Hamburg. „Die schweren Jungs schlagen Alarm“: Bis dringend benötigte Genehmigungen da sind, dauert es viel zu lange. Die Hintergründe.
Maik Stange ist ein geduldiger Mensch. Als Schwerlast-Transporteur weiß er, dass nicht immer alles sofort glatt läuft und man bei manchen Fahrten mit ungeplanten Verzögerungen rechnen muss. Er ist seit 37 Jahren im Geschäft und hat schon vieles erlebt. Aber aktuell ist die Situation besonders brisant. In zwei Tagen soll er eine 28 Meter lange, drei Meter breite und 45 Tonnen schwere Brücke für eine neue Bahnüberführung in Wandsbek von Konz in Rheinland-Pfalz nach Hamburg bringen.
Der Transporter steht bereit, die Begleitfahrzeuge sind bereits bestellt, die örtlichen Polizeibehörden stellen die Verkehrsüberwachung. Sogar die Bahn hat ihre Fahrpläne überarbeitet und sich darauf eingerichtet, ihre Gleise für einen bestimmten Zeitraum zu sperren. Nur ein entscheidendes Detail fehlt: Stange hat noch keine Transportgenehmigung für den Hamburger Raum erhalten. „Vielleicht kommt sie heute oder morgen. Man weiß es leider nicht“, sagt Stange. Nur eines weiß er ganz genau: Ohne Genehmigung darf er mit seinem Transportfahrzeug nicht losfahren.
Verkehr Hamburg: Antragspflicht wurde verschärft
Stange sitzt in seinem Büro in Wilhelmsburg, mitten in seinem großen Fuhrpark. Seit 1843 ist seine Familie im Transportwesen tätig. der 60-Jährige führt die Geschicke des Unternehmens in fünfter Generation. Sein Sohn ist auch schon mit an Bord. Er soll das Unternehmen dann in sechster Generation weiterführen.
Das Problem mit der Brücke ist nur eines, das er derzeit auf seinem Schreibtisch liegen hat. Er wartet noch auf weitere Genehmigungen. „Bekam man sie früher innerhalb weniger Tage, dauert es heute einen Monat oder länger“, schimpft er. Auf die Genehmigung für den Brückentransport wartet er seit acht Wochen. Seit August habe er mit massiven Verzögerungen zu kämpfen, sagt er. Grund sei eine Umstellung und eine Verschärfung der Antragspflicht.
Behörden haben zu wenig Personal
„Früher hat man Transporte für Güter bis zu 70 Tonnen einfach bei der Verkehrsdirektion angemeldet. Heute besteht ab 41,8 Tonnen Gesamtgewicht eine Anhörungsverpflichtung bei der Autobahn GmbH Nord.“ Diese ist eine privatisierte Einheit des Bundes, die sich um Planung, Bau, Instandhaltung und Betrieb des 13.000 Kilometer umfassenden deutschen Autobahnnetzes kümmert. Auch die Überwachung von Schwertransporten gehört zu ihren Aufgaben.
Doch dort gibt es einen Engpass. „Da warten 4000 Genehmigungsanträge auf ihre Bearbeitung. Früher konnte man dringende Transporte noch vorziehen. Doch heute sind alle Transporte als dringlich angemeldet. Und wenn ich nachfrage, woran es hakt, heißt es, es fehle das Personal“, beklagt sich Stange. Auf andere Strecken kann er nicht ausweichen: „Wir sind auf die Benutzung der Autobahnen angewiesen, allein schon wegen der Breite.“
„Die schweren Jungs schlagen alle Alarm“
Beim Verband Straßengüterverkehr und Logistik Hamburg (VSH) sind Stanges Probleme bekannt. Er stünde damit nicht allein, heißt es. „Die schweren Jungs schlagen alle Alarm“, sagt Verbandsgeschäftsführer Hans Stapelfeldt. „Wir haben rund 20 auf Schwerlast-Transporte spezialisierte Unternehmen in Hamburg, rund 50 im ganzen Norden. Und sie alle warten dringend auf Fahrgenehmigungen.“ Die Situation sei inzwischen so angespannt, dass die zeitkritische Belieferung von Baustellen, Energie-Anlagen, Krankenhauseinrichtungen und wichtigen Infrastrukturprojekten nicht mehr gewährleistet werden könne.
„Da müssen ganze Baustellen ihre Gewerke wieder abbestellen, weil sie nicht rechtzeitig das Baumaterial bekommen. Das passiert regelmäßig.“ Auch der Zeitplan für den Bau von LNG-Terminals zur Lösung der Energiekrise gerate so in Gefahr. Nicht zuletzt sei der Hafen auf die reibungslose Anlieferung von Spezial- und Projektladung angewiesen, so Stapelfeldt Darauf warteten Schiffe, die auch Fahrpläne hätten.
Gefahr für Wirtschaftsstandort Hamburg
Jetzt sei die Situation völlig aus dem Takt geraten. „Das kann den ganzen Wirtschaftsstandort Hamburg stören.“ Grund sei eine Umstellung der Genehmigungspraxis nach den Sommerferien. „Die zuständigen Behörden auf Landes- und Bundesebene sind nicht mehr synchronisiert. Hinzu kommt ein eklatanter Mitarbeitermangel. Wir haben also gleich mehrere Hinderungsgründe“, so der Verbandsgeschäftsführer.
Die Autobahn GmbH räumt ein, dass ein Problem bestehe, hält dieses aber für zeitlich begrenzt. Die Schwierigkeiten hingen damit zusammen, dass die bisher von den Ländern ausgeübte Genehmigungspraxis zu einer bundeseinheitlichen Regelung für die Autobahnen zusammengeführt werde. „Bislang haben 16 Länder uneinheitlich agiert. Beispielsweise wurden Dauergenehmigungen mit Tonnagen von bis zu 70 Tonnen und mehr in Hamburg streckenbezogen erteilt.
Verkehr Hamburg: Zusätzliches Personal soll helfen
Gemäß des neuen System müssen nunmehr bundesweit einheitlich Transporte ab 41,8 Tonnen einzeln geprüft werden“, sagte ein Sprecher der Autobahn GmbH. „Mit der Systemumstellung wird ein zentrales Ziel der Autobahnreform umgesetzt: Bündelung von Aufgaben, effiziente, transparente Prozesse und einheitliche Standards. So werden langfristig eine effiziente Autobahninfrastruktur gesichert und verbesserte logistische Rahmenbedingungen ermöglicht.“ Der Berg an nicht bearbeiteten Anträgen werde aber nun kontinuierlich abgebaut, dafür sei zusätzliches Personal bereitgestellt worden.
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Für Stange ist das kaum Trost. Er hat gerade erst eine Genehmigung für einen Lkw-Transport mit Flugzeugteilen für Airbus erhalten, der zuvor fünf Tage beschäftigungslos in Cuxhaven herumstand.