Hamburg. Team der Helmut-Schmidt-Uni hat die Quote eingefangener Drohnen drastisch erhöht und hofft nun auf einen echten Auftrag.
Der Feind ist auf dem Bildschirm gleich von vier Systemen rot markiert worden. Eine Drohne ist illegalerweise über das Testgelände eines Sportplatzes eingedrungen. Nun greift die Abfangdrohne – eine sogenannte Counter-UAV – ins Geschehen ein. Gelb markiert nimmt sie den Kurs des Störenfrieds auf und jagt ihm hinterher. „Jetzt ist der Schuss erlaubt, die Drohne geht in Abschussposition“, sagt Ralf Heynicke.
Der Zugriff erfolgt dank künstlicher Intelligenz vollautomatisch. Aus knapp 15 Meter Entfernung wird das Netz abgeschossen und fängt die eingedrungene Drohne ab. Wie in einem Spinnennetz zappelt sie 0,8 Sekunden später in den weißen Maschen des Netzes, hängt unter der Abfangdrohne und kann zu einem Ablageplatz am Boden gebracht werden.
Flughafen Hamburg: Falke bald einsatzbereit
Derzeit testen die Forscher der Helmut-Schmidt-Universität (HSU) auf einem benachbarten Sportplatz in Jenfeld ihre Eigenentwicklung. Doch schon bald könnte sie an deutschen Flughäfen eingesetzt werden. „Wir wären binnen weniger Monate startklar“, sagt Heynicke, der Versuchsleiter beim Projekt Falke ist.
Der Projektname steht für „Fähigkeit des Abfangens von in gesperrte Lufträume eindringenden Kleinfluggeräten durch zivile Einsatzmittel“. „Wir wollen jetzt in die Industrialisierung gehen und aus der Abfangdrohne ein Industrieprodukt machen“, sagt Professor Gerd Scholl, der an der HSU Elektrische Messtechnik lehrt und das dahinterstehende Konsortium leitet. Dafür spreche man nun mit Venture-Capital-Gebern, also Risikokapital bereitstellenden Firmen.
Drohnen für Flugzeuge ein Risiko
Der Bedarf für so ein System ist vorhanden. Denn Drohnen sind für Flugzeuge ein Risiko. Immer wieder dringen sie unerlaubt in den Luftraum ein. In den ersten elf Monaten dieses Jahres zählte die Deutsche Flugsicherung (DFS) 150 solcher Fälle. 80 Prozent dieser Behinderungen finden im Umfeld der großen Verkehrsflughäfen statt. Die meisten Vorkommnisse wurden mit 26 am größten deutschen Drehkreuz in Frankfurt gezählt. Dann kommt schon Hamburg mit 17 Fällen.
Dabei sind Drohnenflüge in der Nähe von Start- und Landebahnen der Airports verboten. Es muss ein Mindestabstand von 1,5 Kilometern eingehalten werden. In einer größeren Kontrollzone dürfen die unbemannten Fluggeräte zudem nicht höher als 50 Meter aufsteigen. Schon das Sichten einer Drohne gilt bei der DFS als eine Behinderung des regulären Flugverkehrs, weil Piloten und Lotsen abgelenkt werden können. Stoßen Drohnen mit einem Flugzeug zusammen, kann dieses beschädigt werden. Zudem bergen sie die Gefahr eines terroristischen Anschlags.
Quote mittlerweile deutlich verbessert
Im Herbst 2021 gab es zweitägige Tests am Hamburger Flughafen, an denen DFS und Bundespolizei beteiligt waren – deren Beamte haben letztlich die Entscheidungsgewalt über den Abschuss. Das Feedback aller Beteiligten klang damals positiv, obwohl die Erfolgsquote noch zu wünschen ließ. Ein gutes Dutzend Abfangversuche hätten in Fuhlsbüttel stattgefunden, mehr als die Hälfte haben geklappt, hieß es damals.
