Berlin. Gesundheitsminister Lauterbach verspricht Stabilisierung der Beitragsentwicklung durch Reformen. Wann sich ein Wechsel der Krankenkasse lohnt.
Der durchschnittliche Beitragssatz zur Krankenversicherung steigt im kommenden Jahr auf ein Rekordhoch von 17,1 Prozent vom beitragspflichtigen Bruttolohn. Das haben Berechnungen des sogenannten Schätzerkreises ergeben, dem Fachleute der Krankenkassen und des Bundesamts für Soziale Sicherheit (BAS) angehören. Konkret errechneten die Experten einen Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um 0,8 Prozentpunkte auf dann 2,5 Prozent.
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Das ist allerdings nur eine Rechengröße, denn die Höhe des Beitragssatzes bestimmt jede der fast 100 Krankenkassen für sich selbst. Einige haben den Zusatzbeitrag bereits in diesem Sommer erneut erhöht. Bei ihnen könnte die neuerliche Anhebung zum Beispiel geringer ausfallen. Auch stehen einige Kassen wirtschaftlich besser da und haben einen entsprechen geringeren Finanzbedarf. Die Prognose bezieht sich nur auf den durchschnittlichen Zusatzbeitrag. Schon jetzt gibt es zwischen den Kassen beträchtliche Unterschiede. Der Zusatzbeitrag liegt aktuell zwischen 0,7 Prozent und 3,28 Prozent.
Krankenkassen-Beiträge könnten steigen – so viel teurer wird es
Daher lässt sich auch nicht exakt bestimmen, wie viel mehr Arbeitnehmer bezahlen müssen. Das lässt sich nur anhand des Durchschnittswertes ermessen. Bei einem Bruttoeinkommen von 40.000 Euro im Jahr entspräche dies Mehrkosten von 160 Euro im Jahr oder gut 13 Euro im Monat. Noch einmal so viel mehr muss der Arbeitgeber abführen. Denn den Zusatzbeitrag teilen sich beide. Bei einem Bruttolohn von 30.000 Euro im Jahr steigt die Abgabe für beide Seiten um zehn Euro monatlich, bei einem Einkommen von 50.000 Euro erhöht sie sich um gut 16 Euro.
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Den Krankenkassen laufen in diesem Jahr die Kosten davon. Der Schätzerkreis erwartet nach eigenen Angaben im kommenden Jahr eine Finanzierungslücke von fast 14 Milliarden Euro bei den Gesundheitsausgaben. Sie muss durch die Zusatzbeiträge geschlossen werden. „Bei den meisten Krankenkassen stehen keine Reserven mehr zur Verfügung“, teilte ihr Spitzenverband GKV mit und fordert mehr Einsatz der Bundesregierung für ein effizienteres Gesundheitssystem. Für großen Ärger sorgt bei den Krankenkassen auch, dass sie vom Bund keine kostendeckenden Beiträge für Bürgergeldempfänger erhalten. Für diese Unterdeckung werden Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Kasse gebeten. „Das Gesundheitssystem funktioniert langfristig nur, wenn es medizinisch, pflegerisch und ökonomisch im Gleichgewicht ist“, mahnt GKV-Chefin Doris Pfeiffer.
Kosten in der GKV sind im ersten Halbjahr um 8 Prozent gestiegen
Einen dringenden Reformbedarf erkennt auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an. „Das deutsche Gesundheitswesen ist das teuerste in Europa, weil es in vielen Bereichen nicht effizient ist“, stellt er fest. Es fehle an Vorbeugemedizin und an Digitalisierung. Lauterbach will die Beiträge mit einer Krankenhausreform stabilisieren. Mit Ausgaben in Höhe von rund 100 Milliarden Euro ist das der größte Ausgabenblock in der gesetzlichen Krankenversicherung. Allein im ersten Halbjahr 2024 sind die Kosten hier um acht Prozent gestiegen. „Diese Zuwächse tragen erheblich zum Anstieg der Zusatzbeiträge bei“, sagt Lauterbach. Doch zu weiteren konkreten Reformschritten äußerte sich der Minister nicht. Dabei sind sie bald dringend nötig, denn auch in der Pflegeversicherung droht eine Beitragserhöhung. Eine Pflegereform hat Lauterbach bisher auch nur in Aussicht gestellt.
Die Versicherten müssen eine Erhöhung nicht zwangsläufig hinnehmen. Denn im Falle einer Anhebung haben sie ein Sonderkündigungsrecht und dürfen zu einer günstigeren Kasse wechseln. Doch ein Wechsel sollte nach Einschätzung der Stiftung Warentest gut überlegt werden. „Man sollte die Kasse wechseln, wenn man unzufrieden ist“, sagt die Expertin der Stiftung, Alisa Kostenow. Die Höhe der Beiträge sei nur ein Aspekt. Gegen einen Wechsel könne bei Älteren zum Beispiel der Verlust gewohnter Ansprechpartner oder der Nutzen aus einem Bonusprogramm sprechen. „Man sollte überlegen, welche Extras eine Kasse bietet“, rät Kostenow.
Wann sich ein Wechsel der Krankenkasse lohnt
Der weitaus größte Teil der Leistungen ist bei allen Krankenkassen gleich. Unterschiede gibt es bei zusätzlichen Leistungen, etwa bei Osteopathie, Zahnprophylaxe oder auch bei der Prävention, zum Beispiel durch die Kostenübernahme von Fitnesskursen. Einen Überblick über die Angebote und Kosten von 65 Krankenkassen bietet die Stiftung Warentest unter der Webadresse www.test.de/krankenkassen. Allerdings kostet der Abruf des Test 4,90 Euro. Kostenlos ist dagegen ein Vergleich des Verbraucherportals Finanztip. Hier wurden jedoch nur 16 Krankenkassen einbezogen. Zu finden ist dieser Test unter www.Finanztip.de/gkv.
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Der Wechsel der Kasse ist einfach, jedoch mit einigen Fristen verbunden. Wird der Zusatzbeitrag erhöht, muss die jeweilige Kasse ihre Mitglieder darüber schriftlich informieren. Dann tritt das Sonderkündigungsrecht in Kraft. Innerhalb des ersten Monats mit dem neuen Tarif müssen wechselwillige Versicherte ihrer Krankenkasse kündigen. Sie melden sich dann auch bei einer anderen Kasse ihrer Wahl an. Die Kündigung selbst wird erst nach zwei Monaten vollzogen. Bis dahin muss der erhöhte Zusatzbeitrag also auch bezahlt werden. Alles Weitere, wie das Informieren des Arbeitgebers über die neue Krankenkasse, übernimmt diese.