Berlin. An einer deutschen Uni wird Perowskit erforscht. Das Material könnte teures Silizium ersetzen – und damit die Energiewende voranbringen.

Wie ein Wunderstoff sieht es nicht aus. Das dünne Glas, das Felix Lang hält, ist schwarz beschichtet, etwa 2,5 mal 2,5 Zentimeter groß. Unspektakulär. Doch für den Physiker der Universität Potsdam ist es ein Modell einer innovativen Solarzelle, die das Zeug hat, die Stromversorgung im All zu revolutionieren und in der Folge wohl auch die auf Erden zu verändern.

Der Stoff heißt Perowskit. Lang glaubt, dass er sich ideal für Solarpaneele im Weltraum eignet. Er ist günstig, unempfindlich, lässt sich leicht verarbeiten und hat einen besseren Wirkungsgrad als klassisches Silizium. Und Perowskit spart, gedruckt auf Folie, Gewicht – kritisch bei der ziemlich beschränkten Last, die eine Rakete ins All befördern kann. Und sollte es dort funktionieren, könnte es auch auf der Erde in großem Stil eingesetzt werden. Ähnlich wie Solarpaneele an sich, die zunächst für die Raumfahrt entwickelt wurden.

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Den irdischen Markt für Solarzellen schätzen Analysten von Fortune Business Insights für 2024 auf rund 400 Milliarden Dollar mit Wachstumsraten von gut 25 Prozent bis 2032. Perowskit könnte alles noch beschleunigen und die Energieausbeute verbessern. Der 34-jährige Lang ist einer, der das Thema am Institut für Physik und Astronomie in Potsdam vorantreibt. Dafür hat die Volkswagenstiftung im Zuge eines Freigeist-Stipendiums 1,8 Millionen Euro über fünf Jahre bereitgestellt.

Perowskit besteht aus einem Gemisch verschiedener Salze

Perowskit wurde erstmals im 19. Jahrhundert im Ural gefunden und nach dem russischen Adligen und Staatsmann Lew Alexejewitsch Perowski benannt. Es ist ein Kristall mit einer charakteristischen würfelartigen Struktur und besteht aus einem Gemisch verschiedener Salze. Die Struktur ist das Besondere. „Perowskit ist ein bisschen wie Wackelpudding“, sagt Lang. „Die Atome sind in Gittern angeordnet, können sich aber bewegen.“

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Das macht es als Material besonders fürs All interessant, wo es starke Strahlung gibt, die vieles zerstört – herkömmliche Solarzellen zum Beispiel. „Strahlung kann chemische Bindungen brechen und Atome aus ihrer Perfekten Kristall-Ordnung schlagen“, sagt Lang. „In Silizium gibt das einen Defekt. In Perowskit bewegt sich das Atom zurück. Die Solarzelle heilt sich praktisch selbst.“

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Illustration eines modernen Perowskit-Hochleistungssolarzellenmoduls. © IMAGO/Pond5 Images | IMAGO stock

Weitere Vorteile: Es ist recht unempfindlich gegen Kälte, hält Temperaturen bis minus 193 Grad Celsius aus. Und es funktioniere auch im dreckigen Zustand, sagt der Experte. „Selbst wenn man beim Mischen der Perowskit-Grundstoffe zehn Prozent von den idealen Mengen abweicht, hat die Solarzelle aus dem Material immer noch 26 Prozent Wirkungsgrad.“ Effiziente Silizium-Solarzellen dürften nur weniger als 0,0001 Prozent verunreinigt sein.

Sercan Öcen und Felix Lang
Sercan Öcen (links) und Felix Lang forschen zu Perowskit-Solarzellen. © Jon A. Juarez | Jon A. Juarez

Mit Perowskit lässt sich mehr Energie gewinnen als mit einer einfachen Solarzelle

Ganz entscheidend ist bei Solarzellen der Preis. Und auch da kann Perowskit offenbar punkten. „Die Basismaterialien sind im Vergleich zu Silizium billig und praktisch überall verfügbar“, sagt Lang. „Es ist auch unempfindlicher zu verarbeiten.“ Hier im Potsdamer Labor werden die Salze bei Zimmertemperatur gemischt. Der Mix wird auf eine Glasplatte hauchdünn aufgetragen, dann erhitzt. Perowskit kristallisiert nicht wie Silizium bei 1000, sondern bei etwa 100 Grad. Es ist in der Regel schwarz, kann aber auch rot oder grün sein, je nach verwendeten Salzen und Lichtwellenlänge, die gefangen werden soll.

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    Denn mit Perowskit lassen sich besondere Solarzellen herstellen, praktisch zwei in einer. „Bei einer Tandemsolarzelle schlucken zwei Filter unterschiedliche Wellenlängen von Licht. So lässt sich mehr Energie gewinnen als mit einer einfachen Solarzelle“, sagt der Forscher. „Silizium-Solarzellen haben einen Wirkungsgrad von etwa 26 Prozent. Seit zehn, zwanzig Jahren gibt es kaum noch Fortschritte. Der Perowskit-Rekord liegt derzeit bei 26 Prozent und im Tandem bei 33 Prozent. Mehr ist möglich.“ Lang gerät ins Schwärmen, während er durch die Labors geht. Doch das Material hat auch seine Tücken. So ist es wasserempfindlich. Deshalb arbeiten sie am Institut nur in einer Stickstoffumgebung, bis eine Testsolarzelle wasserdicht beschichtet ist.

    Tandemsolarzelle im Labor
    Eine Tandemsolarzelle im Labor. © Jon A. Juarez | Jon A. Juarez

    Ob Perowskit sich im All so verhält, wie im Labor, wird gerade getestet. An Bord eines Satelliten der TU Berlin, den die Ariane 6 im Juli in den Weltraum beförderte, sind zwei kleine Tandemsolarzellen, bei denen eine Schicht aus Perowskit, eine aus Silizium besteht. Dafür hat Langs Team mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin zusammengearbeitet. Ein eigener Satellit mit zehn Zentimeter Kantenlänge soll bald prüfen, wie Solarzellen aus jeweils zwei Perowskit-Schichten mehrere hundert Kilometer über der Erde funktionieren. Partner sind die TU Berlin und Quantum Galactics. Der Satellit soll er mit der ersten Rakete der Münchener Isar Aerospace abhaben, vermutlich 2025.

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    Lang kann sich mehr vorstellen: „Künftig könnte Perowskit auf leichten Folien aufgebracht werden. Die könnte aufgerollt ins All transportiert und dort entfaltet werden. Solche Folien sparen Gewicht und damit Startkosten.“ Der Strom könnte über Mikrowellen sogar auf die Erde übertragen werden. Und der Physiker fragt sich: „Kann man Perowskit auf dem Mond herstellen?“ Vor allem die chinesischen Solarpanel-Hersteller arbeiten daran, Perowskit in großem Maßstab auf der Erde zu nutzen. Reine Perowskit-Solarzellen liefert bereits das Start-up Saule Tech aus Polen – im Format einer halben Scheckkarte für digitale Preisschilder. Bis die Zellen für Hausdächer geeignet sind, wird es noch dauern.

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