Hamburg. Aktie springt innerhalb eines Tages um 17 Prozent. Analyst raten zum Verkauf. Das Unternehmen sucht nach einer Erklärung.
Finanzanalysten rieben sich am Freitag die Augen – und selbst in der Firmenzentrale von Hapag-Lloyd am Ballindamm herrschte Rätselraten: Die Aktie der Hamburger Traditionsreederei gewann zum Wochenschluss kräftig und war an der Börse erstmals mehr als 100 Euro wert, obgleich sich der deutsche Leitindex DAX am Freitag kaum bewegte.
Zwar verharrt der Anteilsschein der Reederei schon seit Monaten auf einem hohen Niveau, aber bereits vor Wochen hielten Finanzexperten die Aktie für stark überbewertet. Und jetzt das: Mit knapp 80 Euro in die Handelswoche gestartet, legte das Papier zum Wochenschluss auf ein Allzeithoch von 122 Euro zu. Eine bemerkenswerte, selten zu beobachtende Kursrallye.
Aktien: Hapag-Lloyd hängt Branchenprimus ab
Ein paar Vergleiche machen die außergewöhnliche Entwicklung deutlich: Hapag-Lloyd ist derzeit fünfmal mehr wert als die Lufthansa. Ihr Börsenwert liegt höher als der des dänischen Branchenprimus Maersk, obgleich der Gigant 692 Schiffe betreibt und Hapag-Lloyd nur 244. Und nicht zuletzt dürfen sich die Anleger freuen: Die Aktie liegt derzeit 460 Prozent über dem Ausgabekurs von 20 Euro zum Börsenstart 2015.
Über die Hintergründe des seit Monate anhaltenden Kursanstiegs hat das Abendblatt mehrfach berichtet. Ausgelöst wurde er durch den Wettkampf beim Aktienzukauf der beiden größten Hapag-Lloyd-Besitzer, dem Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne und der chilenischen Reederei Compañía Sudamericana de Vapores (CSAV). Beide halten jetzt etwas mehr als 30 Prozent an dem Hamburger Unternehmen, wobei Kühne die Nase knapp vorne hat.
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Den aktuellen Kursanstieg in dieser Woche kann allerdings niemand so richtig verstehen. „Wir haben dafür auch keine Erklärung“, sagte ein Hapag-Lloyd-Sprecher. „Nach unserer Kenntnis hat es keine Kaufaktivitäten durch die beiden Großaktionäre gegeben.“ Da aber inzwischen weniger als vier Prozent des Aktienkapitals am freien Markt gehandelt würden, könnten schon geringe Zukäufe zu heftigen Ausschlägen führen.
Ein Analyst, der namentlich nicht genannt werden möchte, vermutet, dass die Aktie zu einem Spekulationsobjekt geworden ist und der Anstieg mit dem Verfall des Ölpreises im Zusammenhang steht: „Wer profitiert davon? Luftfahrt und Schifffahrt sparen Kosten. Da die Luftfahrt praktisch nicht existiert, ist die Schifffahrt die Gewinnerin.“
Warburg-Analyst Christian Cohrs reagiert derweil nüchtern: „Wir halten die Aktie für substanziell überbewertet. Wir sehen ein Kursziel von 33 Euro und empfehlen den Verkauf.“ Am Freitag schoss der Hapag-Lloyd-Kurs um mehr als 25 Prozent in die Höhe. Dann gab das Papier leicht nach, stand am Nachmittag bei 121 Euro: Immer noch ein satter Gewinn.