Ruhrgebiet. Aber nicht nur Wasser rettet Leben. Was Menschen an heißen Tagen tun können, um sich selbst zu schützen – und auch ihre Medikamente.
Was macht der Mensch bei Hitze? Sollte jeder wissen, ist doch banal? Doch so einfach ist die Sache nicht. Worauf nicht nur Ältere in diesen Tagen achten sollten.
„Eigentlich sollte es bekannt sein“, so kündigt Dortmund sogar seinen „Hitzehelfer“ an. Allein steht eben auch das drin: Hitzeschutz sei mehr als ausreichend zu trinken. Weil viele das nicht wissen, arbeiten Bund und Städte gemeinsam mit Ärzten und Apothekern an Hitzeschutzplänen. Und raten: Auch Medikamente sind empfindlich gegen Wärme.
„Hitzeschutz ist Lebensschutz“, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und ist mit seinem „Nationalen Hitzeschutzplan“ und der inzwischen zweiten bundesweiten Hitzekonferenz im Vergleich zu anderen Europäern sogar spät dran. Denn Daten aus den vergangenen Jahren lassen ahnen, wie nötig Vorsorge ist: Das Jahr 2023 war das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881, Statistiker zählten in Deutschland mehr als 3200 Todesfälle durch die Folgen der Hitze. Im Hochsommer 2022 waren es zwar deutlich mehr, allerdings hatte der darauf folgende keine mehrwöchigen besonders heißen Perioden. Der Sommer 2024, noch keine drei Wochen alt, zeigt sich bislang zwar ebenfalls nicht von seiner allzu sonnigen Seite, doch waren im ersten Halbjahr alle Monate im Vergleich wärmer als gewohnt.
Einmaleins des Hitzeschutzes: Lüften, Sonne vermeiden, Trinken
„Der Klimawandel“, heißt es etwa in Dortmund, „trifft die Städte mit extremen und immer länger andauernden Hitzeperioden zunehmend härter.“ Die Kommune hat kürzlich einen „Masterplan integrierte Klimaanpassung Dortmund (MiKaDo)“ beschlossen. Das klingt wie ein Spiel, es ist aber keines. „Aufzuklären und zu erinnern“, sagte noch während des Projektstadiums Thomas Deiseroth, Arzt beim umweltmedizinischen Dienst der Stadt, blieben „wesentliche Eckpfeiler in der Präventionsarbeit“. Deshalb werden auf 13 Seiten im „Hitzehelfer“ auch die Klassiker genannt: auf die richtige Kleidung achten, Pausen machen, gut lüften, pralle Sonne vermeiden, mittags nicht gerade Sport draußen treiben...
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Und, natürlich, das Trinken. Ausreichend Flüssigkeit brauchen alle Menschen – und nicht erst, wenn der Durst schon die Zunge vertrocknet – , besonders aber Kinder, Schwangere, Menschen, die draußen arbeiten – und Senioren. Knapp 85 Prozent der Menschen, die 2023 an den Folgen der Hitze starben, waren 75 Jahre alt und älter. „Im Alter nimmt das Durstgefühl ab“, sagt der Internist Dr. Prosper Rodewyk. Der Sprecher der Dortmunder Ärzteschaft weiß auch, dass sich zugleich die Anzahl der Schweißdrüsen reduziert. Und: Zu dickes Blut erhöht das Thrombose-Risiko. Bei hohen Temperaturen oder schwülem Wetter potenziert sich, was bei alten Menschen oftmals das ganze Jahr über ein Problem ist: Weil sie zu wenig trinken, trocknet der Körper aus. Das kann zu Kreislaufproblemen führen, aber auch zu Dehydrierung – was wiederum unter anderem Verwirrtheit verursachen kann.
