Mehl wurde um ein Drittel billiger, Zucker um ein Fünftel. Die Discounter lieferten sich eine beispiellose Preisschlacht.

Berlin. Preise runter: 2009 war das Jahr der Preissenkungen im Lebensmittelhandel. Zwölf Rotstiftwellen gingen durch das Sortiment, meist ausgelöst von Aldi. Erst wurden Brot, Käse und Schokolade billiger, dann auch Pommes, Reis und viele andere Lebensmittel. Der Preiskampf erreichte Ende Oktober den Höhepunkt, als sich Lidl und Aldi einen Preiskampf lieferten. Mehl wurde um mehr ein Drittel und Zucker um ein Fünftel billiger. In den Sog des Schlagabtausches, der sich hauptsächlich in den unteren Preislagen mit „No-Name-Artikeln“ abspielt, gerieten auch einige Markenartikel. Für das neue Jahr halten Experten weitere Preisrunden für möglich. Der Trend zeigt allerdings deutlich nach oben.

Im Durchschnitt verbilligten sich Nahrungsmittel in diesem Jahr bis Ende November um 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie aus Übersichten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. 2009 konnten die Verbraucher aber auch den gegenteiligen Trend feststellen: Preise rauf bei Milch, Butter und Quark. Ganz still und leise drehte Aldi im November bei diesen Produkten die Preisschraube deutlich nach oben und die anderen großen Lebensmittelhändler zogen mit. So war frische Vollmilch im November gut 5 Prozent teuer als im Oktober. Für Butter mussten die Verbraucher gut 11 Prozent mehr auf den Tisch legen.

Die Preise fahren Achterbahn. Nach Einschätzung des Deutschen Bauernverbandes spielt dabei auch die Wirtschaftskrise eine Rolle. Den guten Ernten 2008 und 2009 sowie der hohen Milchproduktion stand nach Einschätzung der Bauern eine schwächere Nachfrage gegenüber. Aus unterversorgten Weltmärkten mit steigenden Preisen sei im Sommer 2008 ein Überangebot mit fallenden Preisen geworden. Große Handelsketten versuchten, mit kürzeren Vertragslaufzeiten solche Schwankungen schneller zu nutzen. „Früher gab es Jahreskontrakte. Heute geht die Entwicklung hin zu Halbjahres- und Vierteljahreskontrakten“, beobachtet Udo Hemmerling, Fachbereichsleiter für Wirtschaft beim Deutschen Bauernverband.

„Preisattacken verpuffen sehr schnell"

„Die Vertragszyklen sind kürzer geworden und die Preisschwankungen größer“, erklärt auch Discountexperte Matthias Queck die zahlreichen Preissenkungswellen in diesem Jahr. Weitere könnten 2010 folgen, wenn Rohstoffpreise niedrig bleiben. Aldi besitze mit seinen schlanken Kostenstrukturen den größten Spielraum für Preissenkungen. Dass die großen Lebensmittelketten die Preise nahezu gleichzeitig verändern, sei mit dem harten Konkurrenzkampf und professionellen Dienstleistern für die Preisbeobachtung zu erklären. „Preisattacken verpuffen sehr schnell, wenn alle anderen innerhalb von 24 Stunden Paroli bieten.“

Wer profitiert davon? Die Preissenkungsrunden haben im Handel keine Gewinner, meinte die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie schon vor einigen Monaten. Das Einkaufsverhalten habe sich bisher nicht wesentlich verändert. Die Industrie leide unter einem starken Preis- und Ertragsdruck durch den Handel, bekräftigte der Verband im Dezember. Die Verhandlungsmacht sei ungleich verteilt. 75 Prozent des Lebensmittelumsatzes in Deutschland entfielen auf die 5 größten Handelsunternehmen. Auf Industrieseite kämen die 100 größten Firmen auf einen Marktanteil von 40 Prozent.

Verlierer sind die Bauern

Als klare Verlierer stehen hingegen die Milch- und Ackerbauern da. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner spricht von einem desaströsen Wirtschaftsjahr. Das Einkommen der Haupterwerbshöfe insgesamt brach im Durchschnitt um knapp ein Viertel auf 34 400 Euro ein. Milchviehhalter protestierten in diesem Jahr fast laufend, bis hin zum Hungerstreik vor dem Kanzleramt.

Wie stark der Milchmarkt 2009 in Schieflage geraten war, zeigen die neuen „Milchseen“ und „Butterberge“. Zur Stützung der Milchpreise wurden in Deutschland von März bis August mit EU-Gelder 63 000 Tonnen Magermilchpulver und 9300 Tonnen Butter aufgekauft und eingelagert. Ohne diese Entlastung wäre der Auszahlungspreis für die Landwirte auf

17 oder 16 Cent je Liter Milch abgestürzt, schätzt der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. So blieb er über der 20-Cent-Marke. Durch die Preiserhöhungen bei Milch und Butter steige der Auszahlungspreis im Dezember zwar auf schätzungsweise 26 bis 27 Cent je Liter. Für ein nachhaltiges Wirtschaften sind aber aus Sicht der Milchviehhalter 40 Cent je Liter erforderlich.

Die schwarz-gelbe Koalition hat sich trotz knapper Kassen zu einem Sofortprogramm von 750 Millionen Euro für die gebeutelten Landwirte durchgerungen. Hinzu kommen EU-Hilfen in Höhe von 57 Millionen Euro. Ein Großteil der Gelder sollen den Milchbauern zu Gute kommen. Der Chef des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter, Romuald Schaber, bemängelt, dass das Sofortprogramm die Auswirkungen der Krise abfedert, aber nicht die Ursache beseitigt, nämlich das Ungleichgewicht im Milchmarkt. „Diese Chance hat man leider wieder einmal verpasst.“ Doch eine staatliche Mengensteuerung oder ein Einfrieren der EU-Milchquoten ist längst vom Tisch. Die weltweite Nachfrage jedenfalls steigt, prognostiziert Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU). Für die Verbraucher heißt es 2010 wohl, dass die Milch weiter teurer wird.