Hamburg. Banken locken neue Kunden mit hohen Zinsen. Wer schon länger sein Konto bei einem Geldinstitut hat, bekommt deutlich weniger.
9764 Euro haben Erwachsene in Deutschland im Schnitt auf ihrem Tagesgeldkonto, wie das Zinsportal-Unternehmen Raisin errechnet hat. Doch während Hunderte von Banken auf dieses Geld immer noch keine Verzinsung gewähren, gibt es in der Spitze nun schon 3,0 Prozent – was bei den 9764 Euro gegenüber dem Nullzins immerhin einen Unterschied von mehr als 290 Euro macht.
Kurz vor Ostern hat die deutsche Direktbank-Tochter der niederländischen Bankengruppe ING mit ihrem Tagesgeld-Aktionsangebot von 3,0 Prozent den Markt aufgewirbelt. Einen so hohen Zins offerieren bisher sonst nur ausländische Institute mit erheblich geringerer Marktbedeutung als die frühere ING-Diba mit ihren neun Millionen Kunden in der Bundesrepublik.
Zum 5. April hatte die ING einen Zinssatz von 3,0 Prozent für Neukunden sowie für Neuanlagen ihrer Bestandskunden eingeführt. Dieser Satz gilt für sechs Monate, danach wird das Guthaben zu Bestandskundenkonditionen – aktuell 0,6 Prozent – weiter verzinst. Auch andere Geldhäuser locken derzeit mit Angeboten, die an bestimmte Bedingungen geknüpft sind.
Hierzu die wichtigsten Fragen und Antworten:
Welche Banken bieten besonders hohe Zinsen für Neukunden?
Neben der ING bieten auch die luxemburgische Advanzia und die spanische Suresse, die zur Santander-Gruppe gehört, einen Tagesgeldzins von 3,0 Prozent. Bei der Suresse gilt er aber nicht für sechs Monate, sondern nur für vier Monate. Um die 2,5 Prozent gibt es bei einer Reihe von Instituten, wobei einige diesen Zins jedoch nur drei Monate (Bigbank) oder gar nur für zwei Monate (Bank of Scotland) garantieren.
„Wenn man dauerhaft einen so guten Zins haben möchte, muss man das Tagesgeld-Konto regelmäßig wechseln“, sagt Finanzexpertin Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Was steckt hinter den Aktionsangeboten?
„Nun möchten die Banken gerne wieder Kundinnen und Kunden haben“, sagt Klug. Das hat sicherlich damit zu tun, dass die Geldhäuser auf Einlagen, die sie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, inzwischen einen Zins von 3,0 Prozent kassieren, während sie noch vor einem Jahr einen Strafzins zahlen mussten, wenn sie überschüssige Liquidität bei der EZB unterbrachten.
Mit Blick auf die zeitlich befristeten Aktions-Konditionen sagt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH: „Aus Sicht der Banken sind das Marketingmaßnahmen. Sie können mit hohen Zinsen neue Kunden anlocken, ohne dass die Kosten ausufern.“ Zudem gehe es darum, Tagesgeldkunden auch für andere Produkte zu gewinnen.
So sind manche der Angebote an Bedingungen geknüpft. Bei der Openbank muss man etwa auch ein Girokonto eröffnen und es aktiv nutzen, sonst gibt es nach den 2,55 Prozent in den ersten sechs Monaten nur noch 1,0 Prozent und nicht 2,50 Prozent wie für einen aktiven Girokonten-Nutzer.
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Wo bekommen Bestandskunden die besten Zinsen?
In manchen Zinsvergleichen rangieren Banken weit oben, die das Tagesgeld-Angebot an andere Produkte knüpfen. Außer der Openbank gilt das zum Beispiel für die Consorsbank sowie den digitalen Vermögensverwalter Scalable Capital, bei denen man gleichzeitig ein Wertpapierdepot halten muss.
