Vom nächsten Monat an gibt es bei Elterngeld und Elternzeit für werdende Mütter und Väter neue Bestimmungen.
Nach der Geburt seiner Tochter hat sich Holger Wagner zwei Monate Elternzeit genommen. „Es war eine wichtige, gemeinsame Zeit für uns“, sagt der Ingenieur. Im vergangenen Dezember und Januar blieb er bei der Familie. Ende dieses Jahres soll ein weiterer Monat dazukommen: „Dann lernt unser Kind womöglich gerade laufen, da wäre ich gern dabei.“ Die Entscheidung dafür fiel leichter, weil sie vom Staat gefördert wird: In den drei Monaten erhält Wagner Elterngeld.
Elterngeld, Elternzeit – da schwirrt einem der Kopf, wenn man sich zum ersten Mal über Unterstützung schlau macht. Rechtsanwältin Bettina Trojan gibt Rat: „Das Elterngeld ist ein Anspruch gegenüber dem Staat, den ein Elternteil hat, wenn er sich um sein Kind kümmert und deshalb nicht voll arbeiten kann.“ Die Elternzeit ist dagegen ein arbeitsrechtlicher Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Der muss seinen Mitarbeitern ermöglichen, nach bis zu drei Jahren Elternzeit pro Kind ins Unternehmen zurückzukehren.
Nach der Elternzeit haben Mütter und Väter ein Anrecht auf die Rückkehr an ihren alten oder einen vergleichbaren Arbeitsplatz. Wenn Mitarbeiter in Teilzeit arbeiten wollen, stellen sich manche Arbeitgeber quer. Betroffene sollten sich nicht abspeisen lassen: „Vor allem während der Elternzeit ist das kein Argument, mit dem ein Unternehmen vor dem Arbeitsgericht durchkommt“, erklärt Trojan.
Neue Regeln bei Kindern, die nach dem 1. Juli 2015 geboren werden, sollen die Elternzeit flexibler machen: Sie kann künftig auf drei Abschnitte verteilt werden statt wie bisher auf zwei. „Der Arbeitgeber muss lediglich sieben Wochen vor dem gewünschten Beginn der Elternzeit informiert werden“, sagt Verena Herb, Sprecherin des Bundesfamilienministeriums. Bis zu zwei Jahre Elternzeit können zukünftig zwischen dem dritten und achten Geburtstag des Kindes genommen werden. Bislang war das nur für ein Jahr möglich. Die Mitteilungsfrist an den Arbeitgeber liegt dann bei 13 Wochen.
Mit der Neuregelung der Elternzeit wurde auch das Elterngeld-Plus eingeführt. Es soll Müttern die frühzeitige Rückkehr in den Beruf erleichtern. Statt wie bisher für 14 Monate gibt es nun für 28 Monate Elterngeld-Plus – das ist aber nur halb so hoch. Außerdem werden neue Bonusmonate eingeführt: „Wenn beide Elternteile mindestens vier Monate gleichzeitig 25 – 30 Stunden pro Woche in Teilzeit arbeiten, gibt es einen Partnerschaftsbonus“, erklärt Herb. Das Paar kann dann bis zu 36 Monate Elterngeld beziehen.
„Das hätten wir sicher auch genutzt“, sagt Ingenieur Wagner. Aber: „Ohne Beratung ist es bald nicht mehr möglich, das passende Modell zu finden.“ Das Elterngeld sei eine gute Möglichkeit, mehr Zeit für die Familie zu haben, doch davon profitieren nicht alle Einkommensgruppen. „Ich bin froh, dass ich es mir leisten konnte, nach der Geburt nicht gleich wieder arbeiten zu müssen.“ Bei anderen Paaren sei das trotz Elterngeld der Fall gewesen: „Bei einem Krankenpfleger sind zwei Drittel vom Netto eben nicht viel.“
Seit der Einführung des Elterngeldes habe sich die Väterbeteiligung kontinuierlich gesteigert, sagt Herb. Dennoch beanspruchen weiter vor allem Frauen die Förderung: 96 Prozent der Mütter bezogen für ihre im Jahr 2012 geborenen Kinder Elterngeld, bei den Vätern waren es rund 29 Prozent. Und auch nur kurz: Im Schnitt beziehen Herb zufolge Mütter rund zwölf Monate Elterngeld, bei den Vätern sind es rund drei Monate. „Die Frau bleibt zu Hause, der Mann verdient das Geld, das ist nach Ergebnissen zahlreicher soziologischer Studien noch bei einem überwiegenden Teil der Paare so“, sagt die Familiensoziologin Sabina Stelzig-Willutzki von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg. Denn: Es bleibt der Partner zu Hause, der weniger verdient.
Doch zumindest an einigen Stellen kommt bei diesem starren Modell etwas in Bewegung: „Heute wollen trotz Kind beide Partner beruflich erfolgreich sein“, so Stelzig-Willutzki. Das müsse keine steile Karriere sein, doch beide Partner möchten im Arbeitsleben etwas bewegen. Auch sind Väter, die Elternzeit nehmen, Vorbilder. Viele berichten, dass sie von Kollegen zur Seite genommen werden, die über eine Auszeit für den Nachwuchs nachdenken. Sie hören von den Erlebnissen der „Pionierväter“ – und sehen die positiven Reaktionen anderer. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nahmen im Jahr 2012 immerhin 32,4 Prozent der Väter in Hamburg Elternzeit. Damit liegt die Stadt im Vergleich der 16 Bundesländer an sechster Stelle. Es ist Zeit, Nummer eins zu werden.
Online-Rechner für Elterngeld und Elterngeld-Plus: www.familien-wegweiser.de; www.elterngeld-plus.de