Die deutschen Geldinstitute seien zu zögerlich bei der Kreditvergabe, lautet der Vorwurf. Wahlkampf und Populismus? Oder berechtigte Kritik?

Frankfurt/Main. Deutschlands Banken stehen wieder einmal heftig in der Kritik. Von allen Seiten hagelt es Vorwürfe. Die Institute seien zu zögerlich bei der Kreditvergabe. Sie würden das preiswerte Geld der Europäischen Zentralbank (EZB) für eigene Zwecke horten, statt es an ihre Kunden weiterzugeben. Damit trieben sie Unternehmen in den Ruin und behinderten die wirtschaftliche Erholung. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) schließt selbst die Einführung von Zwangskrediten nicht aus. Auch Wege zur Umgehung der Banken werden diskutiert, damit die Zentralbanken Unternehmen direkt mit Liquidität versorgen könnten.

Keine Frage: Die Kritik an den „bösen Banken“, die als Mitverursacher der aktuellen Krise gesehen und nun vom Staat kräftig unterstützt werden, kommt gut an – gerade im Wahljahr. Dabei verfolgen die Banken gar keine „bösen“ Ziele, wie Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt betont. Sie stecken vielmehr in einem tiefen Dilemma: „Zum einen schlummern schon jetzt in den Bilanzen erhebliche Risiken, aus früheren Kreditvergaben drohen bis zu zehn Prozent auszufallen. Andererseits schimpft die Politik und fordert mehr Kredite, weil die Banken zur Zeit an billiges Geld kommen.“

Diesen Spagat versuchen die Kreditinstitute derzeit mir strengeren Konditionen und höheren Risikoaufschlägen zu meistern. Zum Missfallen von Unternehmern und Politikern. Bankenexperte Wolfgang Gerke sagte am Montag dem Rundfunksender „hr info“: „Es muss was passieren, sonst wird der Aufschwung hinausgezögert.“ Viele mittelständische Unternehmen, die Kredit brauchten, seien bei den Banken abgeblitzt.

"Populismus und Wahlkampf"

Schiereck hält die Kritik für puren Populismus und reinen Wahlkampf: „Wenn jetzt das Kreditengagement ausgeweitet würde, wäre zwar manch einem Unternehmen mit Liquidität geholfen. Aber es besteht ein großes Risiko, dass die Bank das Geld nie wiedersehen wird.“ Analyst Olaf Kayser von der Landesbank Baden-Württemberg sagt: „Es ist eine Gratwanderung, gerade in einer Rezession den Kredithahn aufzudrehen, da das Ausfallrisiko in solchen Zeiten höher ist.“

Auch Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen- Thüringen (Helaba), verteidigt die Politik der Banken. In der Boom- Phase vor zwei Jahren seien die Vergabestandards zu lasch gewesen, Risikoaufschläge hätten völlig gefehlt. „Das führte zu einer Kreditblase, die jetzt platzt.“ In der Summe sei die Kreditvergabe noch immer relativ großzügig: „Normalerweise müssten die Banken in dieser Rezession viel restriktiver sein, als sie es sind.“ Eine noch größere Blase könnte verheerende Folgen für das Finanzsystem und die Realwirtschaft haben.

Bedenken äußert Schiereck bezüglich möglicher Zwangskredite. „Das ist derart abstrus, dass man es nicht ernst nehmen sollte.“ Bankenexperte Peter Burghof von der Universität Stuttgart-Hohenheim sprach von einer Stammtischparole: „Diese Diskussion ist unsinnig.“

"Kann keine Kreditklemme erkennen"

Während das böse Wort von der Kreditklemme die Runde macht, sehen Experten dafür keine Indizien. „Ich als Volkswirt kann in den vorliegenden Daten noch keine breit angelegte Kreditklemme erkennen“, sagt der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer. Zudem geht der Vorwurf an der Realität vorbei. Die nachlassende Dynamik der Kreditvergabe im privaten Sektor sei zu 80 Prozent auf den Nachfragerückgang in Folge der Rezession zurückzuführen, und nur zu 20 Prozent auf verschärfte Vergabestandards.

Diese seien teilweise eine direkte Folge der gesetzlichen Vorgaben: „Im Euro-Raum gehen die Ausfallraten überall hoch. Die Banken sind gezwungen, dies durch mehr Eigenkapital zu unterlegen.“ Da bisher niemand eine derart rasanten Wirtschaftseinbruch erlebt habe, wisse auch niemand, wie viele Insolvenzen bevorstehen. Die Banken müssten daher ihre Risikoaufschläge anpassen.

Auch Volksbanken und Sparkassen weisen die Kritik weit von sich. "Die Kreditvergabe geht aktuell nicht zurück, sondern nimmt trotz Rezession zu", sagte der Präsident der Volks- und Raiffeisenbanken, Uwe Fröhlich. Auch Sparkassen-Präsident Heinrich Haasis erklärte, die 440 Sparkassen hätten bislang sieben Prozent mehr Kredite an die Wirtschaft vergeben als vor einem Jahr.

"Unrealistischer Vorschlag"

Der Vorstoß von Bundesbank-Präsident Axel Weber, notfalls Banken zu umgehen und der Wirtschaft direkt genügend Mittel zur Verfügung zu stellen, hat bei der EZB wenig Aussicht auf Erfolg. Notenbank- Präsident Jean-Claude Trichet kommentierte den Vorstoß vergangene Woche zwar nicht. Er machte aber deutlich, dass die EZB keine derartige Maßnahme plane und sich auf abgesicherte Papiere mit wenig Risiken konzentriere.

Marco Annunziata, Chefvolkswirt der UniCredit, hebt hervor: „In einem Umfeld steigender Ausfallraten würde der Kauf von Unternehmensanleihen dem Willen der EZB zuwiderlaufen, die Risiken zu begrenzen.“ Schiereck hält den Vorschlag für unrealistisch: „Von wem sollten die Notenbanken Anleihen kaufen: Die Unternehmen, die genügend Anleihen am Markt haben, haben ohnehin keine Probleme, sie zu verkaufen.“