Noch immer übernehmen Frauen den größeren Teil der Kinderbetreuung und stecken im Job zurück. Ein Experte sieht die Männer im Dilemma.
Kind, Kita, Konferenz – in dieser Reihenfolge starten die meisten aller Tage für Stefanie Schwunk. Die 44-Jährige ist Mutter einer dreijährigen Tochter und Senior Managerin im Digitalen Marketing beim Lebensmittelhersteller Kühne in Hamburg. Und lebt zusammen mit ihrem Partner „ein modernes Modell des Familienmanagements“, wie sie sagt. Denn dass sie nach der Elternzeit wieder arbeiten würde, stand für Schwunk schon zu Beginn der Schwangerschaft fest. „Schließlich haben mein Lebensgefährte und ich beide eine gute Ausbildung“, sagt sie. „Und der Job ist ein wichtiger Teil meines Lebens, den ich nicht aufgeben wollte.“
Jungen Eltern wird heutzutage einiges abverlangt. Denn längst vorbei sind die Zeiten, in denen die Mutti ganz selbstverständlich zu Hause blieb, wenn sich der erste Nachwuchs ankündigte, und die Erfüllung bereitwillig beim Kind und in der Küche suchte. Stattdessen stellen sich heute neue Fragen: Wie teilt man sich die Kinderbetreuung? Geht einer der Partner in Teilzeit oder sogar beide? Aber auch: Was macht das mit dem Selbstbewusstsein desjenigen, der notgedrungen kürzer tritt?
Zwischen den Ansprüchen, in der Firma präsent, aber auch beim Kind zu sein
„Jede Familie muss da ihr eigenes Modell finden“, sagt Stefanie Schwunk, die mit ihrem Lebensgefährten das erste Lebensjahr ihrer Tochter gut durchgeplant hatte: Im ersten halben Jahr blieb sie zu Hause, in den darauffolgenden sechs Monaten wechselte sie sich mit dem Papa von Luna und den Großeltern der Kleinen ab. An Vollzeit denkt sie aber auch heute noch nicht wieder, obwohl die Dreijährige inzwischen die Kita besucht. „Ich möchte ja auch Zeit mit meinem Kind verbringen“, sagt Schwunk. Ein Punkt, der Frauen immer noch wichtiger zu sein scheint als Männern, wie eine neue Studie aus Nordrhein-Westfalen nahelegt (s. Infostück). Die Marketingfrau sagt aber auch: „Wenn man eine gewisse Verantwortung im Unternehmen innehat, ist es notwendig, dass man präsent ist.“
Cord Siemer, Gruppenleiter im Kunden- und Vertriebsservice der Ergo Versicherungsgruppe, hat sich mit seiner Frau auf ein ähnliches Modell geeinigt: Sie blieb das erste Jahr in Elternzeit, anschließend kümmerte sich Siemer zwei Monate lang Vollzeit um den Nachwuchs. Auch die Eingewöhnung in die Kita übernahm der 47-Jährige.
Viel hängt gerade für Frauen von den Betreuungsmöglichkeiten der Kinder ab
„Rückblickend war damals die Betreuungssituation einfacher“, sagt Tanja Siemer, 41, die ebenfalls bei der Ergo arbeitet. Die Kita habe schließlich flexible Öffnungszeiten und nur drei bis fünf Tage im Jahr geschlossen gehabt. Außerdem seien beide Kinder – Hanna, 6, und Juli, 3, – am gleichen Ort betreut worden. Jetzt, da die Ältere in die Schule nahe ihres Zuhauses in Volksdorf geht, sei vieles komplizierter. „Die Betreuung in der Schule ist nicht so flexibel, und auch Hanna tat sich am Anfang schwer mit der Umstellung“, sagt die Mutter. Deshalb springen nun die Großeltern einmal pro Woche ein. Und stärken den Eltern auch den Rücken, falls mal eines der Kinder krank wird. „Wobei mein Mann und ich uns dann meistens auch einfach aufteilen“, sagt die 41-Jährige. „Dann arbeite ich früh und mein Mann spät, und mittags machen wir zu Hause die Übergabe.“
Auch Ralf Specht und seine Frau haben sich wie die Schwunks entschieden, nach der Geburt der anderthalb und fünfjährigen Söhne in Teilzeit zu arbeiten, „für uns das ideale Modell“, sagt Specht. Der 48-Jährige ist Geschäftsführer von Väter e.V. und organisiert für den Verein unter anderem Elternzeittreffs und Geburtsvorbereitungskurse – für Väter versteht sich.
Heutzutage, so glaubt der Experte, müssen sich Eltern viel mehr mit unterschiedlichen Familienmodellen auseinandersetzen und für sich das richtige finden. Dass Mama und Papa sich die Erziehung je zur Hälfte teilen, hält er aus Sicht der Kinder für erstrebenswert: „Eine gleiche Haltung in Grundsatzfragen, aber unterschiedliche Erziehungsstile fördern die Kinder ideal.“
Warum in vielen Familien dennoch meist die Mutter beruflich zurücksteckt und sich um die Kindererziehung kümmert, weiß der Geschäftsführer nur zu gut: „Häufig begründen es Paare damit, dass der Mann mehr verdient. Oder die Mutter argumentiert, dass mit der Schwangerschaft eine wichtige Bindung des Kindes an sie entstanden ist.“ Seine Frau und er hätten stattdessen beschlossen, dass sie beide den Anschluss an den Job nicht verlieren wollten, und deshalb sei es nur fair gewesen, zu gleichen Teilen zu arbeiten. „Natürlich kam es uns entgegen, dass wir beide in etwa gleich verdienen“, schränkt der Experte die Übertragbarkeit des Modells ein.
„Viele Väter schreien außerdem nicht danach, in Elternzeit zu gehen oder in Teilzeit zu arbeiten, obwohl sie das vielleicht sogar wollen“, sagt Specht weiter. Stattdessen überwiege die Unsicherheit, wie der Arbeitgeber reagiere, und die Angst, dass dies ein Ende der Karriere bedeute. „Die Väter von heute leben in einem Dilemma: Sie möchten einerseits unbedingt im Alltag ihrer Kinder präsent, aber andererseits auch weiterhin Haupternährer der Familie sein“, sagt Specht. Und das führe am Ende eben doch wieder zu einem traditionellen Modell: „Studien belegen, dass nach zehn Jahren Kindererziehung der Vater der Durchschnittsfamilie wieder in Vollzeit arbeitet und Karriere macht, während die Mutter für den Zuverdienst sorgt oder länger ausgestiegen ist und entsprechend beruflich hinterherhinkt.“ Ein Dilemma, das wohl erst kommende Generationen zu lösen vermögen.