Mittlerweile konnte die Quote deutlich verbessert werden. „Wenn wir einen normalen Tag haben mit nicht allzu viel Wind, treffen wir eigentlich immer“, sagt Scholl.
Der Hauptgrund für die Steigerung der Schussgenauigkeit sei der Einbau eines Gimbals gewesen. „Durch diese kardanische Aufhängung ist unsere Sensorik jetzt von der Fluglage entkoppelt“, so Scholl. Das Zielobjekt bleibt so immer im Mittelpunkt der Sensorik, unabhängig von der Fluglage der Abfangdrohne. Denn diese neigt sich nach hinten oder vorn, wenn sie deutlich schneller oder langsamer wird. Als Nächstes soll noch ein Sensor für Windrichtung und -stärke eingebaut werden, um die Treffergenauigkeit weiter zu erhöhen.
Abfangdrohne Falke: „Von fünf Schüssen haben wir viermal getroffen“
Alle 14 Tage finden derzeit Versuche über dem Jenfelder Sportplatz statt, von dem die oben beschriebene Videosequenz stammt. Die vier Perspektiven zeigen Tiefenkamera, Lidar, ein Farbbild der Kamera und die vom Radar ermittelten Positionen der Drohnen über dem Fußballplatz. Aber auch auf Flughafengelände wurde die verbesserte Falke-Version schon in der Praxis getestet: am Müritz Airpark. Mehrfach seien vor den Augen von Bundes- und Landespolizisten Drohnen eingedrungen und von der Falke-Drohne gejagt worden.
„Von fünf Schüssen haben wir viermal getroffen“, sagt Heynicke. Am Ende sei eine besonders schwere Drohne als Eindringling eingesetzt worden. Weil man die nicht unter der Counter-UAV hängen haben wollte, habe man das Netz vorher ausgeklinkt. Daher erhielt die Drohne andere Flugeigenschaften, und der Schuss ging über das Zielobjekt. Scholl gibt sich gelassen: „Das muss man halt ausprobieren.“
Bund fördert Falke mit 2,1 Millionen Euro
Improvisieren mussten die Projektleiter in den vergangenen Monaten mehrfach. Mit der Firma Hensoldt stieg der Lieferant der Drohne, des Radars, des Fangnetzes und der Flugplattform aus. Projektpartner Frequentis schrieb eine neue Software. Die HSU-Wissenschaftler griffen auf eine Drohne zurück, die sie anfangs schon einmal einsetzten, auf ein alternatives Radar und entwickelten ein neues Fangnetz. „Unser Netzwerfer funktioniert nicht mehr auf Sprengstoffbasis, sondern auf Druckluft“, sagt Heynicke. „Dadurch kann er auch in explosionsgefährdeten Bereichen eingesetzt werden – und für den Betrieb am Flughafen ist es auch einfacher.“
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Die Projektmacher hoffen nun auf ein Umsetzungsprojekt, am liebsten am Helmut-Schmidt-Airport. Installiert auf einem Pick-up dürfte ein System pro Airport ausreichen, um mobil einsetzbar zu sein. Bisher förderte der Bund Falke mit 2,1 Millionen Euro. Ziel: Nach dem Eindringen einer Drohne soll der Flugbetrieb nach zehn bis 15 Minuten wieder freigegeben werden, bisher dauert es auch mal eine Stunde. Die schnelle und nahtlose Zusammenarbeit aller Beteiligten sei gefragt, im Projekt Falke sei dieser Informationsfluss getestet worden, heißt es von der DFS auf Nachfrage.
Flughafen Hamburg: Öffentliche Demonstration geplant
„Im Januar oder Februar planen wir an der HSU eine öffentliche Demonstration, gerne im Beisein von Verkehrsminister Volker Wissing“, sagt Scholl. Und Heynicke ist sicher: „An der Technik liegt es nicht. Wir haben belegt, dass das Abfangen eindringender Drohnen innerhalb weniger Minuten machbar ist.“