Hamburg. Die jüngste Konjunkturumfrage zeichnet ein düsteres Bild der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie. Mit einer Ausnahme.
Während die Gewerkschaft IG Metall den Druck auf die Arbeitgeber in der aktuellen Tarifrunde mit ihrem Küstenaktionstag weiter erhöht hat, liefen auf der Gegenseite die letzten Vorbereitungen für ein festliches Ereignis.
Zu seinem Martinsgans-Essen am Donnerstagabend erwartet der Arbeitgeberverband Nordmetall gut 400 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft im Hamburger Hotel Grand Elysée. Denen werden dort neben zart gebratenem Geflügel auch die harten Daten der jüngsten Konjunkturumfrage in der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie serviert. Und die haben vorwiegend den bitteren Geschmack der Krise und das Zeug zum Stimmungskiller.
Metallindustrie: Unternehmen im Norden klagen über Lieferengpässe
Denn laut der Umfrage, deren Ergebnisse unserer Zeitung exklusiv vorliegen, schätzen die Unternehmen ihre Lage und ihre Aussichten in Teilen derzeit noch schlechter ein als in den Hochzeiten der Pandemie. So klagt ein Drittel der von Nordmetall und mehreren norddeutschen Arbeitgeberverbänden befragten 180 Firmen mit insgesamt mehr als 100.000 Beschäftigten aus der Branche, ihre Produktion werde durch Lieferengpässe stark oder sehr stark eingeschränkt. Der Anteil ist höher als im Mai 2020.
Ebenfalls fast ein Drittel geht davon aus, dass sich die Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten verschlechtern wird. Im Frühjahr 2020 hatte nur ein gutes Fünftel der Unternehmen diese Befürchtung. Lediglich zwölf Prozent glauben aktuell an eine bessere Geschäftslage im kommenden halben Jahr. Es ist der niedrigste Wert seit Jahren. Dramatisch gesunken ist aus Sicht der Befragten die Attraktivität des Standorts Deutschland. 72 Prozent sagen, er habe sich verschlechtert. Eine Verbesserung sieht keine der Firmen. Verantwortlich für die negative Sicht auf den Standort sind vor allem die hohen Material-, Arbeits- und Energiekosten.
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Metallindustrie plant fast 1300 Stellen im Norden
28 Prozent der Firmen sagen nun, dass sie weniger investieren wollen als im Jahr zuvor. Jedes achte Unternehmen will die Zahl der Beschäftigten in den kommenden Monaten verringern, jedes dritte aber will sie trotz allem erhöhen. Und unter dem Strich sollen fast 1300 Arbeitsplätze mehr geschaffen als abgebaut werden.
Wobei keineswegs sicher ist, dass die Stellen besetzt werden können. Denn es gibt ein Problem: den Fachkräftemangel. „84 Prozent unserer Betriebe beklagen die schlechte oder unbefriedigende Verfügbarkeit von Fachkräften, 74 Prozent das Fehlen von geeigneten Auszubildenden – das sind noch nie dagewesene Negativwerte“, sagt Nordmetall-Präsident Folkmar Ukena. Der Verband spricht von einem Fachkräftenotstand, der die Branche „existenziell gefährdet“.