Alte Menschen dehydrieren schneller: mehr Notfälle im Krankenhaus
In solchen Fällen hilft häufig nur noch intravenöse Flüssigkeitszufuhr. Oftmals, klagt ein Stationsarzt im Ruhrgebiet, würden so viele Patienten als Notfall eingeliefert, dass man sie unmöglich alle stationär aufnehmen könne: „Dann hätten wir keine Betten mehr frei.“ Meist sei allerdings auch keine längere Behandlung nötig, sagte Dr. Hans-Christoph Heuer von den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte an den heißen Tagen des Sommers 2023. In seiner Klinik für Geriatrie kommen solche Patienten meist nicht an, eher sah Heuer „einen erhöhten Zulauf in den Notfallambulanzen beziehungsweise der allgemeinen Inneren Medizin und erst im zeitlichen Versatz einige davon dann auch bei uns“.
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Dabei tun etwa die Pflegeheime viel, um die Hitze für ihre Bewohner erträglich zu machen. An besonders warmen Tagen werden als Zwischenmahlzeiten Melone, Ananas oder Wassereis angeboten, Pflegekräfte bemühen sich, die Menschen „in kurzen Abständen“ zum Trinken anzuhalten. Bei Erkrankten, die das nicht mehr selbst können, wird medizinisch Flüssigkeit ersetzt. Zudem setzen Einrichtungen auf Mundpflege: mit Hagebuttentee oder Wasser. Auch wird nach Möglichkeit die Raumluft befeuchtet.
Im Pflegeheim: Kaltschale statt warmer Suppe
Mittags gibt es an heißen Tagen Kaltschale statt warmer Vorsuppe, denn überhaupt ist ja auch das Essen wichtig: Nicht zu schwer sollten die Mahlzeiten sein, weil das den Körper anstrengt, aber auch nicht zu kalt, weil er dann noch mehr Energie aufbringen muss, um Eisgekühltes wieder aufzuwärmen. Solche Maßnahmen empfiehlt das Bundesgesundheitsministerium auch für die Versorgung von Senioren in den Krankenhäusern: „Sonst“, sagt Minister Lauterbach, „sterben in jedem Sommer Tausende Bürger unnötigerweise.“
Auch Medikamente kriegen es manchmal mit der Hitze zu tun. Wichtig sei, rät Dortmunds Apothekersprecher Dr. Felix Tenbieg, in Absprache mit Arzt und Apotheker die Medizin richtig zu lagern. „Das Schlafzimmer ist meist der beste Ort“, weil es dort kühler ist, eventuell empfiehlt sich sogar der Kühlschrank – das gilt besonders für Flüssiges wie Säfte, Tropfen, Insulin, und hat mit der Haltbarkeit zu tun. Bestimmte Arzneien lassen den schwitzenden Körper anders reagieren (Johanniskraut macht lichtempfindlich, Wassertabletten könnten ihn noch mehr austrocknen lassen).
Apotheker: Bei großer Hitze wirken Medikamente anders
Wärme hat außerdem Einfluss auf den Stoffwechsel: Die Blutgefäße weiten sich, sagt Tenbieg, der Blutdruck verändert sich, das könne aber Auswirkungen auf die Wirkdauer und -stärke von Medikamenten haben: Sie werden schneller abtransportiert, als Beispiel nennt der Sprecher Schmerzpflaster.
Das weiß man alles? Gerade als alter Mensch einfach auf Abkühlung zu warten, wird wohl künftig nicht mehr unbedingt helfen, hat die Stadt Dortmund ausgerechnet: Abgesehen von der Anzahl heißer Tage mit über 30 Grad sei auch die der tropischen Nächte über 20 Grad zuletzt gestiegen: von zwei im Jahr 1991 auf 29. In den Städten des Ruhrgebiets könnten diese Nachttemperaturen bis zu 10 Grad höher liegen als in ländlichen Vororten. Und das sind nur die Werte laut Thermometer. Die gefühlte Temperatur plus Ozon-Belastung plus UV-Strahlung – man sieht schon, da hilft nicht nur Trinken.