Hamburg. Im dritten Quartal 2022 wurde deutlich mehr über die Elbe verschifft als im vorherigen. Diese Rüstungsgüter waren besonders gefragt.
Der Ukraine-Krieg verstärkt offensichtlich den Rüstungsgüter-Export über den Hamburger Hafen. Allein im dritten Quartal 2022 waren es mehr als 1000 gepanzerte Fahrzeuge, 300 Kriegsschiffe, Teile für Wasserfahrzeuge sowie vier Artilleriewaffen, die über Deutschlands größten Seehafen ausgeführt wurden.
Das sind allein doppelt so viele gepanzerte Fahrzeuge wie im dritten Quartal 2021, wie aus einer Kleinen Anfrage der Hamburger Bundestagsabgeordneten und Obfrau im Verteidigungsausschuss, Zaklin Nastic (Linke), an die Bundesregierung hervorgeht.
Insgesamt hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr Rüstungsexporte für mindestens 8,35 Milliarden Euro genehmigt; darunter sind Panzerabwehrwaffen und Flugabwehrraketen an die Ukraine, wie man auf der Internetseite der Regierung lesen kann. Es ist der zweithöchste Wert in der Geschichte der Bundesrepublik. Nur 2021 war die Zahl mit 9,35 Milliarden Euro höher.
Rüstungsgüter werden über den Hamburger Hafen exportiert
Wo genau die Güter herkommen und wo sie landen, bleibt allerdings offen. Die Bundesregierung will hierzu keine Angaben machen, wie aus der Antwort auf die Anfrage der Linken-Politikerin hervorgeht: „Die bezüglich der Bestimmungsländer erhobenen Daten unterliegen einer besonderen Vertraulichkeit, da diese Einzelheiten über besonders sensible Warenbewegungen offenlegen und damit Rückschlüsse auf bestimmte Handelsströme und unter Umständen beteiligte Unternehmen erlauben würde.“ Zudem würde die Auswertung Daten von Ausfuhrvorgängen anderer Mitgliedsstaaten beinhalten, die ebenfalls vertraulich zu behandeln seien.
Laut des Bundeswirtschaftsministeriums ist aber der überwiegende Teil (7,54 Milliarden Euro) auf Genehmigungen an enge Partnerländer sowie zur Unterstützung der Ukraine zurückzuführen. Darunter sind unter anderem die Niederlande (1,83 Milliarden Euro), die USA (863,7 Millionen Euro) und Großbritannien (453 Millionen Euro).
Wo gehen die Rüstungsgüter hin?
Auch zu der Frage, woher die Rüstungsgüter stammen, will die Bundesregierung sich nicht äußern. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte, dass es sich um „schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ handle, die nur vom Hersteller oder vom Logistiker aufgehoben werden könnten. Zum anderen könnten bei dem Export von Rüstungsgütern Sicherheitsinteressen berührt sein, die womöglich Lieferungen in die Ukraine betreffen. Diese Form der Auskunft, so Nastic, „fügt sich ein in die zunehmende Praxis der Ampelkoalition, Fragen nichtssagend oder nur teilweise zu beantworten beziehungsweise die Antworten als geheim einzustufen“.
Neben den Herstellern sind vor allem die Reedereien an der Ausfuhr der Rüstungsgüter beteiligt. Dazu zählt auch die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd. Sie hat nach eigenen Angaben eigens einen Ethikrat für den Export von Rüstungsgütern mit fünf ranghohen Unternehmensmitgliedern eingerichtet. Zudem würden keine Rüstungsexporte in Krisengebiete vorgenommen, so Hapag-Lloyd. Nach Abendblatt-Informationen werden die Rüstungsgüter über alle Container-Terminals bis auf Tollerort exportiert.
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Rüstungsgüter über Hamburger Hafen exportiert – Linke übt Kritik
Nastic sieht in den Lieferungen einen Bruch des Koalitionsvertrags: „Die Bundesregierung kommt ihrem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, eine abrüstungspolitische Initiative zu starten, keinesfalls nach.“ Dass die Güter ausgerechnet über den Hamburger Hafen exportiert würden, verstoße zudem gegen die Präambel der Landesverfassung. Dort heißt es: Die Hansestadt „will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein.“
Das sieht auch die Friedensmission „Ziviler Hafen“ so und hat deswegen im vergangenen Mai ein Volksbegehren gegen den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen beim Senat beantragt. Weil der Senat zunächst aber prüfen lassen will, ob das Begehren mit geltendem Landes- und Bundesrecht vereinbar ist, hat er das Landesverfassungsgericht angerufen. Dort sei das Verfahren noch in Bearbeitung, sagte ein Sprecher. Wann also eine Entscheidung gefällt wird, ist demnach offen. Bis dahin bleibt Hamburg wohl ein Drehkreuz für den Export von Rüstungsgütern.