Hamburg. Der scheidende Vorsitzende der Vereinigung mahnt weniger Einflussnahme durch die Politik an – und mehr Werteorientierung.
Der scheidende Vorsitzende der Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg (VEEK), Gunter Mengers, warnt mit Blick auf die Diskussion über den Umgang mit China vor zu großer Einflussnahme der Politik auf die Wirtschaft.
„Wir Kaufleute sind pragmatisch und lösungsorientiert, müssen uns aber, wenn wir nach China schauen, die Frage stellen, wie weit der politische Einfluss überhaupt geht und gehen darf“, sagte Mengers im Gespräch mit dem Abendblatt.
Wirtschaft Hamburg: Nimmt die Politik zu viel Einfluss?
„Wo ist die freiheitliche kaufmännische Ausübung überhaupt noch möglich? Gerade in der aktuellen Diskussion mit China müssen wir Kaufleute aufpassen, dass die Einflussnahme des Staates nicht zu groß wird.“ Der freie Handel schwinde, weil die Kräfte, die auf ihn von außen einwirkten, immer stärker würden.
Wie berichtet plant Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), deutschen Firmen mit starkem China-Geschäft neue Berichtspflichten aufzuerlegen und die politische Unterstützung für deutsch-chinesische Wirtschaftsprojekte herunterzufahren, um Chinas Einfluss zu senken.
"Müssen Allianzen schmieden, um Erfolg zu haben"
Für Mengers ist die Diskussion über den chinesischen Einfluss auf die heimische Wirtschaft nicht zuletzt aus Fehlern bei der Globalisierung entstanden: „Ich glaube, die Globalisierung, die der Heilsbringer zu sein schien, ist überspannt worden, weil die Staaten und Wirtschaftseinheiten merken, dass sie bei vielen Produkten in Abhängigkeiten anderer geraten sind. Das versuchen die Staaten jetzt zurückzudrehen. Wir Kaufleute, die global denken, haben überhaupt keinen Einfluss darauf.“
Eine Abkoppelung der Wirtschaft von anderen Staaten hält Mengers für falsch. „Wir haben immer begriffen, dass wir Allianzen schmieden müssen, um Erfolg zu haben. Ohne Kooperationen kann eine einzelne Kaufmannschaft nicht in der Welt bestehen. Hier kann die Politik noch einiges von uns lernen.“
Zuletzt hatte der geplante Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco beim Hamburger Hafen die Debatte über die wirtschaftlichen Verflechtungen mit China befeuert. Trotz Warnungen und scharfer Kritik gab die Bundesregierung grünes Licht für eine Minderheitsbeteiligung von Cosco.
Werteorientierung in der Wirtschaft: "Wir haben 500 Jahre Erfahrung"
Kooperationen sollten aber von Werten getrieben sein, nicht von Egoismen, mahnt Mengers. „Wir benötigen mehr Werteorientierung – was übrigens auch Außenministerin Baerbock immer wieder betont. Die Wirtschaft plant gerne langfristig, nicht zuletzt, wenn es um Investitionsentscheidungen geht. Wir müssen also auch unsere Kooperations- und Handelspartner dazu bewegen, langfristig zu denken. Und das geht nur mit festen Werten. Glauben Sie es uns. Wir haben mehr als 500 Jahre Erfahrung darin“, sagte der Vorsitzende der Ehrbaren Kaufleute, deren Zusammenschluss seit 1517 besteht.
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Mengers, der zum Jahresende sein Amt abgibt, wird bei der traditionsreichen Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg am 30. Dezember in der Handelskammer seine letzte Rede als Vorsitzender halten. Hunderte Wirtschaftsvertreter sind zu der Veranstaltung geladen, aber auch der Hamburger Senat.
