Hamburg. Zwei neue Bachelor-Studiengänge starten an der Akademie der Weltreligionen – zum ersten Mal auch für Aleviten.

Wolfram Weiße, Direktor der Akademie der Weltreligionen, neigt sonst nicht zu Übertreibungen. Aber diesmal sagt der Uni-Professor: „Das ist ein Meilenstein in der Ausbildung von Religionslehrern in Deutschland.“

Zwei Frauen, die daran mitgearbeitet haben, stehen neben ihm im sechsten Stock des Uni-Gebäudes: Katajun Amirpur, Hamburgs erste Islam-Professorin, und Handan Aksünger, die weltweit erste Hochschullehrerin für alevitische Religion. Beide leiten sie mit Wolfram Weiße die Akademie der Weltreligionen an der Universität Hamburg. Und gemeinsam haben sie – in Kooperation mit Kollegen aus dem evangelischen und katholischen Fachbereich – ein kleines Meisterwerk vorgelegt: alle wichtigen Einzelheiten für zwei neue Lehramtsstudiengänge in der Hansestadt.

Erstmals bildet nämlich die Alma mater Religionslehrer für alevitische und islamische Religion aus. Die Bewerbung für den Bachelor-Teilstudiengang ist noch bis zum 15. Juli möglich (www.stine.uni-hamburg.de). Dass interessierte Studierende einer von diesen Religionsgemeinschaften angehören müssen, wird nicht erwartet.

Die Experten haben ein detailliertes Curriculum erarbeitet. Wer alevitische Religion im Lehramt der Primar- und Sekundarstufe belegt, erhält profunde Einblicke in die Quellen dieser Religionsgemeinschaft, in der – im Unterschied zum Islam – Bestimmungen des Scharia-Rechts keine Rolle spielen. Wer sich für islamische Religion interessiert, lernt die Koranexe­gese genauso kennen wie islamisches Recht und mystische Praxis. „Für uns Aleviten“, sagt Juniorprofessorin Handan Aksünger, „ist das ein großes Novum.“ Das Alevitentum werde akademisch noch sichtbarer, betont sie mit Hinweis auf einen religiösen Trend: Aleviten reden erst seit rund 25 Jahren öffentlich über ihren Glauben. In der Türkei gehören rund 25 Millionen Menschen dieser humanistisch orientierten und weltoffenen Religionsgemeinschaft an. In der Hansestadt leben 50.000 Aleviten.

Bei der islamischen Religion ist es das Ziel des Studiengangs, „durch die Aneignung und Reflexion wissenschaftlicher Methoden ein Bewusstsein für die Eigenart und Relevanz des Islam in der modernen Gesellschaft auszubilden“, heißt es in dem Konzeptionspapier. Zu den Prüfungsleistungen gehören Hausarbeiten, Klausuren (bis 180 Minuten) und mündliche Prüfungen. Professorin Katajun Amirpur sagt: „Das war viel Arbeit. Aber wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden.“

Die Universität Hamburg zieht mit den beiden neuen Lehramtsstudiengängen Konsequenzen aus politischen Vorgaben: Der SPD-geführte Senat hatte 2012 als erstes Bundesland Verträge mit den islamischen und alevitischen Religionsgemeinschaften nach dem Vorbild der Staatsverträge mit den Kirchen geschlossen. Danach erhalten Muslime und Aleviten das Recht, einen eigenen Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen anzubieten. Die Vereine und Verbände verzichten allerdings gegenwärtig darauf.

Stattdessen folgen sie dem Kooperationsangebot der evangelischen Kirche zur Mitarbeit am Hamburger Modell. Dieser „Religionsunterricht für alle“ wird vor dem gesamten Klassenverband erteilt. Bislang fehlen aber noch religionspädagogisch ausgebildete Fachkräfte, die islamische und alevitische Religion in den öffentlichen Schulen unterrichten könnten. Mit dieser Innovation soll ein wesentlicher Beitrag zur Qualifizierung geleistet werden, sagt Professor Weiße. Das Studienangebot reagiere auf eine wesentliche gesellschaftliche Entwicklung – die Pluralisierung auch in religiösen Fragen. Außerdem fügt er hinzu, dass die Kirchen keinen Einfluss auf die Lehrinhalte genommen hätten. Das sei ausschließlich eine akademische Entscheidung.

Seit dem Schuljahr 2014/15 wird an zwei Hamburger Stadtteilschulen das bundesweit erste Modellprojekt eines gemeinsamen Religionsunterrichts für alle praktiziert. Die Erprobungsphase, bei der auch muslimische Lehrkräfte evangelische Religion unterrichten könnten, ist auf mindestens fünf Jahre begrenzt.

Interessierte Lehramtsstudenten können an der Uni nun entweder alevitische oder islamische Religion studieren. In jedem Fall benötigen sie ein Zweitfach, zum Beispiel Mathematik oder Deutsch. Es wird zunächst mit 30 Studierenden gerechnet. An der Universität Hamburg gibt es jährlich rund 80 evangelische und zwölf katholische Lehramtsstudierende. Nach Angaben des Schura-Vorsitzenden Mustafa Yoldas leben in der Hansestadt rund 200.000 Muslime. Der evangelischen Kirche gehören 31 Prozent und der katholischen Kirche zehn Prozent der Bevölkerung an. In der Stadt sind mehr als 100 große und kleine Religionsgemeinschaften zu Hause.