Hamburg. Hunderttausende bei den Cruise Days. Sogar der Dampf-Eisbrecher „Stettin“ fuhr in der Parade mit – das Abendblatt auch.

Da hüpft nicht nur des Hanseaten Herz: Der Hamburger Hafen präsentiert sich an diesem Sonnabend um kurz vor 22 Uhr von seiner besten Seite. Minutiös geplant und meisterhaft gesteuert, setzen sich nach und nach drei Kreuzfahrtschiffe in Bewegung – begleitet von einer Armada von kleinen und großen Barkassen und Booten. Scheinwerferspots zucken, Feuerwerk explodiert, Sirenen tuten. Das zauberhafte Licht des Blue Ports schafft einen einzigartigen Rahmen. Die Auslaufparade der Cruise Days – ein traumhaftes Erlebnis.

Hunderttausende am Elbufer – keiner kann sie genau zählen – bilden die Kulisse für eine famose Inszenierung. Es ist ein maritimes Festival erster Klasse, das sich erst 2017 wieder­holen wird. Viele suchen auf den Kaimauern und Promenaden zwischen HafenCity und Teufelsbrück nach optimaler Sicht, andere sitzen oder stehen an Bord in der ersten Reihe. Viele Unternehmen bieten Hafenrundfahrten der unvergesslichen Art an. Wer nah dran sein will, muss zahlen.

Die vielleicht originellste Plattform – wie eine Loge auf dem Wasser – garantiert die „Stettin“. Der kohlebefeuerte Dampf-Eisbrecher, Baujahr 1933, hat den Museumshafen Oevelgönne um punkt 21 Uhr verlassen und nimmt Kurs auf Blohm + Voss.

190 Passagiere und 39 Besatzungsmitglieder sind gespannt. Für 39 Euro gibt es drei Stunden Elbe satt. Dazu eine vorzügliche Betreuung mit Fassbier, Erbsensuppe und Fischbrötchen und das spezielle Gefühl, auf einem betagten Dampfer in Tuchfühlung mit den modernsten Kreuzfahrtschiffen zu sein. Es ist ein reizvoller Kontrast, den so nur die Hansestadt zu bieten hat.

Auch das Dockland (Altona-Altstadt)
ist
zauberhaft beleuchtet
Auch das Dockland (Altona-Altstadt) ist zauberhaft beleuchtet © HA | Andreas Laible

Zur Feier des Tages betätigt Kapitän Wolfgang Häberle das Horn der „Stettin“ dreimal. Es ist ein kraftvolles und heiseres, irgendwie stolzes Tuten. Auch hier können andere nicht mithalten. Hafenlotse Häberle, der im Vorstand des Vereins „Dampf-Eisbrechers Stettin“ engagiert ist, steuert sein Schiff gekonnt durch das Wirrwarr auf dem Fluss. Solche kunstvollen Manöver sind kleine Fische für einen Profi, der in 22 Jahren im Job diverse Kreuzfahrtriesen punktgenau an der Pier platziert hat. Darunter waren die „Queen Mary 2“, aber auch ein mit 400 Metern Länge noch längerer Tanker.

Die Kessel werden mit einer Tonne Kohle pro Stunde beschickt – per Hand

„Moin!“, sagt Wolfgang Häberle zur Begrüßung. Er steht auf der „Stettin“-Brücke direkt am Fenster, beobachtet konzentriert das Treiben vor seinem Bug und gibt knappe Kommandos an die Crew. Der Mann ist die Ruhe in Person. Matrose Heinz Dörftrechter bewegt das Ruder entsprechend, ein Offizier bedient den Antrieb. Unten im Maschinenraum werden zwei Zylinderkessel mit je drei Flammrohren in Gang gesetzt. Bei voller Fahrt werden sie mit einer Tonne Kohle pro Stunde von Hand beschickt. Die Passagiere dürfen zugucken. Auch das ist einmalig.

Im Moment jedoch gelten alle Blicke dem Spektakel auf dem Strom. Festlich illuminiert, zieht die MS „Europa“ mit Unterstützung der Wasserschutzpolizei rückwärts. Vor dem Baakenhöft wartet sie, damit sich „Mein Schiff 4“ davor aufstellen kann. Derweil beide Meeresschönheiten in Paradeposition sind, hat die „AIDAbella“, vom Kronprinzkai in Steinwerder aus kommend, die Führung des Trios übernommen. Es ist eine Paraderolle. Die Dramaturgie ist perfekt. Mehrere Feuerwerke sorgen für Funken von oben. Irgendwoher erklingt klassische Musik. Das Publikum am Ufer und auf dem Fluss applaudiert. Viele schreien lauthals vor Begeisterung. 25 regis­trierte Begleitschiffe rahmen die drei Hauptattraktionen ein. Die „Hansa“, „Ballinstadt“ und „Commodore“ sind dabei, ebenso wie die „Freddy“, „Twister“ und „Hamburger Deern.“ Beeindruckendes Schlusslicht – praktisch am Heck der „Europa“ – ist der Dampf-Eisbrecher „Stettin“. Es ist eine Triumphfahrt, ein Bild für Götter.

Auf der „AIDAbella“ wird ein großes
Feuerwerk entzündet
Auf der „AIDAbella“ wird ein großes Feuerwerk entzündet © dpa | Bodo Marks

Nun passgenau auf Kurs, greift Käpt’n Häberle auf der Brücke zum Mikrofon. Er erläutert das Manöver und den Fortschritt der Parade. Und er sagt, dass alle Besatzungsmitglieder an Bord Ehrenamtliche sind – er selbst auch. Gegen Mitternacht in Neumühlen festmachen und frühestens um 1 Uhr nachts zu Hause zu sein: Ehrensache! Motto der Crew: „Aus Liebe zu Hamburg und dem Hafen.“ Hut ab!

Die Passagiere laben sich am Festakt. Bier frisch vom Fass geht gut, ein Kurzer mit dem passenden Namen „Eisbrecher“ ebenfalls; auch Erbsensuppe und Matjesbrötchen zu fairen Preisen finden viele Abnehmer. So schmeckt ein Sonnabend, der Charme und Charakter hat. Während sich der schwimmende Konvoi auflöst und die drei Königinnen der Meere elbabwärts fahren, kehren die meisten Barkassen an ihre Anlegestellen zurück. An Bord der „Stettin“ ist der Abend längst noch nicht zu Ende. Wolfgang Häberle, von Haus aus Kapitän auf großer Fahrt und als Hafenlotse auf der Elbe zu Hause, navigiert seinen Dampfer in Richtung Finkenwerder. Um kurz nach 23 Uhr wird Waltershof angesteuert. Auf den Containerterminals brummt das Geschäft. Im gleißenden Flutlicht wieseln Van-Carrier umher. Die Kräne sind blau beleuchtet. Hamburgs Hafen lebt.