Düsseldorf. Der Ausbau des Glasfasernetzes stockt. Deutsche-Glasfaser-Chef Pfisterer spricht über Gründe und hausgemachte Probleme in Deutschland.
Rund 16 Millionen Haushalte in Deutschland haben aktuell Zugang zu einem Glasfaseranschluss, der superschnelles Internet ermöglicht. Damit ist erst gut ein Drittel der Haushalte versorgt. Als erster großer Anbieter stellt die Deutsche Glasfaser aus Düsseldorf die Ziele der Bundesregierung infrage, bis zum Jahr 2030 eine 100-Prozent-Quote zu erreichen. Im Interview begründet Unternehmenschef Andreas Pfisterer seine Skepsis, kritisiert den Wettbewerber Deutsche Telekom und wirft der Ampel vor, sich von der Digitalisierung des Landes verabschiedet zu haben.
Herr Pfisterer, gefühlt an jeder Ecke in den Städten hängen Plakate, auf denen Unternehmen für Glasfaser werben. Kommt der Ausbau in Deutschland endlich voran?
Andreas Pfisterer: Der Appetit der Menschen auf schnelles Glasfaser-Internet ist ungebrochen. 1,4 Millionen Kundinnen und Kunden haben bereits Verträge bei Deutsche Glasfaser und den Partnern auf unserem Netz unterschrieben. Wir kommen unserem Ziel beständig näher, bis zu sechs Millionen Haushalte in Deutschland mit Glasfaser zu versorgen. Dafür investieren wir pro Jahr deutlich über eine Milliarde Euro – vor allem im ländlichen Bereich und vor den Toren der großen Städte.
Die Bundesregierung hat das Ziel ausgegeben, bis 2025 die Hälfte und bis zum Jahr 2030 alle Haushalte ans Glasfasernetz anzuschließen. Ist das realistisch?
Pfisterer: Da sehe ich ein großes Fragezeichen. Das Jahr 2025 beginnt schon in einigen Monaten. Aktuell ist dieses Ziel nicht mehr zu erreichen. Eine flächendeckende Versorgung in gut fünf Jahren, die noch bleiben, ist aus heutiger Sicht kaum möglich.
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Warum?
Pfisterer: Das liegt unter anderem an dem mangelnden Gestaltungswillen der Politik, faire Rahmenbedingungen für einen Ausbauwettbewerb zu schaffen, etwa beim Thema Doppelausbau. Die Deutsche Telekom überbaut bereits vorhandene oder von Wettbewerbern geplante Glasfaserleitungen und sorgt in den Kommunen für Verunsicherung. In der Folge ziehen sich alternative Anbieter, die oftmals größere Gebiete ausbauen wollen, zurück. Das Aussitzen des zuständigen Ministeriums zeigt, dass es der Politik an einem wettbewerbsbasierten Leitbild für den flächendeckenden Glasfaserausbau fehlt.
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Was fordern Sie vom zuständigen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP)?
Pfisterer: Aus dem Monitoring-Bericht der Bundesnetzagentur geht klar hervor, dass die Telekom oftmals auf Ausbaupläne von Wettbewerbern reagiert und dort Glasfaser baut, beziehungsweise ankündigt zu bauen, wo bereits Leitungen liegen oder geplant sind. Die Bundesnetzagentur bestätigt damit die Sicht der Branche, und die Politik sollte dies nicht einfach ignorieren. Vor diesem Hintergrund sind mehr regulatorische Auflagen nötig. Es würde schon helfen, wenn die Telekom ihre eigenen Ausbaupläne frühzeitig einer neutralen Stelle gegenüber offenlegen müsste, um dem schädlichen Doppelausbau einen Riegel vorzuschieben und einen flächendeckenden Ausbau zu unterstützen.
Wird das geplante Telekommunikations-Beschleunigungsgesetz helfen?
Pfisterer: Der Entwurf wird seinem Namen nicht gerecht, es ist eher ein Netzausbauverteuerungsgesetz. Ich hoffe auf Nachbesserungen im parlamentarischen Verfahren. Die Passivität der Bundesregierung bei den Rahmenbedingungen für schnellen Glasfaserausbau macht den Eindruck, als ob die Digitalisierung in Deutschland keine Priorität hat. Als ich in Dänemark arbeitete, musste ich ein einziges Mal zum Amt, um meine digitale Bürger-ID in Empfang zu nehmen. Danach ging alles online – jede Interaktion mit Unternehmen, Banken, Behörden oder Einrichtungen des Gesundheitswesens. Davon sind wir in Deutschland noch sehr weit entfernt.
Die Telekom wirft ihrerseits anderen Anbietern vor, dass ihre Glasfaserleitungen überbaut wurden.
Pfisterer: Für uns als Deutsche Glasfaser wäre es betriebswirtschaftlich völlig unsinnig, ein anderes Netz zu überbauen. Wir selbst betreiben keinen strategischen Doppelausbau und konnten die fraglichen Fälle und Vorwürfe umfassend entkräften.
