Frankfurt/Main. Die Krise könnte die Lufthansa 10.000 Jobs kosten. Das Unternehmen werde danach nicht mehr das gleiche sein, sagte Chef Spohr.

Nach stockenden Verhandlungen in Berlin hat der Lufthansa-Konzern in der Schweiz staatliche Hilfen erreicht. Die Tochtergesellschaften Swiss und Edelweiss sollen über ein Bankenkonsortium Kredite über 1,5 Milliarden Franken (1,4 Mrd Euro) erhalten, von denen 85 Prozent durch den Bund garantiert werden.

Die Mittel dürften nur den schweizerischen Infrastrukturen dienen und nicht an die Mutter im Ausland abfließen, betonte die Regierung am Mittwoch nach der Entscheidung in Bern. Dazu steht aber noch eine positive Entscheidung des Schweizer Parlaments aus.

Eine Kapitalbeteiligung am Konzern ist in der Schweiz nicht geplant. Auch flugnahe Betriebe an den Landesflughäfen sollen bei Bedarf Unterstützung erhalten - bis zu 600 Millionen Franken. Dividenden oder konzerninterne Transfers sind verboten, bis die Darlehen vollständig getilgt sind. Die Lufthansa stimmte der Finanzierung laut einer Pflichtmitteilung an die Börse umgehend zu. Man befinde sich weiterhin in intensiven Verhandlungen mit den Regierungen von Belgien, Österreich und Deutschland.

Lufthansa zieht auch Schutzschirmverfahren in Erwägung

Die Lufthansa zieht parallel zu Staatshilfen nun auch eine Insolvenz im Schutzschirmverfahren in Erwägung, wie ein Unternehmenssprecher am Dienstag bestätigte. Konzern-Chef Carsten Spohr warnte zugleich vor zu großem Staatseinfluss, sollte die Bundesregierung Hilfskredite zur Verfügung stellen.

Man könne einen Konzern nur sehr schwer steuern, wenn mehrere Regierungen Einfluss auf operative Geschäftsaufgaben nehmen wollten, sagte Spohr. Die Lufthansa habe die drei besten Jahre ihrer Konzerngeschichte hinter sich. „Wenn sie auch künftig erfolgreich sein soll, muss sie auch weiterhin ihr Schicksal unternehmerisch gestalten können“, so der Lufthansa-Chef.

Lufthansa sieht Wettbewerbsfähigkeit bei Staatseinfluss gefährdet

Laut der Gewerkschaft Ufo soll Lufthansa-Chef Carsten Spohr zudem auch intern erklärt haben, dass er das Unternehmen lieber in die Insolvenz in Form eines Schutzschirmverfahrens führe, als sich von der Politik reinreden zu lassen. Es sei eine Alternative, falls dem Konzern bei einem Staatseinstieg nicht wettbewerbsfähige Bedingungen drohten, erklärte ein Unternehmenssprecher.

Zwar berichtete das Online-Wirtschaftsmagazin „Business Insider“ über eine angebliche Einigung, wonach die Bundesrepublik rund neun Milliarden Euro an das Luftfahrtunternehmen zahlen und ein bis zwei Aufsichtsratsmandate erhalten würde. Seitens der Bundesregierung wird dies jedoch dementiert. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur vom Dienstag wird nicht damit gerechnet, dass die Gespräche noch diese Woche mit einem Ergebnis beendet werden.

Andreas Scheuer will Lufthansa „flexibel“ halten

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte am Montag, man sei seit mehreren Wochen in intensivem Austausch und „sehr konzentriert“. Es gehe einerseits um eine „riesen Summe“, andererseits darum, einen „ganz großen, wichtigen, systemrelevanten Player, der weltweit auch für Made in Germany steht“, zu stützen.

Er sprach sich dafür aus, den Konzern „flexibel“ zu halten. Das Unternehmen habe bewiesen, dass es durch „flexibles wirtschaftliches Handeln“ erfolgreich sein könne. Teilweise werde großen Unternehmen die Flexibilität genommen, wenn der Staat „zu sehr drin ist“. Es ist auch innerhalb der schwarz-roten Koalition umstritten, wie viel Mitspracherecht der Staat sich sichern solle, wenn er der Fluggesellschaft hilft.

