Buxtehude. NSB steigert durch Umbau der Rümpfe die Effizienz um 30 Prozent. „Mit dem Verfahren haben wir weltweit für Aufsehen gesorgt.“
Die „NSB Niederelbe Schifffahrtsgesellschaft“ im beschaulichen Buxtehude, gehörte einst zu den größten Charterreedereien in Deutschland. Dann kam die Schifffahrtskrise. Seitdem wartete das stolze Unternehmen vor allem mit unangenehmen Nachrichten auf: Schiffsverkäufe, Ausflaggung, Personalabbau. Jetzt greift die NSB wieder an, mit einem weltweit einzigartigen Verfahren, mit dem aus unrentablen Frachten der bestehenden Flotte wieder gut gebuchte Handelsschiffe werden. Der sogenannten Schiffsweitung (Widening).
Dabei wird der Bauch eines Schiffes in einer Werft so vergrößert, dass mehr Container darauf passen, ohne dass das Schiffsdesign grundsätzlich geändert werden muss. Mitte Juni hat NSB das erste umgebaute Schiff von der Werft zurückerhalten. Jetzt ist es im Liniendienst der französischen Reederei MSC, die das Schiff langfristig von NSB gechartert hat.
„Mit dem Verfahren haben wir weltweit für Aufsehen gesorgt“, sagt Tim Ponath, 42, seit 2014 zuständig fürs operative Geschäft der Reederei die nach wie vor von seinem Vater, dem Gründer der Reederei Helmut Ponath, geführt wird. Das Widening sei eine gute Methode, um seit der Krise unterbeschäftigte Schiffe wieder zu verchartern, zumindest in einer bestimmten Klassengröße.
Mit dem Einsatz der außergewöhnlich großen Containerschiffe ist auf der Asien-Europa-Route im Verlauf der Krise aufgrund wachsender Überkapazitäten ein sogenannter Kaskadeneffekt eingetreten. Die Riesenfrachter, haben die nächst kleinere Klasse, die bisher auf den Hauptrouten fuhren auf Nebenrouten verdrängt. Die Schiffe auf den Nebenrouten lösten wiederum Schiffe auf kürzeren Strecken ab und so weiter. Die Folge: Die ehemaligen Renner der Weltmeere, Schiffe die noch durch den Panama-Kanal passen und bis zu 5000 Container tragen können, waren plötzlich massenhaft beschäftigungslos. Die Charterraten der sogenannten Panamax-Schiffe sanken von knapp 30.000 Dollar am Tag auf weniger als 7000 Dollar. „Die Schiffe fuhren nicht mehr Zins und Tilgung ein. An Gewinne war gar nicht zu denken“, erinnert sich Ponath.
Die Überkapazitäten sind durch massenhafte Verschrottungen inzwischen reduziert worden, jetzt müssen sich die alten Panamax-Schiffe aber der Konkurrenz durch neue, effizientere stellen. Und da hilft das Widening, wie das Beispiel der „MSC Geneva“ zeigt. Die NSB gab den Frachter mit einer Kapazität für 4800 Container im Januar in China auf eine Werft. Dort wurde das Schiff um siebeneinhalb auf insgesamt 39,8 Meter verbreitert. Dadurch kann es jetzt drei zusätzliche Containerreihen aufnehmen und hat eine Kapazität von 6300 Boxen. „Da die Betriebskosten für das Schiff aber gleich bleiben, erreicht es jetzt eine Effizienz auf dem Niveau aktueller teurer Neubauten“, sagt Ponath. Die Effizienz steigt um 30 Prozent. Nach der „MSC Geneva“ würden nun zwei weitere Schiffe umgerüstet.
Das Risiko des teuren Werftaufenthalts ist für die NSB gering, denn die Buxtehuder Schifffahrtsexperten haben sich mit MSC die zweitgrößte Reederei der Welt als Partner an Bord geholt, die die Schiffe langfristig chartert.
Für die NSB ist das ein gutes Signal, denn die Charterreederei leidet wie alle anderen noch immer unter den Folgen der Krise. Seine Flotte hat das Unternehmen von 118 auf 65 Schiffe reduzieren müssen. Dabei sei aber kein Schiff in die Insolvenz gerutscht, betont Ponath, weil das Unternehmen in der Hochphase der Krise nicht dem allgemeinen Druck der Branche nach immer mehr Schiffsneubestellungen erlegen ist.
Dennoch musste die NSB im vergangenen Jahr 45 von 200 Arbeitsplätzen an Land abbauen. Hinzu kommt ein gewaltiger Aderlass auf See: Wegen der hohen Personalkosten, die Schiffe unter deutscher Flagge verursachen, will die NSB in Abstimmung mit der Gewerkschaft Ver.di bis 2017 alle Schiffe unter deutscher Flagge ausflaggen. 500 deutsche Offiziere verlieren damit ihren Job.
Geldgeber der Charterreeder sitzen vornehmlich in Asien
Zuvor hatte die NSB jahrelang zusammen mit Ver.di bei der Bundesregierung um Unterstützung für die deutsche Flagge gebeten. „Wir haben uns dabei eine blutige Nase geholt und die Konsequenzen gezogen“, sagt Ponath. Ponath redet gern von der „alten“ und „neuen Welt“. Mit der alten Welt meint er die Zeit vor der Krise, als die deutschen Reedereien noch „wie unter einer Käseglocke“ wirtschafteten. Deutsche Mittelständler legten ihr Geld bei deutschen Schiffsfonds an. Deutsche Banken unterstützten das Vorhaben. Gemeinsam investierten sie in Schiffe deutscher Reeder nach dem alten Modell der Kommanditgesellschaft.
Während der Finanzkrise, als Banken und Anleger ausscherten, zerbrach die Käseglocke. Heute ist alles anders. Die Charterreeder gibt es zwar noch in Deutschland. Die Geldgeber sitzen aber überall auf der Welt, vornehmlich in Asien, sagt Ponath. Er gehört erst seit wenigen Monaten zur Geschäftsführung, hat aber hautnah miterlebt, wie die Krise über das Unternehmen hineinbrach. „Ich kam 2005 in die Reederei, damals erlebten Schifffahrtsfonds einen großen Zuspruch.“ Er habe sich an den Hype der New Economy erinnert gefühlt, die im jähen Absturz endete sagt Ponath: „Als man anfing, Werbung für Schiffsbeteiligungen auf dem Rückumschlag von Fernsehmagazinen zu drucken, da dachte ich, das kann nicht gutgehen.“
Er behielt Recht. Anders als viele andere Reedereien hat die NSB den schweren Sturm aber überstanden. Sie erwägt derzeit wieder die Bestellung neuer Schiffe und bringt mit der Verbreiterung alte Schiffe wieder in Fahrt.