Die Glasfaser-Bauer bieten sich gerade einen harten Wettbewerb und überbieten sich bei den Ausbauzahlen. Hierbei gibt es aber immer wieder Zweifel über die Zahl der Anschlüsse.
Pfisterer: In Deutschland haben viele Anbieter bislang vor allem in das Verlegen von Glasfaserleitungen entlang der Straßen und Bürgersteige investiert. Das ist ein bisschen wie Handtuchlegen auf die Liege am Swimmingpool, damit sich kein anderer daraufsetzt. Mit Blick auf den Anteil der aktiven Kunden, die tatsächlich einen Glasfaseranschluss bis ins Haus haben und auch nutzen, ist Deutsche Glasfaser Marktführer. Wir haben einen Anteil von über 30 Prozent angeschlossener Haushalte auf unserem Netz; der Wettbewerb liegt deutlich darunter und die Telekom nach eigenen Aussagen bei rund 15 Prozent.
Bei Verbraucherinnen und Verbrauchern herrscht oft Unsicherheit, ob sie mit dem Glasfaseranschluss auch gleich den Anbieter für Fernsehen, Festnetz und Internet mitbuchen müssen und daran dann gebunden sind.
Pfisterer: In Deutschland ist die vertragliche Verknüpfung zwischen Netzanschluss und Diensten wie Festnetz und Internetzugang noch sehr stark – in Skandinavien sieht das schon anders aus. Wir haben daher eine klare Strategie, um für die Verbraucher eine größere Auswahl zu schaffen: Wir wollen alle Dienste-Anbieter auf unser Glasfasernetz bekommen. Das ist ein klares Bekenntnis zum Prinzip des Open Access, das sich auch die Bundesregierung wünscht. Das heißt, wir bieten unsere Glasfaser-Infrastruktur am Markt allen Dienste-Anbietern an. Wir haben bereits Vodafone als Partner, aber auch viele bedeutende regionale Anbieter.
Was wird eigentlich aus den guten alten Kupferkabel-Leitungen, wenn überall Glasfaser liegt?
Pfisterer: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die baldige Abschaltung der Kupfernetze ist schon deshalb sinnvoll, weil sie sehr viel Strom verbrauchen. Glasfaser arbeitet dagegen mit Lichtwellen und ist dadurch deutlich sparsamer. In naher Zukunft können die alten DSL-Leitungen die Datenmengen, die jährlich um 30 Prozent wachsen, nicht mehr verarbeiten. Die Glasfaser-Technologie mit ihrer kurzen Latenz ist darüber hinaus Grundvoraussetzung etwa für die Steuerung der Stromnetze oder bei der Telemedizin.
Wann ist denn dann Schluss mit dem Kupferkabel?
Pfisterer: In Deutschland fehlt leider ein Fahrplan. In Spanien wird schon 2026 abgeschaltet. Die EU stellt sich eine EU-weite Abschaltung bis 2030 vor, was in Deutschland angesichts mangelnder Fortschritte im Glasfaserausbau aber nicht realistisch ist. Nichtsdestotrotz gibt es Fälle, für die der Beginn einer konkreten Planung sinnig wäre. Wie zum Beispiel die nordrhein-westfälische Kreisstadt Borken, die eine Glasfaserquote von bereits 95,8 Prozent vorweisen kann.
Alle Glasfaser-Bauer betonen, dass private Investoren ausreichend Geld zur Verfügung stellen. Und dennoch pumpen die öffentlichen Hände jährlich mehrere Milliarden Euro Fördermittel in den Markt. Ist das eigentlich notwendig?
Pfisterer: Allein unsere Gesellschafter EQT und Omers wollen sieben Milliarden Euro investieren. Fördergelder machen nur in Landstrichen Sinn, wo eine eigenwirtschaftliche Erschließung mit Glasfaser zu teuer wäre. Der Bund hat aber Fördermittel mit dem Füllhorn ausgeschüttet. Mit der Folge, dass von den 16 Milliarden Euro, die seit 2016 bereitgestellt wurden, bisher gerade einmal vier Milliarden Euro abgerufen wurden. Denn Bundesländer und Kommunen müssen immer auch einen Eigenanteil aufbringen. Und es gibt gar nicht so viele Baufirmen, die die hohen Mittel verbauen könnten.
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Bewegt sich denn etwas?
Pfisterer: Wir begrüßen, dass die Bundesregierung die Fördermittel für neue Projekte in diesem Jahr von drei auf zwei Milliarden Euro begrenzen möchte. So können wir uns auf die Umsetzung der laufenden Förderprojekte und auf Lückenschlüsse konzentrieren. Das dürfte auch den eigenwirtschaftlichen Glasfaser-Ausbau stärken.
Die Deutsche Glasfaser ist zuletzt auch personell stark gewachsen. Wird das so weiter gehen?
Pfisterer: Wir sind erst 2011 gestartet und haben die Zahl unserer Beschäftigten von rund 1000 im Jahr 2020 auf heute 1800 fast verdoppelt. Damit sind wir für die nächsten Jahre gut gerüstet.
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