Geht es nach der Lufthansa, fällt dieses so gering wie möglich aus. Der Luftverkehr sei zwar immer politisch gewesen, aber es dürfe nie eine politisch verordnete Frage werden, „ob wir von München oder von Zürich aus nach Osaka fliegen“, sagte Spohr der Wochenzeitung „Die Zeit“. Das sei eine zentrale Frage für die Zukunft des Unternehmens. Er warb daher um Vertrauen in die Entscheidungen seines Managements.

Corona trifft Lufthansa hart – verschiedene Optionen für Unterstützung

Für eine staatliche Unterstützung gibt es verschiedene Optionen – und wegen ihr Streit in der Koalition. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wandte sich gegen die Möglichkeit einer stillen Beteiligung des Bundes. „Wenn Unternehmen wie Lufthansa aus Steuergeldern Staatshilfen in Milliardenhöhe bekommen, müssen auch Mitspracherechte für den Bund gewährleistet sein“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

Diesen Standpunkt vertritt auch SPD-Chef Norbert Walter-Borj ans. „Es gibt gute Gründe, einem an sich gesunden Unternehmen mit öffentlichen Geldern aus der Patsche zu helfen. Wenn die Allgemeinheit aber ein Unternehmen mit Milliarden stützen soll, muss es das Geld auch im Sinn der Allgemeinheit verwenden“, sagte der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister unserer Redaktion. Das bedeute insbesondere, dass Arbeitsplätze erhalten blieben und bei künftigen unternehmerischen Entscheidungen Rücksicht auf das Klima genommen werde.

Walter-Borjans betonte, Solidarität der Steuerzahler sei nicht zum Nulltarif zu haben: „Zuerst die Aktionäre mit Rekord-Dividenden zu bedienen und dem Staat die leere Hand entgegenzustrecken, ist ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahler. Leider halten das manche für normal. Deshalb gehören zu Staatshilfen in Milliardenhöhe selbstverständlich auch entsprechende Mitspracherechte des Staates.“

Dem widersprach Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann (CDU). „Sollte der Staat sich direkt beteiligen und Politiker Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen nehmen, dann muss das sehr gut begründet werden. Ich habe bislang noch von keiner solchen Begründung gehört“, sagte er dem „Handelsblatt“.

Lufthansa-Chef Spohr: Lufthansa wird ein anderes Unternehmen sein

Die Lufthansa sieht indes düsteren Zeiten entgegen: Der Vorstandsvorsitzende Spohr rechnet mit einem Abbau von 10.000 Jobs in der Corona-Krise. Die Flotte werde um etwa 100 Flugzeuge schrumpfen, sagte er in einer internen Botschaft an die Mitarbeiter.

Unter anderem soll der Betrieb der Gesellschaft „Germanwings“ eingestellt werden. Vor Ausbruch der Pandemie hatte der größte Luftverkehrskonzern Europas weltweit rund 130.000 Mitarbeiter und 760 Flugzeuge.

Spohr rechnet erst für das Jahr 2023 wieder mit einem Gleichgewicht für das Unternehmen, das dann ein anderes sein werde. „Wir waren als erste Branche von dieser weltweiten Krise betroffen und die Luftfahrt wird mit die letzte sein, die sie verlassen wird“, sagte der Lufthansa-Chef.

In der Krise rechne das Unternehmen mit zehn Prozent niedrigeren Erlösen und einer um zehn Prozent niedrigeren Auslastung, hieß es weiterhin. Man werde jährlich über eine Milliarde Euro für Zinsen und Tilgung aufwenden müssen. Lesen Sie dazu auch: Lufthansa beendet Flugbetrieb von Germanwings wegen Corona.

Lufthansa: Milliarden-Verlust in wenigen Monaten

Lufthansa hatte am Donnerstag erklärt, dass man sich nicht mehr aus eigener Kraft aus der Corona-Krise retten könne. Dem operativen Verlust von 1,2 Milliarden Euro in den ersten drei Monaten des Jahres werde im laufenden Quartal ein noch ein höheres Minus folgen, hatte das Unternehmen angekündigt.

Der Konzern sei absehbar nicht mehr in der Lage, den laufenden Kapitalbedarf mit weiteren Mittelaufnahmen am Markt decken zu können. Bund und Länder haben bereits fast 1,3 Billionen Euro für Hilfspakete mobilisiert: Teurer Kampf gegen das Coronavirus: Wer soll das bezahlen?

(dpa/yah/cho)