Zukunftsstudie: Weibliche Fachkräfte führen weniger Mitarbeiter und steigen seltener auf - aber ihr Einfluss wächst
Die Fakten sind seit Langem bekannt: Mädchen sind die Gewinner des deutschen Bildungssystems. Sie machen häufiger Abitur als Jungen und schließen ihre Schul- und Universitätslaufbahnen im Durchschnitt mit besseren Zensuren ab. Bei den Schülern dagegen, die die Schule ohne einen Abschluss verlassen, liegt der Anteil der Jungen bei 62 Prozent.
Der Startvorteil ist allerdings kein Garant für eine spätere Karriere. "Frauen in Top-Positionen werden nach wie vor anders wahrgenommen als Männer. Das Sprichwort, das besagt, dass es noch lange nicht das Gleiche ist, wenn zwei dasselbe tun, lässt sich auf viele deutsche Unternehmen übertragen", sagt Sonja Bischoff vom Fachbereich für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Uni Hamburg.
"Knapp ein Viertel der befragten weiblichen Führungskräfte klagt über persönliche Diskriminierung und darüber, dass Leistungen nicht so hoch bewertet werden, wie die von Männern. An dieser Zahl hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum etwas geändert", sagt die Professorin. Seit dem Jahr 1986 leitet sie die Studie "Wer führt in (die) Zukunft?", für die sie in regelmäßigen Abständen Männer und Frauen in leitenden Positionen befragt. Das Ergebnis ihrer Untersuchungen: Frauen führen weniger Mitarbeiter und steigen seltener auf - doch ihr Einfluss wächst.
Wenn es um die ganz große Karriere geht, stoßen Frauen auf Vorurteile
So hat sich der Studie zufolge, die mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung erstellt wurde, der Anteil von Frauen im mittleren Management seit 1986 von vier auf 18 Prozent mehr als vervierfacht. Das Gros der weiblichen Führungskräfte leitet Personal-, Finanz- und Marketingabteilungen.
Ist das jetzt eine neue Arbeitswelt, die aufstiegswilligen Frauen gute Bedingungen bietet? Nicht ganz: Denn Frauen stoßen noch immer an die "gläserne Decke", die einen Aufstieg ins Topmanagement verhindert. "Für Frauen ist es, auch in den sogenannten Männerdomänen, leichter geworden, beruflich Fuß zu fassen"; bestätigt Ulrike Scharwächter, Managerin beim Mineralölkonzern BP. "Doch wenn es um die ganz große Karriere geht, gibt es nach wie vor reichlich Vorurteile."
Die Maschinenbau-Ingenieurin ist verantwortlich für die Einführung eines "Operating Management Systems", das sämtliche Prozessabläufe des weltweit operierenden Energieunternehmens in einem System miteinander verbinden soll. Zuvor war sie Bereichsleiterin Logistik und hatte Verantwortung für 16 firmeneigene Mineralöllager und 160, meist männliche, Angestellte. "Ich beobachte immer wieder, dass Frauen sich stärker als Männer beweisen müssen. Außerdem werden Frauen eher nach ihren Leistungen beurteilt, Männer dagegen nach ihrem Potenzial", sagt Ulrike Scharwächter.
Die Hamburger Studie zeigt auch, dass Managerinnen deutlich gerin-gere Einkommen erzielen als Männer. "In diesem Punkt hat sich in den letzten 20 Jahren ebenfalls kaum etwas getan", sagt Professorin Bischoff. Bei den Gehältern sieht sie branchenübergreifend eine geradezu "magische" Gehaltsschwelle: "Die meisten Frauen verdienen weniger als 75 000 Euro, die meisten Männer mehr. Außerdem sind die Gehälter der Männer in vielen Bereichen enorm angestiegen, die der Frauen aber nur unwesentlich." Diese Gehaltsschere wirke sich negativ auf die Motivation aus. Damit künftig mehr Frauen in Chefsesseln sitzen, sollten sie stärker den Kontakt zu Netzwerken, Berufsvereinigungen und Seilschaften suchen.
Mentoring-Programme helfen Frauen beim Aufstieg
"Was einem beim beruflichen Aufstieg wirklich hilft, sind gute, verlässliche Beziehungen", sagt Bischoff. "Vor allem informelle Kontakte sind wichtig, denn auf der informellen Ebene tut sich meist mehr als auf der formellen. So zeigt unsere Studie auch, dass zwei Drittel aller Männer und Frauen, die es ins mittlere Management geschafft haben, von Vorgesetzten gefördert wurden. Mentoring ist die einzige wirksame Maßnahme, um Frauen wirkungsvoll bei ihrem Karriereweg zu unterstützen." Das hätten 25 Jahre Führungskräfteforschung gezeigt.
Auch Ulrike Scharwächter stand in ihren ersten Jahren als Führungskraft eine Mentorin zur Seite. "Die Gespräche haben mir den Blick für die Politik im Unternehmen geöffnet", sagt sie. Vor elf Jahren lag der Anteil der weiblichen Führungskräfte bei fünf Prozent, heute ist er auf 11,2 Prozent angestiegen. Damit es in Zukunft noch mehr Frauen auf den Chefsessel schaffen, wurde in dem Unternehmen eine Frauenquote in den Gremien eingeführt, die über die Besetzung von Führungsjobs entscheiden.
"Wenn eine Frau sich beruflich weiterentwickeln möchte, ist es auch die Sache des Unternehmens, sie zu fördern", findet Scharwächter. Ihr Ratschlag: "Deshalb sollte man gleich von vornherein einen Arbeitgeber suchen, der Männern und Frauen die gleichen Chancen einräumt."