Berlin. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat die kriselnde Autoindustrie zum Gipfel geladen. Diese Vor- und Nachteile haben die debattierten Vorschläge.

Die deutsche Autoindustrie kriselt, bei den Autobauern und Zulieferern drohen große Arbeitsplatzverluste. Grund genug für Wirtschaftsminister Robert Habeck, um am Montag zum Autogipfel zu rufen. Eineinhalb Stunden diskutierte der Grünen-Politiker mit Vertretern unter anderem von BMW, VW, Daimler, dem Verband der Autoindustrie und der Gewerkschaft IG Metall via Videokonferenz. Welche Vor- und Nachteile haben die diskutierten Vorschläge? Unsere Redaktion macht den Check.

Die Situation

Die hiesigen Hersteller leiden unter der geringen Auslastung vieler Produktionswerke. Ihre Verkäufe sind zurückgegangen, nicht nur in Europa, sondern auch in China. Dort werden zunehmend Elektrofahrzeuge aus heimischer Fertigung gekauft, die jetzt eine gute Qualität aufweisen und im Vergleich zu europäischen Modellen oft günstiger sind.

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    Für Oberklasse-Fahrzeuge von Mercedes, BMW und der VW-Tochter Audi ist das jedoch ein geringeres Problem, als für die VW-Kernmarke Volkswagen. Dieser Hersteller hat bisher kein günstiges elektrisches Massen-Fahrzeug auf dem Markt, das alten Klassikern wie dem Käfer oder dem Golf vergleichbar wäre. Die erschwinglichen E-Modelle Cupra Raval der VW-Tochter Seat aus Spanien und der deutsche ID.2 sollen erst in den nächsten Jahren kommen. Derweil sind Arbeitsplätze in Gefahr.

    VW hat kein günstiges elektrisches Massen-Fahrzeug auf dem Markt.
    VW hat kein günstiges elektrisches Massen-Fahrzeug auf dem Markt. © dpa-tmn | Jan Woitas

    Kaufzuschuss und Abwrackprämie

    Zu Habecks Autogipfel schlug VW vor, einen neuen Kaufzuschuss für Elektrofahrzeuge einzuführen – ähnlich dem, der Ende 2023 abgeschafft worden war. Käufer könnten zum Beispiel 4.000 Euro vom Staat und 2.000 Euro vom Hersteller erhalten, wenn sie ein E-Fahrzeug erwerben. BMW lehnte das als „Strohfeuer“ ab. Parallel dazu regten Wirtschaftspolitiker der SPD an, bis zu 6.000 Euro aus staatlichen Kassen zu zahlen, wenn mit dem Kauf eines neuen E-Autos der bisher gefahrene Benziner oder Diesel abgemeldet wird.

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    Vorteil: Die hiesigen Hersteller könnten profitieren, weil sich ihre Verkäufe und Gewinne etwas stabilisierten. Für VW würden solche Zuschüsse vielleicht als Übergangslösung wirken, bis der ID.2 auf dem Markt ist. Damit das funktioniert, müssten die Zuschüsse aber verlässlich über einige Jahre fließen.

    Nachteil: Um im Einklang mit internationalen Handelsregeln zu stehen, würden die Zuschüsse allen Anbietern zugute kommen, auch Importeuren aus China. Zudem kosteten derartige Subventionen wahrscheinlich Milliarden Euro pro Jahr, wobei der Bundeshaushalt für kommendes Jahr ohnehin noch große Löcher aufweist. Das ist ein Grund, warum die FDP in der Bundesregierung nichts von dem Vorschlag hält. Vielleicht können aber die zehn Milliarden Euro als goldene Brücke dienen, die die Bundesregierung vorläufig spart, weil die Intel-Chipfabrik bei Magdeburg erstmal nicht gebaut wird.

    Habeck besucht VW-Werk in Emden
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lud die Spitzen der Autoindustrie zum digitalen Gipfel. © DPA Images | Sina Schuldt

    Steuerliche Abschreibungen

    Ohnehin hat die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP vereinbart, eine zusätzliche Förderung für elektrische Firmenfahrzeuge und Dienstwagen in Gestalt neuer Abschreibungen einzuführen. Die Anschaffung der Stromer ließe sich dann zum Beispiel vermehrt von der Gewinnsteuer absetzen, was den Absatz ebenfalls ankurbeln soll. VW schlägt außerdem eine zusätzliche Abschreibung für geleaste E-Dienstwagen vor.

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    Vorteil: Diese Lösung fällt wohl deutlich billiger aus als neue aufzuschüsse. Die FDP scheint einverstanden, das Konzept damit realistisch.

    Nachteil: Die Förderung richtet sich an Unternehmen und deren Angestellte, die in der Regel teure Dienstwagen fahren. Privathaushalte mit Durchschnittseinkommen profitierten eher nicht.

    CO2-Grenzwerte und Verbrenner-Aus

    Ab 2025 sollen abermals die Kohlendioxid-Grenzwerte sinken, die die fossil betriebenen Fahrzeuge der europäischen Hersteller durchschnittlich einhalten müssen. VW plädiert für eine Verschiebung. Daimler und der Automobilverband unterstützen das teilweise. Die Union fordert zudem, den EU-Beschluss aufzuheben, dass ab 2035 im Prinzip keine neuen Benzin- und Dieselfahrzeuge mehr zugelassen werden.

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    Vorteil: Die hiesigen Hersteller erhielten eine Atempause. Ihre Kosten für die Umstellung auf den elektrischen Antrieb sänken zunächst.

    Nachteil: Der Druck in Richtung der weltweit stattfindenden Wende zur Elektromobilität nähme ab. Vermutlich wird die deutsche und europäische Autoindustrie jedoch nur dann überleben, wenn sie schnell auf die Herstellung konkurrenzfähiger Kohlendioxid-freier Fahrzeuge einschwenkt.

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    Arbeitszeitverkürzung und Lohnsenkung

    Sollte sich die Bundespolitik zu keiner weiteren Lösung aufraffen, müssten die Unternehmen alleine handeln. Besonders bei VW hat das Tradition. Mit Arbeitszeitverkürzungen und Lohnsenkungen könnte der Konzern im Kompromiss mit der Gewerkschaft die Kosten senken und auf diese Art ein paar Jahre überbrücken.

    Vorteil: Die Fabriken blieben überwiegend erhalten, bis hoffentlich der Aufschwung einsetzt.

    Nachteil: Diese Lösung reicht eventuell nicht, die Niedergang setzt sich fort, die künftigen Kürzungen fallen noch schmerzhafter aus.