Hamburg. Richter setzen sich erneut mit der Fahrrinnenanpassung auseinander. Muss Hamburg beim Umweltschutz an der Elbe nacharbeiten?

Manche Dinge wird man einfach nicht los: Wenn der Vorsitzende Richter des 7. Senats und Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, Andreas Korbmacher, am kommenden Freitag den Gerichtssaal betritt, steht ein Thema zur Verhandlung an, das er eigentlich schon abgeschlossen hatte.

Es geht um die Elbvertiefung. Nach langen Verfahren mit zwei Dutzend Klagen und der Einschaltung des Europäischen Gerichtshofs hatte Korbmacher am 9. Februar 2017 über das Megabauprojekt entschieden: Die Elbvertiefung ist unter der Auflage weiterer Naturausgleichmaßnahmen rechtens.

Mit Hochdruck besserten Hamburg und der Bund nach und erwirkten endlich das Baurecht. Doch nun wird die Rechtmäßigkeit angezweifelt. Im Folgenden erläutert das Abendblatt, worum es bei der Klage geht.

Wer klagt gegen die Elbvertiefung?

Kläger ist erneut das Bündnis „Lebendige Tideelbe“, bestehend aus den Umweltverbänden Naturschutzbund (Nabu), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie den World Wide Fund For Nature (WWF). Im Gegensatz zu allen anderen Klägern hatten diese Gruppen im ersten Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einen Teilerfolg erzielt und zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen erzwungen.

Ein Schierlings-Wasserfenchel wird in den Boden gepflanzt.
Ein Schierlings-Wasserfenchel wird in den Boden gepflanzt. © dpa

Die Stadt Hamburg und der Bund mussten daraufhin ihre Pläne ergänzen. So mussten beispielsweise die Ausgleichsmaßnahmen auf niedersächsischem Gebiet konkretisiert werden. Zudem hielt das Gericht die geplanten Ausgleichsflächen zum Erhalt des Schierlings-Wasserfenchels für ungenügend.

Daraufhin wurden auf der Billwerder Insel ehemalige Absetzbecken der Wasserwerke umgebaut, um den Schierlings-Wasserfenchel hier anzusiedeln. Die Umweltverbände halten die Maßnahmen für nicht ausreichend und klagen wieder.

Wie steht es um die Bauarbeiten?

Der Bund hat im Juli des vergangenen Jahres mit den Baggerarbeiten begonnen, die Hansestadt Hamburg – nach Ausschreibungsproblemen – im Frühjahr 2020. Der Bau einer Begegnungsbox für besonders breite Schiffe auf einem acht Kilometer langen Streckenabschnitt von Wedel bis Blankenese ist auf Bundesseite bereits fertig. Hamburg folgt bis August.

Die Vertiefung der Fahrrinne um durchschnittlich einen Meter dürfte im Herbst abgeschlossen werden. Der Bau der Ausgleichsfläche auf der Billwerder Insel ist zu mehr als 50 Prozent fertig. Der Bau neuer Leuchttürme wird noch in diesem Jahr realisiert. „Insgesamt ist die Elbvertiefung zu mehr als 50 Prozent abgeschlossen“, sagte ein Projektverantwortlicher. Im kommenden Jahr soll alles fertig sein.

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Warum die erneute Klage, obgleich längst gebaut wird?

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem ersten Urteil im Februar 2017 festgestellt, dass die Elbvertiefung im Grundsatz genehmigungswürdig ist, allerdings verlangt, dass der Planfeststellungsbeschluss um einige Teile ergänzt werden muss, wie eben bei den Ausgleichsflächen für den Schierlings-Wasserfenchel.

Gegen diese Änderungen kann wieder geklagt werden. Zusätzliche Nahrung erhält die Diskussion durch ein Schreiben der EU-Kommission, wonach Hamburg seine naturschutzrechtlichen Aufgaben nicht erfüllt und der Erhaltungszustand Schierling-Wasserfenchel als „schlecht“ bezeichnet wird.

Muss die Elbe wieder zugeschüttet werden, wenn die Verbände gewinnen?

Das sicher nicht, aber die Umweltschützer wollen erzwingen, dass nicht weitergebaggert werden darf. Das Bauprojekt ist nämlich an den Naturausgleich gebunden. Kommt der zu kurz, ist das Projekt rechtswidrig, so deren Ansicht.

Andererseits ist die Elbvertiefung im Grundsatz genehmigt, nur die Planergänzungen sind Gegenstand der Verhandlungen. Gewinnen die Umweltverbände, kann das Gericht also allenfalls Nacharbeiten bei den Ausgleichsmaßnahmen verlangen. Die Baggerarbeiten in der Elbe sind davon nicht betroffen.

Was sagen die Verbände?

„Wir hoffen darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht erneut die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses feststellt“, sagt Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND Hamburg. Zumal eine neue Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts kürzlich festgestellt habe, dass der Containerumschlag im Hamburger Hafen nur noch wenig steigen werde.

Damit sei der Bedarf der Elbvertiefung nicht mehr gegeben. Die Umweltschützer rechnen sich in Leipzig gute Chancen aus. „Noch sind die Baggerarbeiten nicht abgeschlossen und erst 25 Prozent der Baggermengen bewegt“, sagt Braasch. Er stützt sich dabei auf eine Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linken.


Was sagen die Stadt und der Bund?

„Wir gehen davon aus, dass das Gericht im Sinne der Sache entscheidet“, sagt Hans-Heinrich Witte, der Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes. Die Baggerarbeiten liefen nach Plan. Auch Hamburg geht davon aus, vor Gericht zu gewinnen, um die leidige Auseinandersetzung über die Elbvertiefung endlich zu beenden.

„Nach allen Auseinandersetzungen haben wir am Ende eine gute Balance zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Interessen gefunden“, sagt Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos). Künftig müsse es gelingen, solche Planungsprozesse deutlich schneller zu einem Abschluss zu bringen. Das Genehmigungsverfahren der Elbvertiefung hat 17 Jahre gedauert.

Wann wird ein Urteil erwartet?

Zunächst hatte das Gericht zwei Verhandlungstage angesetzt, den Termin dann aber auf einen Tag verkürzt. „Wir gehen davon aus, dass ein Tag für die Erörterung ausreicht“, heißt es aus Leipzig. Je nach Verlauf der Verhandlung wird Korbmacher noch am Ende der Sitzung das Urteil fällen oder einen Extra-Verkündungstermin anberaumen. Die Entscheidung dürfte dann im Juni fallen.