Rückgänge von bis zu 20 Prozent, Zusammenbruch des Chartermarktes - die Schifffahrt steckt in der Krise. Jetzt ruft sie nach Hilfe.

Hamburg. Die deutsche Schifffahrt hat im Jahr 2009 erheblich größere Rückschläge erlitten als die Branche erwartet hatte. „Das Schifffahrtsjahr 2009 ist erheblich schlechter verlaufen als noch vor einem Jahr zu vermuten war“, teilte der Verband Deutscher Reeder (VDR) mit. Der Welthandel, von dem die Schifffahrt abhängt, dürfte in diesem Jahr um zwölf Prozent zurückgegangen sein.

„Insofern ist unsere gesamte Industrie durch die tiefgreifende Krise in teilweise existenzielle Schwierigkeiten geraten“, sagte Verbandsvorsitzender Michael Behrendt, der auch Chef der angeschlagenen Hamburger Reederei Hapag-Lloyd ist. Viele große Linienreedereien wiesen Rückgänge um bis zu 20 Prozent aus. Die Chartermärkte seien um bis zu 80 Prozent eingebrochen.

Die Branche müsse mit Banken, Anteilseignern und staatlichen Stellen alle Anstrengungen zur Überwindung der Krise unternehmen. „Das Jahr 2010 wird dafür entscheidend sein“, sagte der Manager. Staatliche Instrumente wie das KfW-Sonderprogramm und der Wirtschaftsfonds Deutschland passten nur begrenzt für die mittelständisch geprägte Branche und müssten auf deren Bedürfnisse angepasst werden. Viele Unternehmen stünden bei der Kapitalbeschaffung für Investitionen oder zur Aufrechterhaltung des Betriebs vor ernsten Problemen. Die Bereitstellung von Eigenkapital auf dem freien Markt sei nahezu zum Erliegen gekommen, berichtete der Verbandschef.

Die Branche erwarte keine Sonderstellung, hoffe aber darauf, dass sie als unverzichtbarer Verkehrsträger für die Globalisierung bei der Bundesregierung mehr Gehör findet, sagte Behrendt. „Es geht um die Überbrückung von zwei, drei Jahren.“ Die Wirtschafts- und Verkehrsminister der norddeutschen Küstenländer wollen im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel kurzfristig ein Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Branche aushandeln.

Deutsche Reedereien seien derzeit stark in Bedrängnis, weil sie bei den Werften in besseren Zeiten Schiffe bestellt hatten, die sie nun nicht mehr bezahlen könnten. „Obwohl seit einem Jahr keine Containerschiffe mehr bestellt werden, beträgt die Kapazität der bestellten Schiffe immer noch 40 Prozent der fahrenden Flotte“, erklärte Behrendt.

Die Schifffahrtskonjunktur 2010 bewertete der Verbandschef „sehr verhalten optimistisch“. Es gebe erste Anzeichen dafür, dass der Welthandel allmählich wieder in Schwung komme.

Die Branche leidet auch unter der zunehmenden Zahl an Überfällen. Seit Jahren machen Piraten vor allem den vielbefahrenen Seeweg zwischen Europa und Asien im Indischen Ozean und im Golf von Aden unsicher. In den vergangenen Monaten nahmen Überfälle von Tankern und Containerschiffen zu: Im ersten Halbjahr 2009 wurden nach Angaben des International Maritime Bureau (IMB) 240 Schiffe überfallen – mehr als doppelt soviel wie ein Jahr zuvor. Auch deutsche Schiffe wurden gekapert, und die Piraten erpressten Millionen.

Zur Bekämpfung der Piraterie ist eine internationale Flotte von Kriegsschiffen im Einsatz, an der sich auch die deutsche Marine beteiligt. Allerdings hätten diese Einsätze nur begrenzten Erfolg gehabt, urteilte der VDR. An die Bundesregierung richtete der Verband daher die Bitte, für eine Verstärkung der internationalen Maßnahmen einzutreten und in Einzelfällen auch den Schutz von Handelsschiffen durch militärische Begleitkommandos zu ermöglichen.

Die deutschen Reeder haben für 1117 Schiffe (3. Quartal 2009) international Aufträge vergeben. Das Investitionsvolumen von 35,7 Milliarden Euro liegt rund ein Fünftel unter dem Vorjahreswert.

Die aktuellen Schiffspositionen auf der Elbe sehen Sie auf unserer interaktiven Karte.