In einigen anderen Fällen gilt der ausgewiesene Bestandskunden-Zinssatz nur noch für einen kurzen Zeitraum – oder er wird nur dann gewährt, wenn eine Neueinzahlung auf ein bestehendes Konto erfolgt, so wie der Bank of Scotland. Einen attraktiven Zins ohne solche Einschränkungen bietet die estnische Bigbank mit 2,0 Prozent.
Wie viel bieten Hamburger Banken und große Filialbanken?
Auch bei den Hamburger Geldinstituten hat sich jüngst etwas getan: Die Haspa hat zum 20. März ihr „Cashkonto“, auf das es keine Verzinsung gab, durch das von anderen Sparkassen bereits bekannte Produkt „S-Tagesgeld“ mit einem Zins von immerhin 0,6 Prozent für Privatkunden abgelöst. Voraussetzung ist allerdings, dass man ein Girokonto bei der Haspa unterhält.
Die Hamburger Volksbank und die Sparda-Bank Hamburg weisen im Internet weiterhin keine Verzinsung auf ihre jeweiligen Tagesgeld-Produkte aus. Mit 1,5 Prozent ist die Hanseatic Bank, Tochtergesellschaft der französischen Société Générale (mehrheitlich) und der Otto-Gruppe, unter den Geldhäusern mit Sitz in der Hansestadt besonders großzügig.
Die Postbank und die Deutsche Bank haben kürzlich ihre Tagesgeldzinsen von 0,25 Prozent auf 0,4 Prozent hochgesetzt. Zum Freitag erhöht die Commerzbank den Zinssatz von 0,4 Prozent auf dann 0,6 Prozent.
Warum sind beim Tagesgeld so große Zinsunterschiede auf dem Markt möglich?
„Tagesgeldhopping könnte ein Trendsport werden“, sagt Verbraucherschützerin Klug. Aber: „Wie das mit Trendsportarten so ist, nur einige betreiben sie intensiv.“ Nur die Trägheit der Kunden ermögliche es so vielen Sparkassen und Volksbanken, auch jetzt noch am Nullzins auf Tagesgeld festzuhalten, sagt Max Herbst, Gründer der FMH-Finanzberatung, die Bankkonditionen auswertet: „Nur ganz wenige Kunden tun den Schritt vom Jammern zum Handeln.“
Genau dieser Umstand ermögliche den Banken auch enorme Gewinne mit den Kundeneinlagen – eben dank der Differenz aus den Zinsen von 3,0 Prozent, die die EZB den Geschäftsbanken auf geparktes Geld zahlt, und den Zinsen, die sie ihren Kunden auf Spar- oder Tagesgeldkonten gewähren.
In den Bilanzen der bundesdeutschen Banken stehen gut 1,8 Billionen Euro an diesen sogenannten Sichteinlagen. Diese Zahl hat sich seit der Negativzinsphase nicht wesentlich verändert.
Steigen die Tagesgeldzinsen weiter?
„Wenn große Banken wie die ING ihre Zinsen so deutlich anheben, hat das Signalwirkung“, sagt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. „Das neue Angebot dürfte den Wettbewerb um Spargelder weiter anheizen.“
Für viele Marktteilnehmer sei die ING als größte deutsche Direktbank ein wichtiger Maßstab. „In den nächsten Wochen und Monaten dürften die Zinsen weitersteigen“, glaubt Maier. Max Herbst sieht das genauso: „Wettbewerber wie die Bank of Scotland, die Bigbank oder auch die Volkswagen Bank werden bestimmt auch bald 3,0 Prozent bieten.“
Wofür ist ein Tagesgeldkonto geeignet?
„Tagesgeldkonten sind in aller Regel keine Geldanlagekonten, um lange größere Summen anzulegen“, sagt Klug. „Sie eignen sich gut für die Liquiditätsreserve oder auch mal zum kurzfristigen Parken größerer Summen.“
Die „Liquiditätsreserve“, die man nach der Empfehlung von Verbraucherschützern in Form von Tagesgeld vorhalten sollte, umfasst zwei bis drei Nettogehälter.