Hamburg. Wartung oder Reparatur durch die „Die Fahrradretter“ erfolgt noch am selben Tag. In diesen Stadtteilen bieten sie den Service an.

Mit geübtem Griff hebt Sebastian Schuppa das Damenfahrrad in einen Montageständer. Ein älteres Modell, das ziemlich mitgenommen aussieht. „Das Rad stand den ganzen Winter draußen, jetzt soll es für das Frühjahr wieder fit gemacht werden“, sagt der Hamburger. Antrieb und Schaltung müssen eingestellt und Bremsbeläge erneuert werden, außerdem funktioniert das Licht nicht.

Der 45-Jährige dreht die Pedale. „Die eine ist kaputt und muss auf jeden Fall auch ausgetauscht werden“, sagt er und hat schon einen Schraubenschlüssel in der Hand. Ein ganz normaler Fall für einen Fahrradmechaniker. Das Besondere bei Sebastian Schuppa: Er bietet Reparaturen und Wartung „to go“. „Die Fahrradretter“ hat er seinen Service genannt.

Mobilität: Dieses Start-up bietet Soforthilfe für kaputte Fahrräder

An diesem Tag steht Schuppa mit seiner mobilen Werkstatt in der Gertigstraße in Winterhude vor einer Budni-Filiale. Unter einem Pavillonzelt hat er zwei Montageständer und Kisten mit Werkzeug sowie gängigen Ersatzteilen aufgebaut, an einer Seite hängt ein Dutzend Fahrradmäntel in unterschiedlichen Größen und Breiten.

Wer ein Problem mit seinem Rad hat, kann einfach vorbeikommen – oder vorher online einen Termin buchen. „Mehr als 90 Prozent aller Reparaturen können wir direkt erledigen“, verspricht der Fahrradretter. Zehn Räder schafft er im Schnitt am Tag. Notfalls schrauben er und seine beiden Mitarbeiter auch bis abends spät.

Im Oktober vergangenen Jahres hat Sebastian Schuppa sein Geschäftsmodell gestartet. „Viele Räder werden nur deshalb nicht genutzt, weil sie kaputt sind“, sagt der diplomierte Ingenieur. Mit seiner mobilen Werkstatt will er mehr Menschen aufs Rad bringen – und damit zur Mobilitätswende beitragen. Viele Menschen hätten keine Zeit oder Lust, auf einen Termin bei einem Fahrradladen zu warten. „Deswegen kommen wir da hin, wo die Leute wohnen.“

Derzeit gibt es Fahrradretter an fünf Standorten in Hamburg

Aktuell gibt es fünf Standorte, an denen der Fahrradretter im wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Rhythmus steht: in Winterhude, Eppendorf, Barmbek und Groß Borstel. Außerdem betreut er regelmäßig Geschäftskunden und übernimmt die Wartung von Leasing-Rädern. „Man kann mich auch für größere Veranstaltungen, etwa in einer Wohnanlage oder bei einem Festival buchen“, sagt Schuppa.

In Hamburg gibt es bereits mehrere Anbieter mit mobilem Service rund ums Rad – zusätzlich zu einer wachsenden Zahl an stationären Zweiradläden. Pionier in der Hansestadt ist Planetwheel. Seit 1998 kommt Gründer Matthias Hansen aus Kirchwerder mit seiner rollenden Werkstatt zu den Privat- und Firmenkunden.

Ähnlich arbeiten Stephan Röper mit seiner Firma FahrradTechnik Hamburg und die Radambulanz von Martin Grashorn. Raja Rad Service ist vor allem in Altona und auf St. Pauli unterwegs. Seit gut drei Jahren ist zudem das finnische Start-up Yeply mit mehreren Werkstattwagen auch in Hamburg vertreten. Der Reparaturservice wird an knapp einem Dutzend Standorten quer über die ganze Stadt verteilt angeboten. Termine sind über die Internetseite buchbar.

Zu Terminen fährt Schuppa mit einem Elektrorad

„Die Nachfrage ist groß genug. Es reicht für alle“, sagt Fahrradretter Sebastian Schuppa zu der wachsenden Konkurrenz in dem Bereich. Dabei hat er seinen Schwerpunkt etwas anders gesetzt und ist nicht wie andere mobile Radwerkstätten mit einem Transporter im Einsatz, sondern fährt Lastenrad mit Elektroantrieb – wegen der Nachhaltigkeit.

„3,5 Tonnen Blech und Dieselmotor passen nicht zum Radfahren“, sagt er. Deshalb kommt er auch nur im Ausnahmefall direkt zu den Kunden. Der Basisservice an seinen mobilen Stützpunkten kostet 70 Euro. Wenn die Beleuchtung, Räder und Tretlager überprüft und neu eingestellt werden sollen, landet man im Premiumbereich und zahlt 90 Euro. Dazu kommen die Kosten für Ersatzteile.

Angebot soll ausgebaut werden

Dass Schuppa den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt hat, hat mit seiner Leidenschaft für Fahrräder zu tun. Er selbst hat einen Fuhrpark mit Modellen für verschiedene Anlässe, vom edlen Rennrad bis zum Kneipen-Fahrrad. „Das ist eins, das ich abends auch mal stehen lassen kann, ohne dass ich Angst haben muss, dass es geklaut wird“, sagt der Gründer, der früher auch Radrennen gefahren ist.

Nach 20 Jahren in der Luftfahrtindustrie habe er eine Veränderung gesucht. Motto: „Karmapunkte sind wichtiger als Rentenpunkte.“ Das Equipment für seine mobile Werkstatt hat er komplett selbst finanziert. „Mir ist es wichtig, dass ich keine Belastungen habe.“

Noch ist das Start-up im Aufbau, das inzwischen auch als Zweiradfachbetrieb in der Handwerksrolle der Handwerkskammer eingetragen ist. Bei Schneeregen und kräftigen Windböen ist der Andrang an der mobilen Werkstatt der Fahrradrettern in der Gertigstraße bis Mittag sehr überschaubar.

Reparaturen „to go“: Fahrradretter suchen noch Mitarbeitende

Aber immer wieder bleiben Passanten stehen, um sich zu informieren. „Das ist ein gutes Angebot, weil man spontan vorbeikommen kann“, sagt eine Radfahrerin, deren Licht nicht funktioniert. Zwei Handgriffe, und die Fahrradretter haben das lockere Kabel befestigt. Jetzt leuchtet es wieder.

In den nächsten Monaten will Sebastian Schuppa sein Angebot ausbauen. „Das Konzept ist skalierbar“, sagt er. Allerdings braucht er dafür Kooperationspartner, deren Flächen er wie im Fall der Drogeriemarktkette Budnikowsky in der Gertigstraße nutzen darf. Im Moment sucht er zudem Mitarbeiter, die er sowohl bei Firmenkunden als auch an weiteren mobilen Standorten einsetzen will. „Die Vision ist: Fahrradretter in jedem Stadtteil.“