Berlin. Weil nur wenige Deutsche eine Elementarschadenversicherung haben, wird über eine Pflicht debattiert – mit Folgen für alle Hausbesitzer.

Einige Regionen in Deutschland müssen in diesen Tagen erneut mit viel Regen rechnen – und mit zum Teil schwerwiegenden Folgen. Denn gerade Starkregen, aber auch Hochwasser verursacht bei Betroffenen häufig hohe Schäden. Nun debattieren Politik und Versicherer über eine Pflicht zur Versicherung von Gebäuden gegen diese Elementarschäden. Die wichtigsten Fragen dazu im Überblick.

Was ist eine Elementarschadenversicherung?

Diese Versicherungsart deckt Schäden an Gebäuden ab, die zum Beispiel nach Starkregenereignissen sowie durch Hochwasser, Tornados oder auch Erdbeben entstehen können. Die Elementarschadenversicherung ist ein ergänzender Baustein innerhalb einer Hausrat- oder Wohn­ge­bäu­de­ver­si­che­rung.

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Wie ist die Situation in Deutschland?

Viele Hausbesitzer haben Elementarschäden nicht mitversichert. Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zufolge sind derzeit nur 54 Prozent der Gebäude in Deutschland gegen Schäden im Falle von Naturkatastrophen versichert. Bundesweit gibt es durchaus Unterschiede bei der Abdeckung mit diesem speziellen Versicherungsschutz: Schlusslicht ist Niedersachsen, wo nur ein Drittel der Gebäude gegen Schäden nach Naturereignissen versichert sind.

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    In Baden-Württemberg sind es hingegen sogar 94 Prozent. Dort galt bis 1994 eine Pflicht für Hausbesitzer, sich gegen die Folgen nach Überflutungen oder Starkregen abzusichern. Wie teuer die Elementarschadenversicherung für den jeweiligen Hausbesitzer ist, hängt allein vom Standort des Gebäudes ab. Stiftung Warentest zufolge bieten viele Tarife diesen Zusatz für 100 Euro im Jahr an – wenn das Hochwasserrisiko gering ist. Für die Bewertung der Gefährdungslage sind die Hochwassergefährdungsklassen entscheidend.

    GDV-Angaben zufolge befinden sich etwa 92 Prozent der Adressen in Deutschland in Gebieten, die aktuell nicht von Hochwasser größerer Gewässer betroffen sind. Grundsätzlich sei jedes Haus in Deutschland versicherbar, so der GDV. „Nur bei einem sehr geringen Anteil von 0,4 Prozent der Adressen in der Hochwassergefährdungsklasse 4 kann es tatsächlich wirtschaftlich nicht sinnvoll sein, zu versichern.“

    Warum wird über eine Pflicht diskutiert?

    Die Debatte darüber schwelt schon länger. Jüngste Pfingstunwetter im Saarland und in Rheinland-Pfalz mit gut 200 Millionen Euro Schaden haben sie wieder angeheizt. Am 20. Juni wollen die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin darüber beraten. Zuvor gab es am 6. März einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz. Die Ampel-Regierung wird darin aufgefordert, „eine bundesweite Pflichtversicherung für Elementarschäden, die auch Sturmflutschäden umfassen sollte, einzuführen“.

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    Justizminister Marco Buschmann (FDP) ist jedoch gegen eine solche Pflichtpolice, wie eine Sprecherin auf Anfrage erklärte. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD) sagte dieser Redaktion: „Bund und Länder können für die Schäden von Extremwetterereignissen nicht dauerhaft mit Steuergeld aufkommen. Die Folgekosten müssen vielmehr über eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden solidarisch verteilt werden, um zu verhindern, dass Menschen zum Beispiel nach einer Flutkatastrophe vor dem finanziellen Ruin stehen.“

    Will mit einer Pflichtversicherung für Elementarschäden an Gebäuden die Folgekosten von Unwetter solidarisch verteilen: Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz.
    Will mit einer Pflichtversicherung für Elementarschäden an Gebäuden die Folgekosten von Unwetter solidarisch verteilen: Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. © dpa | Sebastian Gollnow

    Auch die Regierungschefin des Saarlands, Anke Rehlinger (SPD), erneuerte ihre Forderung nach einer Pflichtversicherung. „Frankreich macht vor, dass eine Pflichtversicherung zu einem fast flächendeckenden Schutz führen kann, ohne den Einzelnen zu stark zu belasten. Wir müssen endlich Fortschritte machen und die Versicherungsquote hochbringen – am besten auf 100 Prozent“, sagte sie dieser Redaktion.

