Berlin. Das Meer ist als reines Reiseziel viel zu schade. Investoren entdecken es für sich. Wie Meeresschutz und Geldanlage zusammenpassen.
Ob Meeresenergie, Küstentourismus oder marine Biotechnologie: Für Investoren sind die Meere der Erde zunehmend interessant geworden. Ihre Absicht: das Meer als Geldanlage zu nutzen. Die sogenannte Blue Economy gilt als neues Investitionsfeld, das auch in das Visier von deutschen Unternehmen und Privatanlegern geraten ist. Das steckt dahinter.
Nach einem Forschungsbericht des Öko-Instituts werden jährlich bis zu 216 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre von Ökosystemen im Küstenbereich wie Seegraswiesen, Salzmarschen und Mangrovenwälder aufgenommen. Sie bieten Pflanzen, die klimaschädliche Treibhausgase aus der Atmosphäre ziehen und aufnehmen, einen Lebensraum. Dadurch verringern sie die CO2-Belastung und sind ein wichtiger Lebensraum für Meerestiere und verbessern die Qualität des Wassers – und somit die der Menschen.
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Klimaschutz: Seegraswiesen und Mangrovenwälder nehmen Kohlenstoffdioxid auf
Im März 2021 hat die DWS, eine Vermögensverwaltungstochter der Deutschen Bank, sogar einen Blue-Economy-Fonds ins Leben gerufen, bei dem in Unternehmen investiert wird, die ihr Geld mit der Meereswirtschaft verdienen. Inzwischen gibt es diverse Möglichkeiten für Privatanleger, ETFs aus dem Bereich Blue Economy zu erwerben. Sie enthalten Aktien von Unternehmen, die innovative Technologien und Lösungen in dem Bereich entwickeln und einsetzen.
„Die Meere sind für uns unverzichtbar. Sie haben nicht nur großen Einfluss auf das Ökosystem ‚Erde‘, sondern stellen auch eine bedeutende globale Wirtschaftskraft dar“, sagt Raban Hahne, der stellvertretenden DWS-Fondsmanager. Nach Schätzungen aus dem Jahr 2020 handele es sich um die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt mit einem jährlichen Nutzen von 2,5 Billionen US-Dollar. Bis 2030 sollen laut OECD-Studie über 40 Millionen Beschäftigte in meeresbasierten Industrien arbeiten.
Blue-Economy-Fonds: Zusammenarbeit mit Umweltschutzorganisation WWF Deutschland
Nicht jede Firma kann sofort Teil des Fonds werden, zunächst erfolgt ein Engagement-Prozess. In Zusammenarbeit mit der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland hat die DWS sektorspezifische Fragenkataloge entwickelt, um aktuelle und zukünftige Ziele und Strategien in Bezug auf ökologische Faktoren zu bewerten, die insbesondere für die Blue Economy wichtig sind.
„Wir suchen selektiv Unternehmen aus, die den Ozean als Ressource nutzen, jedoch Verbesserungspotenziale haben. Das ist gewissermaßen die Eintrittskarte, um mit diesen Unternehmen einen aktiven Dialog zu beginnen“, sagt Raban Hahne. Das Ziel sei es, gemeinsam mit den ausgewählten Unternehmen eine nachhaltige „blaue Wirtschaft“ zu fördern, die soziale und wirtschaftliche Vorteile für die heutige und zukünftige Generationen bietet und Meeresökosysteme wiederherstellt und erhält.
Kreuzfahrtschiffe: Umweltsünder können Teil des Blue-Economy-Fonds werden
Zunächst werden die Ambitionen aller interessierten Unternehmen abgefragt. Dabei spiele der Klimaschutz eine entscheidende Rolle. Dass dabei auch Kreuzfahrtschiffe, die als große Umweltsünder gelten, in den Fonds mit aufgenommen werden können, hat laut dem Fondsmanager einen positiven Effekt: „Unterstützt durch die Expertise des WWF Deutschland setzen wir in diesem Dialog Ziele. Konkret geht es dabei darum, dass ein Anbieter von Kreuzfahrten zukünftig Emissionen verringern soll.“
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Ein Unternehmen aus der Branche ist Royal Carribean. Der Kreuzfahrtriese hat nicht nur großen Einfluss im Bereich des Tourismus, sondern durch die Interaktion mit den Ozeanen und Küstenökosystemen auch auf die Blue Economy. „Es gibt viele Bereiche, in denen Handlungsbedarf besteht. Plastik in Ozeanen ist eine ernstzunehmende Gefahr für die Blue Economy“, so Raban Hahne. Die Ausstattung mit einem Ballastwasserbehandlungssystem, der Verzicht von möglichst viel Plastik sowie der Plan, die Emissionen mittel- und langfristig zu senken, seien ein wichtiger Beitrag für die Blue Economy.
Blue Economy: Nachhaltigkeit steht über allem
„Wir wünschen uns, dass Unternehmen in den kommenden Jahrzehnten ihre negativen Beiträge auf maritime Ökosysteme reduzieren“, sagt Raban Hahne. Um den geplanten Beitrag in die Tat umzusetzen, würde der Fonds in Lösungsanbieter investieren – das seien Unternehmen, die beispielsweise nachhaltiges Fischfutter oder Öl aus Algen herstellen. Lokale Wirtschaften würden von nachhaltiger Fischerei und Aquakulturen profitieren. So wird die Lebensqualität der Menschen in den Küstenbereichen verbessert und es werden Arbeitsplätze mit Zukunft geschaffen, heißt es in einem Bericht der DWS.
Damit die blaue Wirtschaft funktionieren kann, benötige sie intakte Küsten-Ökosysteme. Etwa 50 Prozent dieser Systeme seien in den vergangenen 100 Jahren verloren gegangen, heißt es in dem Bericht vom Öko-Institut. Der technische Fortschritt und der steigende Konsum sowie der Bau von Häfen seien dafür mitverantwortlich. Ruhezonen für die Meere seien für die Bewahrung der Ökosysteme notwendig. Da sich mit diesen Schutzzonen aktuell kein Geld verdienen lässt, seien Investments in die Blue Economy ein sinnvoller Weg.
Blue Economy: Investment als Privatanleger
„Anleger profitieren von den zunehmenden globalen Anstrengungen zum Schutz und Erhalt der Ozeane und der Meeresressourcen“, berichtet Markus Jordan, Experte und Gründer von extraETF. Als Stärken sieht er außerdem das positive Image der Unternehmen sowie die Wachstumschancen durch die Zunahme des nachhaltigen Bewusstseins. Als Schwächen sieht er die Abhängigkeit von Regulierungen, da Meere zwischen verschiedenen Staaten liegen sowie „die Stellung als Marktneuling, da die Unternehmen in dem Bereich relativ neu sind.“
Eine dezidierte Einschätzung, ob sich ETFs aus dem Bereich Blue Economy für Privatanleger lohnen, gibt es seitens des Geldratgebers „Finanztip“ nicht. Ihr Experte Timo Halbe ordnet Investments in dem Bereich so ein: „In eine einzelne Branche wie die Blue Economy zu investieren, birgt ein hohes Risiko, da die Wertentwicklung eben nur von einem einzelnen Wirtschaftszweig abhängt.“ Es gleiche einer Wette, da man nur spekulieren könne, wie sich eine einzelne Branche entwickelt. Für einen langfristigen Vermögensaufbau rät Halbe, „neben dem Erwerb der ETFs aus der Blue Economy in Aktien aus vielen Ländern und Branchen zu investieren.“