NRZ. Nach den Vorfällen vor vier Jahren haben sich die Verantwortlichen angeschaut, an welchen Stellen sie deeskalieren können.
Zum Beispiel am Eingang. Wer fast eine Stunde in der Sonne steht und schwitzt und auf Einlass wartet, der kann schon mal einen gestiegenen Stresslevel aufweisen. Also führten die Düsseldorfer Bäder im Jahr 2020 ein Reservierungssystem ein. Doch viele, die reservierten, kamen schlichtweg nicht. Nun werden die Tickets online verkauft.
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Doch das führte dazu, dass diejenigen, die rabattierten Eintritt erhalten, ihre Berechtigungen vorlegen mussten – was hin und wieder erneut Wartezeiten zur Folge hatte. Heute sind die Systeme getrennt: Wer Rabatte bekommt, kann sein Ticket nur an der Kasse des jeweiligen Schwimmbades kaufen. Alle anderen – Kinder wie Erwachsene – können Tickets nur noch online buchen. Dabei gilt: Wer zuerst kommt – ab 72 Stunden vorher –, zahlt den geringsten Preis. Je später man sich für den Besuch entscheidet, desto teurer wird der Einlass. Sind im Internet keine Karten mehr vorhanden, ist das Freibad ausverkauft.
In Düsseldorf muss jeder Badegast einen Ausweis mitführen
Auch das hat sich seit 2019 verändert: In den Bädern der Landeshauptstadt gilt jeweils eine maximale Besucherzahl. Wie hoch sie ist, sagt Marcus Werner nicht, das sei der Teil des Sicherheitskonzeptes, der nicht öffentlich gemacht werde. Zudem regelt die Haus- und Badeordnung, dass jeder Freibadgast seinen Ausweis mitzuführen habe – so wie es jetzt in den Berliner Freibädern sein soll.
Die Ausweise werden im Zweifel beim Einlass kontrolliert – und mit der Liste der Hausverbote abgeglichen. Rund hundert solcher Hausverbote seien aktuell in Düsseldorf aktiv. Wer ein Hausverbot erhält, darf in der Saison keines der Bäder in der Stadt betreten. Auch wenn das Nichteinhalten der Badeordnung auch schon früher sanktioniert worden ist, so gibt Werner zu: „Ja, wir haben die Zügel ein Stück weit angezogen.“ So einfach drückt das Sicherheitspersonal also kein Auge zu.
Streifengänge durchs Bad
Sicherheitspersonal gibt es nach wie vor; die Mitarbeiter unterstützen bei der Einlasskontrolle und laufen Streife durchs Bad und kommen mit Badegästen ins Gespräch. Da wird erklärt, dass Fußball nur in der entsprechenden Zone gespielt werden darf, und nicht zwischen den Decken auf der Liegewiese. Oder sie machen auf das Glasflaschenverbot aufmerksam.
Fälle von Gewaltkriminalität gesunken
Im Jahr 2019 kam es der polizeilichen Kriminalitätsstatistik zufolge in den Freibädern in NRW zu 92 vorsätzlichen einfachen Körperverletzungen. 38 Fälle wurden der Gewaltkriminalität (dazu gehören u. a. sexuelle Nötigung, schwere Körperverletzung oder Raub) zugeschrieben. Im vergangenen Jahr gab es 88 einfache Körperverletzungen auf. Deutlicher gesunken sind die Fälle in der Kategorie Gewaltkriminalität: 27 Delikte.In Mönchengladbach kam es im Juni in einem Bad zu zwei Vorfällen, bei denen Mädchen von jungen Männern belästigt worden sein sollen. Von absoluten Ausnahmen spricht der dortige Badbetreiber NEW. Es gelte „null Toleranz. Wir informieren umgehend die Polizei, und die ‚Täter‘ erhalten ein lebenslanges Hausverbot in allen NEW-Bädern“, so eine Sprecherin zur NRZ.
Dass es nicht mehr ohne Sicherheitspersonal geht, bestätigt Reinhard Nowak, Vorsitzender des Landesverbandes der Schwimmmeister in NRW. „In dem Bad, in dem ich gearbeitet habe, haben wir bereits Ende der 90er, Anfang der 2000er-Jahre einen Sicherheitsdienst eingesetzt“, sagt er. Wenngleich er weiß: „Solche Probleme kommen situationsbedingt und ortsbezogen vor. Früher gab es auch schon kleinere Prügeleien.“ Die Vorfälle in Düsseldorf 2019 nennt er „Ausreißer“.
Es sei kein spezielles Problem der Freibäder, sondern ein gesellschaftliches Thema. „Es gibt nicht nur an heißen Tagen Respektlosigkeiten gegenüber Dienstleistern“, sagt Werner – und nennt Angriffe auf Schiedsrichter oder Lehrer als Beispiel. „Grundsätzlich sind Bäder in NRW sichere Orte, öffentlichkeitswirksame Schlägereien sind weiterhin eine Ausnahme“, so ein Sprecher des Innenministeriums.