Hamburg. Vom alten Einkaufszentrum steht nur noch ein Gerippe. Ende Februar sollen erste Arbeiten für den Neubau beginnen.
Trendige Mode und feine Kosmetik, guter Kaffee und saftige Steaks – die Gänsemarkt-Passage war mehr als 40 Jahren lang ein bekannter Anlaufpunkt. Jetzt ist auf dem Filetgrundstück in Alsternähe eine der größten Baustellen in der Hamburger Innenstadt. Ende Oktober hat der Abriss des Einkaufszentrums begonnen. Von dem Komplex im markanten Tannengrün zwischen Gänsemarkt und Colonnaden ist inzwischen nur noch ein Gerippe mit leeren Fensterhöhlen übrig.
Mittendrin stehen drei riesige Bagger, brechen Wände weg und schaufeln Schutt zur Seite. Bis zu 15 Abbrucharbeiter sind hier von morgens bis abends im Einsatz. Es ist laut, es ist staubig. Am Teleskoparm eines Autokrans hängt ein 25 Meter langer Schallschutz vor der Rückseite der Geschäfts- und Wohngebäude an den Colonnaden. Bis Ende April soll der Abriss komplett abgeschlossen sein.
Neubau „Am Gänsemarkt“ kostet 250 Millionen
„Wir sind im Zeitplan“, sagt Torben Vogelgesang, Hamburger Niederlassungsleiter der Signa Real Estate. Gemeinsam mit Projektleiterin Kathrina Komann ist er zur Baustellenbesichtigung mit dem Abendblatt gekommen. Die Eigentümergesellschaft, die zum Firmenimperium des österreichischen Immobilienunternehmers René Benko gehört, errichtet bis Ende 2025 einen Neubau auf dem Areal. Investitionskosten: 250 Millionen Euro. Auf großen Bannern am Bauzaun wird das Projekt angepriesen, das unter dem Namen „Am Gänsemarkt“ läuft.
„Wir bauen ein gemischt genutztes Quartier, das zur Belebung rund um den Gänsemarkt beitragen soll“, sagt Vogelgesang. Und – überraschend in einer Zeit, in der der Einzelhandel mit Problemen kämpft und Geschäfte auch in urbanen 1a-Lagen schon mal länger leer stehen: „Es gibt bereits Anfragen für Läden und Wohnungen, obwohl wir erst jetzt offiziell mit der Vermarktung starten.“
Allerdings: Bislang hat der Bezirk Mitte den Bauantrag, den Signa im Sommer eingereicht hatte, noch nicht genehmigt. Es liegt bislang nur ein Bauvorentscheid vor. „Wir sind ständig in Kontakt mit den zuständigen Stellen und rechnen demnächst mit der Baugenehmigung“, so der Hamburger Signa-Mann. Auf Abendblatt-Anfrage bestätigte eine Bezirkssprecherin: „Der Bauantrag ist in Prüfung.“ Weitere Angaben machte sie nicht.
Block House gehörte zu ersten Mietern
In den nächsten Wochen wird erst mal weiter die Abrissbirne über dem 3500 Quadratmeter großen Grundstück schweben. Die Gänsemarkt-Passage war im Oktober 1979 eröffnet worden und galt damals als topmoderne Einkaufsadresse. Die Hamburg-Mannheimer Versicherung hatte 60 Millionen D-Mark (umgerechnet etwa 30,6 Millionen Euro) investiert. „Ein völlig neues Shopping-Gefühl“ lobte das Abendblatt in einem Bericht zur Eröffnung. Zu den ersten Mietern gehörte die Block-House-Kette, die in der ersten Etage mit einem Restaurant einzog – und als einer der letzten Ende März 2022 auszog.
Die Gänsemarkt-Passage war in die Jahre gekommen, weniger Besucher fanden den Weg in die Geschäfte, teilweise standen Verkaufsflächen leer. Im Januar 2019 hatte die Immobiliengruppe Signa, zu deren Portfolio in Hamburg unter anderem die Alsterarkaden, das Alsterhaus sowie der geplante Elbtower gehören, die Passage gekauft und deren Ende angekündigt.
Abriss verursacht 25.000 Tonnen Schutt
„Insgesamt müssen 95.000 Kubikmeter umbauter Raum rückgebaut werden“, sagt Projektleiterin Katharina Komann. Das sind am Ende 25.000 Tonnen Schutt, die abgeräumt werden. Ein Teil wird allerdings zunächst noch gebraucht, um den Keller mit einer Tiefe von sechs bis sieben Metern in der wassernahen Lage zu stabilisieren. Die Abrisskosten liegen im niedrigen einstelligen Millionenbereich.
„Die größte Herausforderung an der Baustelle ist, dass alles extrem eng ist“, sagt Komann, die schon zahlreiche Neubau-Vorhaben für Signa umgesetzt hat. Die angrenzende Büschstraße, eine beliebte Verbindung zwischen Gänsemarkt und Colonnaden ist deshalb schon seit Monaten gesperrt. An der anderen Seite des Grundstücks schließen sich weitere Gebäude an. Nach hinten wird es durch zwei denkmalgeschützte Häuser begrenzt, die nicht abgerissen werden.
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Gänsemarkt-Passage: 22 Wohnungen entstehen
Schon parallel zu den letzten Abbrucharbeiten soll Ende Februar in einem ersten Bauabschnitt begonnen werden. Konkret betrifft das den Aushub der Baugrube. Entstehen soll innerhalb von knapp drei Jahren ein siebengeschossiges Ensemble aus drei Baukörpern, die durch Innenhöfe mit Tageslicht versorgt werden. Der Entwurf stammt vom Hamburger Büro BiwerMau Architekten. Auf 17.000 Quadratmetern sind Flächen für Einzelhandel, Gastronomie und Büros sowie 22 Wohnungen in den oberen Etagen geplant, davon sechs Sozialwohnungen.
„Die Wohnungen haben eine Größe zwischen zwei und fünf Zimmern“, sagt Torben Vogelgesang. „In den beiden obersten Wohnungen wird man von der Dachterrasse weit schauen können.“ Eine weitere Besonderheit: Die Büschstraße wird an einer Stelle erweitert und soll etwa in der Mitte einen dreieckigen Platz bekommen. Wenn alles nach Plan läuft, wird die Straße mit Abschluss der Bauarbeiten Ende 2025 wieder geöffnet.