Berlin. Amazon-Deutschland-Chef Rocco Bräuniger spricht im Interview über Tarifverträge, Nachhaltigkeit und Künstliche Intelligenz.

Während insgesamt im Netz weniger geshoppt wird, trifft das auf Amazon nicht zu. Im Gegenteil: Der Branchenführer will seine Logistik weiter ausbauen und mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft sogar Personal einstellen. Im Interview spricht der Deutschland-Chef Rocco Bräuniger über Tarifverträge, Künstliche Intelligenz (KI) und Nachhaltigkeit in seinem Unternehmen.

Angefangen als Online-Buchhändler, ist Amazon heute einer der größten Konzerne der Welt. Wie läuft das Geschäft in Deutschland?

Rocco Bräuniger: Sehr gut, wir sind sehr zufrieden. Deutschland ist für Amazon nach den USA das zweitgrößte Land gemessen am Umsatz. Wir haben hier vor 25 Jahren mit dem Verkauf von Büchern angefangen und bieten heute nicht nur 30 Produktkategorien an, sondern auch Services wie Streaming, Cloud Computing über AWS oder Innovationen wie Alexa. Und wir blicken auch sehr optimistisch in die Zukunft. Die Kundinnen und Kunden haben uns trotz der wirtschaftlichen Flaute durch den Krieg in der Ukraine in den letzten Monaten, die für den Handel ja durchaus herausfordernd waren, die Treue gehalten.

Die Online-Umsätze sind zuletzt branchenweit gesunken. Trifft das auch Amazon?

Bräuniger: Für uns trifft das nicht zu. Im Gegenteil – wir wachsen. Unsere Kundinnen und Kunden schätzen in diesen Zeiten umso mehr Angebote wie die Prime Deal Days in dieser Woche. Sie waren ein großer Erfolg. Das kommt auch unseren Verkaufspartnern entgegen, denn 47.500 Unternehmen verkaufen ihre Produkte über Amazon.de und sind Teil der Erfolgsgeschichte.

Welches waren Ihre Topseller bei der Aktion?

Bräuniger: Prime-Mitglieder haben über alle Kategorien hinweg geshoppt. Ausgewählte Fire TV- und Echo-Geräte waren unter den Top fünf der meistverkauften Artikel auf

Amazon.de in Deutschland

Paket auf einem Förderband im einem Amazon-Logistikzentrum.
Paket auf einem Förderband im einem Amazon-Logistikzentrum. © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Der Amazon-Marktplatz ist ein Herzstück im E-Commerce-Geschäft des Onlinekonzerns. Hier verkaufen Drittparteien ihre Produkte und zahlen für die Nutzung der Plattform eine Gebühr pro verkauftem Artikel an Amazon.
Der Amazon-Marktplatz ist ein Herzstück im E-Commerce-Geschäft des Onlinekonzerns. Hier verkaufen Drittparteien ihre Produkte und zahlen für die Nutzung der Plattform eine Gebühr pro verkauftem Artikel an Amazon. © Steven Senne/AP/dpa
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. Aber auch Produkte des täglichen Bedarfs wie Zahnbürstenköpfe oder Entkalker zählten zu den Topsellern.

Wollen Sie zum Weihnachtsgeschäft weitere Mitarbeiter einstellen?

Bräuniger: Unser Geschäft ist immer saisonal. Auch in diesem Jahr gibt es wieder den Black Friday, Cyber Monday und die Weihnachtswochen. Für das Weihnachtsgeschäft werden wir an vielen Logistikstandorten wieder einige hundert saisonale Kolleginnen und Kollegen einstellen, darunter viele Studentinnen und Studenten, die bei uns in der Logistik aushelfen. Manche kommen jedes Jahr wieder, andere bleiben auch im Unternehmen.

Amazon-CEO Rocco Bräuniger: „Bin überzeugt, dass unsere Kunden unser Angebot sehr schätzen.“
Amazon-CEO Rocco Bräuniger: „Bin überzeugt, dass unsere Kunden unser Angebot sehr schätzen.“ © Thorsten Jochim/Amazon | Thorsten Jochim/Amazon

Seit Jahren kämpfen Beschäftigte und Gewerkschaften für die Einführung eines Tarifvertrags. Warum weigert sich Amazon hier so beharrlich?

Bräuniger: Unsere Philosophie ist es, mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in direktem Austausch zu stehen und sie langfristig bei uns zu halten. Wir haben in jedem Logistikzentrum einen Betriebsrat oder einen in Gründung. Mehr als 90 Prozent der Mitarbeitenden in den Logistikzentren geben uns Bestnoten. Über die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen ist seit mehr als fünf Jahren bei uns. Es hat gute Gründe warum das so ist – und die stehen in keinem Tarifvertrag.

So sind Haustarifverträge auch in Zukunft kein Thema?