Zu viel Schwarz-Weiß-Denken in der Debatte
In seiner Rede will er die Schärfe anprangern, mit der derzeit politische Debatten geführt werden. Auch jenseits der China-Diskussion gebe es derzeit viele Konflikte. „Dennoch müssen wir weg von den ständig kontroversen Beurteilungen. Es gibt nur noch schwarz oder weiß, wenn ich nicht für etwas bin, dann bin ich dagegen. Und wenn ich gegen etwas bin, werde ich gleich als Feind angesehen. Da müssen wir die Werte eines ehrbaren Kaufmanns dagegensetzen. Wir müssen uns aufeinander zubewegen, Werte wieder mehr in den Mittelpunkt stellen.“
Ausnahme ist für ihn der russische Angriff auf die Ukraine. „Das, was Russland der Ukraine und in der Folge der ganzen westlichen Welt angetan hat, hat es in dieser Brutalität nur selten gegeben. Da kommen wir mit unserem freiheitlichen Gedanken in der Tat nicht mehr weit.“
Mitglieder der VEEK sind zu sozialer Verantwortung verpflichtet
Neun Jahre lang gehörte Mengers dem Vorstand des Vereins der VEEK an, davon sechs Jahre als Vorsitzender. Den Statuten zufolge kann er nicht noch einmal kandidieren. Anfang Januar wird Jochen Spethmann die Vereinsspitze übernehmen. Spethmann ist ehemaliger Vorstandschef und Gesellschafter der Teedynastie Laurens Spethmann Holding (Meßmer, Milford, Onno Behrens).
Anders als bei anderen Wirtschaftsverbänden, denen sich auch ganze Unternehmen anschließen können, gilt eine Mitgliedschaft in der VEEK nur persönlich. Wer Mitglied werden will, verpflichtet sich gewissen Zielen wie der Verantwortung als Mensch, als Unternehmer oder Manager sowie als Mitglied der Gesellschaft. Sein Handeln muss ausgewogen kaufmännisches Streben mit sozialer Verantwortung verbinden.
Wer dagegen verstößt, muss mit Sanktionen rechnen, bis hin zum Ausschlussverfahren. Wenn es Klagen von Unternehmern wegen unehrenhaften Verhaltens von Mitgliedern gibt, geht die VEEK dem nach. „Dazu haben wir eigens ein Beschwerdeverfahren entwickelt.“ Zweimal sei unter seiner Führung jemand aus dem Verein ausgeschlossen worden.
Mengers ist sicher: "Wir sind auch in Zukunft gefragt"
Trotz einer Zeit, die stark von Egoismen geprägt sei, hält Mengers die Werteorientierung für möglich. „Als ich vor sechs Jahren Ihren Vorsitz übernahm, hatte ich mir vorgenommen, den Verein zu erneuern. Die 500-Jahr-Feier war ein guter Anlass dafür, unseren Blick mehr auf die jüngere Generation zu richten. Und was erlebten wir? Eine Renaissance der Werte. Gerade bei jüngeren Unternehmerinnen und Unternehmern spielen Werte wieder eine große Rolle. Sei es im Kampf gegen den Klimawandel, sei es bei Fragen der geschlechtlichen Vielfalt oder wie man eine Work-Life-Balance schafft.“
Diese Ausrichtung auf einen Ausgleich zwischen Beruf und Freizeit setze so etwas wie Anstand und soziale Rücksichtnahme auf andere Menschen voraus. „Und es kommen viele, junge Unternehmer mit der Frage zu uns, wie sie das hinbekommen. Wir sind also auch in Zukunft gefragt.“
Wirtschaft Hamburg: "Loslösung von der Handelskammer hat nicht geschadet"
Dennoch wächst der Verein kaum. Das sei bedauerlich, sagt Mengers. „Es ist uns gelungen, in den vergangenen sechs Jahren 400 bis 450 neue Unternehmer hinzuzugewinnen. Leider haben wir aber eine annähernd große Zahl auch verloren, sodass wir bei etwa 1200 Mitgliedern geblieben sind.“ Nicht nur Altersgründe oder die Aufgabe der Geschäftstätigkeit hätten zu Austritten aus der VEEK geführt: „Leider haben wir auch Kündigungen gehabt, als wir den Mitgliedsbeitrag von 50 Euro im Jahr auf 200 Euro im Jahr anheben mussten. Wir sind aber im Wachstum.“
Insgesamt ist Mengers mit seiner Amtszeit nicht unzufrieden. „Es ist uns gelungen, uns mehr in das Erscheinungsbild der Stadt einzubringen. Wir sind sichtbarer geworden, mit zahlreichen Veranstaltungen. Auch die Loslösung von der Handelskammer hat uns nicht geschadet, wenn sie auch finanziellen Aufwand bedeutet hat.“