Hamburg. Hamburger Bankenprofessor Markus Nöth sagt, bei welchen deutschen Geldinstituten eine Anlage durchaus riskant sein kann.
Es begann in den USA, wie schon im Jahr 2007: Die Schockwellen nach dem Kollaps eines kalifornischen Spezialfinanzierers im März haben längst auch das europäische Bankensystem erreicht. Doch wie groß ist das Risiko für deutsche Geldhäuser? Ist das Ersparte in Gefahr? Ein Gespräch mit Markus Nöth, Professor für Bankbetriebslehre und Behavioral Finance an der Universität Hamburg.
Hamburger Abendblatt: Seit dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank aus den USA sind mehrere andere Banken – auch Credit Suisse in Europa – in Bedrängnis geraten. Müssen sich deutsche Sparer jetzt Sorgen um die Sicherheit ihres Geldes machen?
Markus Nöth: Diese Sorgen muss man sich immer machen. Banken sind nicht per se stabil. Aus diesem Grund ist Bankregulierung notwendig und sinnvoll.
Haspa-Chef Harald Vogelsang sagte kürzlich, er erwarte keine ernsthaften Auswirkungen aus dem Kollaps der Silicon Valley Bank auf Europas Finanzsystem, denn die US-Bank habe ein „sehr spezielles Geschäftsmodell“ gehabt. Stimmen Sie ihm da zu?
Auch wenn ein Sparkassenvorstand aus Hamburg dies so sehen mag, mich überrascht es jedenfalls nicht, dass auch in Europa nun Unruhe in die Bankenszene kommt. Denn auch hier hat jede Bank derzeit im Prinzip die gleiche Herausforderung, welche die kalifornische Bank hatte – das liegt an einer Grundfunktion einer Bank, der Fristentransformation.
Können Sie das erklären?
Banken leben unter anderem davon, Geld über kurzfristige Einlagen hereinzunehmen und es dann langfristig in Form von Krediten zu verleihen. Normalerweise sind die Langfristzinsen höher. Die Differenz, abzüglich der Kosten, ergibt die Rohgewinnspanne. Seit Anfang 2022 sind aber vornehmlich die Kurzfristzinsen sehr stark gestiegen. Bei Banken in Deutschland machen Immobiliendarlehen typischerweise einen hohen Anteil von bis zu 70 Prozent an den Krediten aus. Bis vor einem Jahr haben die Banken noch Baukredite zu einem festen Zins von rund einem Prozent abgeschlossen – und die haben eine Laufzeit zwischen 10 und 15 Jahren. Wenn man nun auch ein Prozent Zinsen auf Tagesgeld zahlen muss, bleibt nicht mehr viel übrig. Wenn es außerdem eine Störung bei der Refinanzierung gibt, kann das Geschäftsmodell sehr schnell am Ende sein. Das haben wir jetzt bei der Silicon Valley Bank gesehen, als Start-ups und deren Geldgeber ihre Einlagen abzogen, das haben wir aber auch 2008 bei der Hypo Real Estate aus München gesehen, als der Interbankenmarkt nach der Lehman-Pleite nicht mehr funktionierte und damit die notwendige kurzfristige Refinanzierung wegfiel.
Muss man befürchten, dass auch eine der großen Banken in Deutschland in Schwierigkeiten gerät?
Das glaube ich eher nicht. Aber es kann durchaus bei einer kleineren oder mittelgroßen Bank etwas passieren.
Sparkassen argumentieren gerne mit ihrem System der sogenannten Institutssicherung, die verhindern soll, dass ein Mitglied der Sparkassengruppe überhaupt ins Wanken gerät. Ist eine große Gruppe vieler kleiner Geldhäuser stabiler als private Großbanken?
Wenn viele kleine Banken das gleiche Geschäftsmodell verfolgen und gerade dies das Problem ist, wie wollen sie sich dann gegenseitig retten, wenn sie gleichzeitig von einem externen Ereignis, beispielsweise einer Zinserhöhung, betroffen sind? Aus meiner Sicht ist das Eis, auf dem sich Sparkassen oder Volksbanken bewegen, nicht dicker als bei den privaten Banken. Im Übrigen hat deren Einlagensicherungsfonds den Sicherungsbetrag für einen Privatkunden seit Jahresanfang auf fünf Millionen Euro begrenzt, früher lag er teils im Milliardenbereich. Ab Anfang 2025 sollen es nur noch drei Millionen Euro sein. Die Begrenzung war eine Reaktion auf den Zusammenbruch der Greensill Bank in Bremen – und die war wirklich klein, kleiner als viele Sparkassen. Da kann man sich überlegen, wie weit eine Institutssicherung reichen könnte.
Ist wenigstens die staatliche Einlagengarantie von 100.000 Euro pro Kunde verlässlich?
Wenn die nicht mehr zu halten sein sollte, haben wir ganz andere Probleme. Man muss aber bedenken, dass die 100.000 Euro zunächst auch für Firmenkunden gelten. Ein größeres Unternehmen kommt damit bereits im Kontext der monatlichen Gehaltszahlungen nicht weit.
Internetportale wie Zinspilot und WeltSparen werben mit Spitzenzinsen auf die Geldanlage bei Banken aus Ländern wie Malta, Lettland oder Italien. Auch in diesen EU-Ländern gelte eine Einlagensicherung von 100.000 Euro. Für wie sicher halten Sie solche Geldanlagen jetzt?
Aus meiner Sicht lohnt es sich nicht, das höhere Risiko einzugehen. Teilweise fließt das Geld in Firmengeflechte, bei denen nicht so klar ist, ob und welche Einlagensicherung greift. Hinzu kommt, dass es digitale Geschäftsmodelle gibt, die für Kunden wie eine Bank aussehen, auch wenn es faktisch kein unter die Einlagensicherung fallendes Institut ist.
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Ist das europäische Bankensystem heute stabiler als vor der Finanzkrise 2007?
Es ist sicherer, weil die Eigenkapitalanforderungen höher sind. Eigentlich sollten sie sogar noch strenger sein, aber die Banken argumentieren, das könnten sie sich nicht leisten. Stattdessen reizen viele von ihnen den zulässigen Spielraum bis hart ans Limit aus, auch indem sie weniger regulierte Risiken wie das Zinsänderungsrisiko des Anlagebuchs oft unzureichend berücksichtigen.
Gold ist bei deutschen Anlegern derzeit wieder sehr stark gefragt, schon wegen der Inflation. Finden Sie das verständlich?
Ich kann dies nicht nachvollziehen. Gold wirft keine Zinsen ab, außerdem notiert es in Dollar, womit das Dollar/Euro-Währungsrisiko eingegangen wird. Zudem fallen Kosten für die Lagerung an – sich Gold in den Keller zu legen ist schließlich keine so schlaue Idee. Auch im Schließfach ist es meist nicht in voller Höhe versichert. Aber mir ist es immer noch lieber, wenn die Menschen Gold kaufen, als wenn sie in Krypto-Währungen investieren.