    Welche Folgen hätte eine Pflichtversicherung für Hausbesitzer?

    „Aufgrund einer breiteren Risikostreuung würde die Beiträge für Hausbesitzer mit hohem Elementarschadenrisiko wahrscheinlich günstiger werden. Die Beiträge für Hausbesitzer mit geringerem Risiko könnten hingegen steigen“, sagte die Versicherungsexpertin des Geldratgebers Finanztip, Henriette Neubert, unserer Redaktion. Wegen der hohen Inflation und gestiegener Baupreise hatten sich die Beiträge für Wohngebäudeversicherungen zuletzt bereits deutlich erhöht, 2023 um rund 15 Prozent, 2024 um weitere sieben Prozent.

    Was liegt politisch auf dem Tisch?

    Unter anderem ein Vorschlag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die sich allerdings wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen eine Pflicht ausspricht. Die Union ist dafür, die Elementarschadensversicherungen „fit für die Zukunft“ zu machen. Eine entsprechende Bundestags-Drucksache soll in der kommenden Woche im Plenum beraten werden. Demnach sollen Wohngebäudeversicherungen nur noch mit einer Elementarschadenabsicherung angeboten werden können. Wer den Schutz nicht möchte, muss ihn aktiv ablehnen (sogenannte Opt-out-Lösung).

    Vor zwei Wochen hatte bereits die SPD eine Idee nach französischem Vorbild präsentiert – also einer verpflichtenden Elementarschadensversicherung. CDU-Politiker Carsten Müller lehnt den Vorstoß der Sozialdemokraten ab. Überflutungsschäden seien damit nicht per-se abgedeckt. „Denn die Entschädigungspflicht der Versicherer hängt davon ab, ob das Schadensereignis amtlich als Elementarschadensereignis beziehungsweise als Naturkatastrophe eingestuft wird. Erfolgt eine solche Einstufung nicht, beispielsweise weil nur ein kleines Gebiet oder wenige Gebäude betroffen sind, sind die Versicherungen auch nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet“, sagte er dieser Redaktion.

    Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz, ist gegen eine Pflichtpolice.
    Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz, ist gegen eine Pflichtpolice. © DPA Images | Kay Nietfeld

    Buschmann befürchtet bei einer Versicherungspflicht hingegen mehr Bürokratie und neue Belastungen für die Staatskasse. Staatliche Rückversicherungskapazitäten müssten wohl aufgebaut werden, außerdem könnte eine „unbegrenzte Absicherung im Katastrophenfall für Schäden oberhalb einer bestimmten Eintrittsschwelle gefordert werden“, so eine Sprecherin des Ministeriums. „Am Ende wäre für die Steuerzahlerinnen und -zahler also wenig gewonnen.“

    Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Christoph Meyer, sagte dieser Redaktion, die Versicherungsdichte bei Elementarschadenversicherungen sei ausbaufähig und sollte erhöht werden, aber nicht durch Zwang. „Vorschnelle Festlegungen auf eine Pflicht sind der falsche Weg. Es gilt viele Faktoren zu beachten, wie die Eigentumsfreiheit gemäß Grundgesetz, die Vertragsfreiheit, die Zumutbarkeit von Prämienkosten und der gesamte bürokratische Aufwand. Die FDP sieht hier klar Anreize statt Pflicht“, so Meyer weiter.

    Was sagen Versicherer?

    Auch der GDV lehnt einen Versicherungszwang für Hausbesitzer ab. „Eine Pflichtversicherung als alleiniges Mittel löst das Problem nicht, da sie keinen einzigen Schaden verhindert“, hieß es. Für die von der Union angeregte Opt-out-Lösung ist man allerdings schon. Generell brauche es mehr Prävention, also zum Beispiel klimaangepasstes Bauen, einen Stopp von Flächenversiegelungen und einen Baustopp in Überschwemmungsgebieten.

    Deutschlands größter Versicherer, die Allianz, teilte mit: „Ohne deutliche größere Anstrengungen in Präventionsmaßnahmen sind die Auswirkungen des Klimawandels künftig nicht in den Griff zu bekommen. Gerade auch in Hinblick auf die katastrophalen Schäden durch Starkregen.“ Politik und Kommunen seien gefragt, Geld in die Hand zu nehmen und geeignete Maßnahmen umzusetzen. Tut man zu wenig, hätte das wohl auch finanziell dramatische Auswirkungen. Infolge steigender Klimaschäden könnte es dann innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einer Verdopplung der Prämien für Wohngebäudeversicherungen kommen, schätzt der GDV.