Bräuniger: Wir sind in stetigem Austausch mit unseren Betriebsräten und Beschäftigten direkt. Dazu überprüfen wir jedes Jahr unsere Löhne, um den Mitarbeitenden ein attraktives Paket zu bieten. Das funktioniert super und ist für uns ein Erfolgsmodell.

Amazon will ab nächstes Jahr für Prime-Kunden Werbung in Filmen und Serien einbauen. Wie häufig wird es die pro Sendung geben?

Bräuniger: Ich kann zwar keine genaue Sekunden-Zahl sagen. Aber es wird weitaus weniger sein als im Privatfernsehen. Sowohl in der Häufigkeit als auch in der Länge.

Wird es ein werbefreies Abo geben?

Bräuniger: Ja. Kundinnen und Kunden werden sich entscheiden können, ob sie für eine geringe Zuzahlung zum bisherigen Abo-Preis ihre Sendungen ohne Werbung schauen wollen. Allerdings kann ich heute noch nicht sagen, wie viel das sein wird.

Rechnen Sie damit, Abonnementen dadurch zu verlieren?

Bräuniger: Prime ist ja ein Gesamtpaket, das ohne Übertreibung einzigartig ist. Uns ist es wichtig, auch in Zukunft exklusiven Content zu produzieren. Wir sind sehr zufrieden damit, was wir bisher produziert haben – und unsere Kundinnen und Kunden auch. Gerade erst waren Sendungen von uns beim Deutschen Fernsehpreis nominiert, manche haben auch gewonnen, beispielsweise Joko Winterscheidts Dokumentation über den Klimawandel. Und ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Kundinnen und Kunden unser Angebot auch in Zukunft sehr schätzen werden.

Unzählige Pakete werden täglich für Amazon-Kunden verschickt. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz sollen Retouren vermieden werden.
Unzählige Pakete werden täglich für Amazon-Kunden verschickt. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz sollen Retouren vermieden werden. © DPA Images | Moritz Frankenberg

Setzt Amazon auch in Zukunft weiter auf KI?

Bräuniger: Auf alle Fälle. Das war schon immer ein wichtiges Thema für uns, und KI steckt in vielen Angeboten, die unsere Kundinnen und Kunden jeden Tag schätzen. Aber das Thema ist ein Marathon – und wir haben gerade erst die ersten Meter hinter uns. Wir wollen das Kundenerlebnis noch besser machen, noch mehr Voraussetzungen schaffen, um auch selbst noch nachhaltiger zu werden. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir die Auslieferrouten optimieren oder Kundinnen und Kunden bessere Kaufempfehlungen geben können.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Bräuniger: Ja, unter anderem betrifft das die Kundenrezensionen. Nicht jeder Käufer hat Zeit und Lust, sich durch alle Kundenrezensionen zu klicken. Die können wir dank KI zusammenfassen – das gibt es schon in den USA – oder auch nach Produkteigenschaften sortieren. Wenn Kunden etwa wissen wollen, ob ein Produkt einfach zu bedienen ist, können sie sich Bewertungen anzeigen lassen, die Benutzerfreundlichkeit erwähnen.

Können so auch Fake-Bewertungen rausgefiltert werden?

Bräuniger: Ja. Auch hier hilft uns KI natürlich sehr. Wir investieren erheblich: Dazu gehören Modelle für maschinelles Lernen, die tausende von Datenpunkten analysieren, und ein Team von erfahrenen Prüfern. Wir haben im Vorjahr über 200 Millionen mutmaßliche Fake-Rezensionen gestoppt, bevor sie überhaupt in unserem Store veröffentlicht wurden.

Sollen so auch die Retouren-Mengen zurückgedreht werden?

Bräuniger: Sicher, je besser die Kaufempfehlung, desto geringer die Wahrscheinlichkeit einer Retoure. Aber unsere Retouren-Quote ist schon heute niedriger als der Branchendurchschnitt in Deutschland. Und wir wollen auch weiterhin daran arbeiten, dass unsere Kundinnen und Kunden durch KI die richtige Kaufentscheidung treffen. Nichtsdestotrotz kommt es natürlich vor, dass es Retouren gibt.

Und diese Retouren werden teilweise nicht nochmal verkauft, sondern vernichtet.

Bräuniger: Wir überprüfen jedes Produkt, das zurückkommt, auf seinen Zustand und ob wir es in den Wiederverkauf geben können. Das gelingt in den allermeisten Fällen. Was leicht beschädigt ist, können wir als „gebraucht“ weiterverkaufen. Das geht über den Bereich „Retourenkauf“. Aber nicht alle Produkte können nach einer Retoure weiterverkauft werden. Das betrifft beispielsweise Hygieneartikel oder Artikel mit Mindesthaltbarkeitsdatum. Wir befinden uns hier aber im Promillebereich.

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