Wie können Mütter eine anspruchsvolle Karriere mit den Herausforderungen des Familienalltags vereinbaren? Katja Fröbe, Ingenieurin bei Hamburg Wasser, ist ein gutes Beispiel.
Vormittags leitet sie ein Team, abends spielt sie mit Puppen. Katja Fröbe arbeitet als Bauingenieurin in Führungsposition bei Hamburg Wasser und erstellt dort Planungsgrundlagen, unter anderem für das 5800 Kilometer lange Abwassernetz im Hamburger Untergrund. Und wenn die 38-Jährige nach ihrem Vollzeitjob gegen 17 Uhr nach Hause kommt, wartet dort schon Tochter Milena, 5, um mit ihr zu spielen.
Seit der Geburt ihres Kindes ist Katja Fröbe morgens Managerin und spätnachmittags Mama. Dass Kinder die Karriere behindern, findet sie überhaupt nicht. Dabei könnten die Gegensätze tatsächlich kaum größer sein: Während für das Unternehmen ein wichtiges Geschäftsessen wahrgenommen werden muss, warten zu Hause die Kleinen auf die Gute-Nacht-Geschichte. Zahlreiche Berufstätige verbringen deshalb einen kräftezehrenden Spagat zwischen Küche und Konferenz, Sitzung und Spielplatz.
„Viele Frauen sorgen sich darum, dass die Karriereunterbrechung zum Karrierebrecher wird“, sagt Julia Tzanakakis von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. Die 36-Jährige betreut die Bereiche Personalstrategie, Unternehmenskultur und Diversity und berät ihre Kolleginnen, wie sie Kind und Karriere vereinbaren können. „Dabei geht es um Lebensentscheidungen, um Karriereausstieg und Wiedereinstieg und um die Elternzeit im Allgemeinen.“
Die meisten Frauen bekommen Kinder zwischen 30 und 34
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bekommen die meisten Frauen ihre Kinder heute zwischen 30 und 34 Jahren. Und das entspricht bei Akademikerinnen nur allzu häufig genau der Lebensphase, in der der nächste Karrieresprung ansteht.
Die Angst, dass eine Auszeit vom Job zugunsten der Kindererziehung schnell zum Hindernis werden könnte, scheint durchaus begründet. Während bei Ernst & Young die Frauen unter den Einsteigern noch mit 49 Prozent vertreten sind, stellen sie unter den Partnern – der höchsten Karrierestufe im Unternehmen – lediglich einen Anteil von 13 Prozent.
Einen paradoxen Luxus nennen die Autoren einer der größten Studien zum Thema, „Karrierek(n)ick Kinder“, durchgeführt von der Bertelsmann Stiftung, dieses Phänomen: Während Frauen zunächst zu hoch qualifizierten Fachkräften ausgebildet werden, würden sie danach nur halbherzig in den Arbeitsmarkt eingebunden. Was aus Unternehmenssicht eigentlich ein kapitaler Fehler ist.
Mütter sind engagierte Führungskräfte, sagen Studien
Zahlreiche Untersuchungen, die sich in den vergangenen Jahren mit dem Thema „Mütter in Führungspositionen“ beschäftigt haben, sind zu dem Ergebnis gekommen: Mütter sind engagierte und motivierte Führungskräfte, denen häufig unberechtigterweise mit Vorurteilen begegnet wird.
Möglichkeiten, Frauen die Vereinbarkeit von Job und Familie zu ermöglichen, gäbe es viele: Betriebskindergärten, flexible Arbeitszeiten, eine Unternehmenskultur, die das Modell Karriere mit Kind ausdrücklich befürwortet. Doch das Engagement der Firmen lässt vielfach noch zu wünschen übrig: Laut einer Umfrage des Personaldienstleisters Manpower aus dem Jahr 2013 haben 65 Prozent der Beschäftigten keine Möglichkeit zu flexibler Arbeitszeit, nur 17 Prozent wird ein Home-Office zugestanden. Unterm Strich bestätigte nur ein Viertel der Mitarbeiter ihren Unternehmen Familienfreundlichkeit.
Ernst & Young will mit gutem Beispiel vorangehen. Als eine der vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften versucht das Unternehmen seit rund zwei Jahren gezielt, Mütter in Führungspositionen zu unterstützen. „Unternehmen können es sich angesichts des Nachwuchskräftemangels heutzutage gar nicht mehr leisten, auf Frauen als hoch qualifizierte Arbeitnehmerinnen zu verzichten“, sagt Tzanakakis. „Und deshalb muss das Unternehmen Bedingungen schaffen, damit die Mitarbeiter eine sehr anspruchsvolle Karriere mit einem Kind verbinden können.“
Spezielle Führungskräftetrainings für Mütter bietet das Unternehmen nicht an, wohl aber für Frauen allgemein, dazu Infobroschüren und Kita-Kooperationen. Aber: „Die Vereinbarkeit von Job und Familie ist heute kein reines Mütterthema mehr“, sagt Tzanakakis. Studien haben ergeben, dass die Unterstützung des Partners elementar wichtig für die Vereinbarung von Kind und Familie ist.
„Bisher werden die Männer aber zumeist in ihrer Vaterrolle noch nicht so wahrgenommen“, sagt Tzanakakis. Sie fordert, dass auch Männer ihren Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie in ihren Unternehmen deutlicher ausdrücken und stärker einfordern. Denn bisher gelinge es ihnen, anders als den Müttern, noch nicht so gut, ihren Wunsch nach flexibler und reduzierter Arbeitszeit durchzusetzen – obwohl die Unterstützung vonseiten des Unternehmens in solchen Fällen da sei.
Mütter als Organisationstalente und Zeitmanager
Doch auch Mütter müssen vereinbarkeitsfreundliche Regelungen meist erst individuell aushandeln. Dabei könnten Unternehmen von Führungskräften mit Kind stark profitieren: „Viele weibliche Managerinnen mit Familie haben ein sehr ausgeprägtes Organisationstalent und gutes Zeitmanagement, sonst könnten sie den Alltag gar nicht bewältigen“, sagt Julia Tzanakakis. „Und dass das den Unternehmen zugutekommt, liegt auf der Hand.“ Wichtig, so sagt die Verantwortliche für Personalstrategie, sei es, den Müttern eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben zu ermöglichen, „auch und gerade in anspruchsvollen Jobs“.
Cornelia Spachtholz vom Verband berufstätiger Mütter setzt sich dafür ein, dass Frauen Führungsposition und Kindererziehung parallel in den Griff bekommen. Als Vorsitzende des Verbands, der mit einer Regionalstelle auch in Hamburg vertreten ist, kämpft sie für Karriereoptionen unabhängig von reiner Präsenz am Arbeitsplatz und gegen die ständige Erreichbarkeit.
Katja Fröbe hat ihren Weg gefunden, Kind und anspruchsvollen Führungsjob unter einen Hut zu kriegen. Vier Tage pro Woche arbeitet sie im Büro, am fünften von zu Hause in Kellinghusen. Dann kümmert sich ihr Mann um Milena. Denn eines ist für Fröbe trotz aller funktionierender Vereinbarkeit undenkbar: mit dem Kind auf dem Schoss ein Team zu führen.