Hamburg. Ausleih-Zahl sinkt deutlich. Was die Gründe dafür sind und warum dennoch mehr als 50 neue Stationen geplant sind.
Die roten StadtRäder rollen seit 2009 durch Hamburg. Das Netz wurde seitdem sukzessive ausgebaut, und auch die Zahl der Fahrten stieg stetig. 2016 wurde sogar die Drei-Millionen-Marke geknackt. Doch mit dieser Erfolgsstory ist es vorbei. Die Nachfrage nach dem Leihfahrradsystem, das die Deutsche Bahn (DB) für die Stadt betreibt, ist rückläufig.
Dem Abendblatt liegen die neuesten Zahlen vor: Im vergangenen Jahr wurden rund 1,7 Millionen Fahrten gezählt. Das waren rund 230.000 weniger als noch 2021. Und 2020 waren es noch mehr als 2,1 Millionen Ausleihen, obwohl damals wegen Corona das öffentliche Leben stark eingeschränkt war.
E-Scooter sind laut Verkehrsbehörde Hamburg große Konkurrenz
„Wir haben im Tourismus immer noch nicht ganz die Vor-Corona-Nachfrage erreicht, und das wirkt sich auch auf die Ausleihen aus. Denn bei Touristen sind die StadtRäder ein beliebtes Fortbewegungsmittel“, sagt Dennis Krämer, Sprecher der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM). „Dazu kommt, dass viele Nutzerinnen und Nutzer auch nach der Pandemie häufiger im Homeoffice sind und dementsprechend weniger auf dieses Angebot zurückgreifen oder sich während der Pandemie ein eigenes Fahrrad für die tägliche Fortbewegung angeschafft haben.“ Die Verkaufszahlen für Fahrräder seien in den vergangenen Jahren deutlich nach oben gegangen.
Außerdem sind die E-Scooter eine große Konkurrenz. Zahlreiche Anbieter wie Bolt, Lime oder Voi sind in Hamburg präsent. Es dürften mehr als 10.000 Roller verfügbar sein, dazu kommen jetzt auch vermehrt E-Bikes. Der Anbieter Tier etwa hat neben seinen rund 4500 E-Scootern inzwischen rund 1500 E-Bikes auf den Straßen der Hansestadt platziert. Während das StadtRad nur an festen Stationen ausgeliehen und abgegeben werden kann, können die Roller und E-Bikes, die deutlich komfortabler als die StadtRäder sind, sozusagen an jeder Straßenecke gemietet und zurückgegeben werden.
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Aktuell gibt es 297 StadtRad-Stationen im Hamburger Stadtgebiet. Und nach Abendblatt-Informationen hat sich die BVM das Ziel gesetzt, das Netz bis Ende des Jahres auf 350 Stationen auszubauen.
Zu den neuen geplanten Standorten zählen unter anderen der Strandweg in Blankenese, der Behrmannplatz/Grelckstraße in Lokstedt, die Hermann-Blohm-Straße/am Elbtunnel auf Steinwerder und der Wohldorfer Damm/Bergstedter Markt in Bergstedt. In diesem Jahr wurden bereits neue Stationen am U-Bahnhof Joachim-Mähl-Straße in Niendorf und am Lola-Rogge-Platz in der HafenCity in Betrieb genommen.
StadtRad Hamburg: Mit Ausbau des Netzes möglichst Lücken schließen
„Bei dem Ausbau des StadtRad-Netzes achten wir darauf, die äußere Stadt noch besser zu erschließen. Außerdem wollen wir dort, wo es sinnvoll ist, auch eine weitere Verdichtung in der inneren Stadt erreichen. Dabei sollen möglichst Lücken geschlossen, aber auch Synergien mit anderen Verkehrsmitteln wie zum Beispiel U- und S-Bahnen hergestellt werden“, sagt BVM-Sprecher Krämer. „Neben noch fehlenden S- und U-Bahn-Haltestellen sollen vorrangig Stadtteilzentren, verdichtete Wohngebiete und Arbeitsplatzschwerpunkte angebunden werden.“
Allerdings fordert der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete und Verkehrsexperte Richard Seelmaecker aufgrund der gesunkenen Nachfrage: „Das damals von der CDU gestartete und erfolgreiche Projekt muss jetzt auf seine Leistungsfähigkeit und Attraktivität geprüft werden, bevor dogmatisch und willkürlich neue Stationen gebaut werden.“
Bezirk Hamburg-Mitte: Mehr Stationen in einigen Stadtteilen gefordert
Aus der Politik im Bezirk Mitte kommen unterdessen Wünsche. „Der Bereich der Innenstadt ist mit StadtRad-Stationen bereits sehr gut ausgestattet, aber in einigen Stadtteilen könnten wir im Bezirk Mitte noch eine Verdichtung an Stationen gebrauchen“, sagt der SPD-Bezirksabgeordnete David Dworzynski. Der Verkehrsexperte nennt Beispiele: „Auf Finkenwerder warten wir seit Langen auf eine Station am Airbus-Werk. Auch in Billstedt und in der HafenCity gibt es noch Ausbaubedarf.“
In Hamburg hat StadtRad derzeit eine Flotte mit rund 26 Lastenpedelecs und 3600 Leihfahrrädern. Ein Problem ist offensichtlich der Vandalismus: Im Februar 2019 wurden neue Modelle eingeführt, und seitdem mussten rund 300 Fahrräder „im Zuge von Totalschäden oder Verlust neu angeschafft werden“, sagt Krämer. Klartext spricht CDU-Politiker Seelmaecker. „Wir müssen ehrlich mit dem Umstand umgehen, dass Vandalismus in prekären Stadtteilen viel stärker ausgeprägt ist als in sozialstrukturstarken. Es nutzt nichts, sehenden Auges Kosten zu produzieren, um vermeintlich sozial ausgeglichen zu handeln. Niemand hat Vorteile, wenn die Räder zerstört werden.“
Allerdings wird den aktuell rund 230.000 registrierten Kunden die Ausleihe nicht immer leicht gemacht. Ein häufiges Bild an den Stationen: Dort stehen zum Beispiel 15 StadtRäder. Aber schaut man dann auf seine App, sind zahlreiche Räder nicht verfügbar. Diese Erfahrung hat das Abendblatt zuletzt am Mittwoch bei Stichproben in der Innenstadt, am Goldbekplatz in Winterhude und am UKE in Eppendorf gemacht. Dort waren immer etwa die Hälfte der Räder nicht ausleihbar. „Die nicht verfügbaren Räder an einigen Stationen sind gesperrte Räder“, sagt BVM-Sprecher Krämer. „Diese können aufgrund eines Defekts nicht entliehen werden. Die Nutzer und Nutzerinnen melden in der Regel Schäden an den Rädern, sodass diese auch umgehend in der App gesperrt und dann ausgetauscht und repariert werden können.“