Cranz. Baustellen, ein Rohrbruch, genervte Nachbardörfer: Der Weg in den kleinsten Stadtteil des Bezirks Harburg ist derzeit ein Abenteuer.

Ein bisschen lieben die Cranzer ja die Abgeschiedenheit ihres dörflichen Stadtteils am linken Ufer der Estemündung. Aber zu viel ist zu viel, findet unter anderem Isabelle Paulat, denn in den letzten Tagen kam rund um Cranz der Verkehr zum Erliegen. Geplante Baustellen trafen auf ungeplante, Ausweichstrecken fielen aus, und selbst mit dem Bus kam man nicht mehr in den Ort. „Üblicherweise brauche ich eine halbe Stunde von hier zu meinem Arbeitsplatz in Stellingen“, sagt Paulat, „und eine halbe Stunde zurück. In letzter Zeit waren es anderthalb bis zwei Stunden pro Weg!“

Verkehr Hamburg: Nadelöhr Este-Klappbrücke

Hauptgrund für die Verzögerung, die neben Paulat auch alle anderen Cranzer betrifft, ist die Sperrung der Este-Klappbücke zwischen Cranz und Neuenfelde. Die Hafenbehörde HPA unterzieht die Brückenklappe seit sieben Wochen einer Generalüberholung. Diese dauert nach Angaben der HPA zwar nur noch eine Woche, beruhigen kann das die Anlieger jedoch nicht.

Denn: Nach der Sperrung ist vor der Sperrung: Wenn die Brücke fertig gewartet ist, stehen als nächstes Arbeiten zur Erhöhung der Hauptdeiche in Cranz und Neuenfelde an, inklusive eines kompletten Neubaus der Deichstraßen. Deren Effekt auf den Verkehr dürfte derselbe sein wie jetzt die Brückensperrung. Und die Praxis während der Brückensperrung lässt die Anlieger zweifeln, dass das Umleitungskonzept leistungsfähig genug ist, um seine Aufgaben zu bewältigen.

Verkehr soll über den Obstmarschenweg umgeleitet werden

Grundsätzlich soll der Verkehr über den Obstmarschenweg umgeleitet werden. Wer von der Finkenwerder Umgehung kommt – Airbus-Beschäftigte, Hafenpendler, Verkehr von der A7 – soll über Neuenfelder Damm, Neuenfelder Fährdeich und Marschkamper Deich zur Nincoper Straße und von dort weiter in Richtung Westen; wer weiter südlich startet, über Francop und Neuenfelde auf die Nincoper Straße. Morgens ist der Weg umgekehrt. Vor der Kreuzung Nincoper Straße/Marschkamper Deich staut sich der Verkehr im Feierabend eineinhalb Kilometer in Richtung Osten und einen Kilometer in Richtung Norden zurück (das Abendblatt berichtete).

Isabelle Paulat und Herbert Kramer ärgern sich über die vielen Sperrungen.
Isabelle Paulat und Herbert Kramer ärgern sich über die vielen Sperrungen. © HA | Lars Hansen

Forderungen, die Ampelschaltung anzupassen lehnte der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer ab: Es gibt keinen Schaltrhythmus, der dem hohen Verkehrsaufkommen aus zwei Richtungen staufrei gerecht werden könnte.

Auf dem Neuenfelder Fährdeich kam zu Wochenbeginn ein Rohrbruch dazu

Zum Stau auf dem Marschkamper Deich haben die Cranzer theoretisch zwei Alternativen: Sie könnten dem Neuenfelder Fährdeich weiter folgen und dann westlich der Staukreuzung auf den Obstmarschenweg – oder sie könnten über Groß Hove fahren. Die Straße folgt den Mäandern der Este. Die beiden Konjunktive kommen allerdings nicht von ungefähr. Der Fährdeich wird derzeit mit einer Wanderbaustelle neu gepflastert, und in Groß Hove, jenseits der Landesgrenze, sind die Anwohner vom Ausweichverkehr so genervt, dass sie von der Gemeinde Jork eilig Schilder aufstellen ließen, welche die Durchfahrt nur noch Anliegern gewähren.

Anfang der Woche kam auf dem Neuenfelder Fährdeich auch noch ein Rohrbruch dazu – Vollsperrung. Damit war auch der wichtigen Cranzer Buslinie 150 der Weg sogar zur Ersatzhaltestelle am alten Sperrwerk versperrt. Die Hochbahn-Busse fuhren nur noch bis zum Airbuswerk. Von dort bis Cranz sind es knapp sieben Kilometer Fußweg.

Herbert Kramer, Wirt des Cranzer Gasthauses „Zur Post“ hat deshalb schon einige Absagen von Gästen bekommen, nicht nur für sein Lokal, sondern auch für die Ferienwohnungen, die er vermietet. „Es ist ja nicht nur die Anfahrt“, sagt er. „Die Gäste wollen auch wissen, wo sie einkaufen gehen können. Diese Wege sind alle versperrt!“

Über die offizielle Umleitung ist Cranz nur für Eingeweihte erreichbar

Auch über die offizielle Umleitung ist Cranz nur für Eingeweihte zu erreichen: Dort, wo es am Obstmarschenweg in Richtung Cranz abgeht, ist bereits ein großes Sackgassenschild und eine halbseitige Barriere platziert, denn am Ende der Straße ist nicht nur rechterhand die Brücke gesperrt, sondern auch linkerhand die Deichstraße K39 auf niedersächsischer Seite. „Zufahrt bis Brücke frei“ heißt es zwar unter dem Sackgassenzeichen, aber dass dies bedeutet, dass man hier bis Cranz und Hahnhöfersand kommt, wissen viele Fahrer nicht.

Die Königreicher Straße ist derzeit die einzige Zufahrt nach Cranz. Sie ist bereits in Hove als Sackgasse gekennzeichnet Lieferanten verwirrt das.
Die Königreicher Straße ist derzeit die einzige Zufahrt nach Cranz. Sie ist bereits in Hove als Sackgasse gekennzeichnet Lieferanten verwirrt das. © HA | Lars Hansen

Diverse Anliegerfirmen, auch Kramer und sogar die Justizvollzugsanstalt haben deshalb noch einmal eigene Hinweise darunter angebracht, zumal auch die Navigationsgeräte die Sperrung schon ab der Kreuzung anzeigen. „Ich hatte Lieferungen für meine Gaststätte, bei denen an drei Tagen die Fahrer aufgegeben hatten“, sagt Kramer.

Verkehr Hamburg: Besseres Umleitungskonzept muss her

Die Cranzer Bürgerschaftsabgeordnete Gudrun Schittek (Grüne) fordert deshalb, dass für die in den kommenden Jahren anliegende Deicherhöhung – sie beginnt frühestens 2023 und dauert drei Jahre – ein besseres Umleitungskonzept erarbeitet wird. „Vor allem der Schwerlastverkehr muss weiträumig über die B73 und Waltershofer Straße umgeleitet werden. Sonst nehmen die Ausweichstrecken Schaden und fallen selbst aus. Der Rohrbruch war eine Warnung!“

Der hat allerdings nach Angaben von Hamburg Wasser (HWW) seine Ursache nicht im Verkehr, sondern in einem unentdeckten Materialfehler. Grundsätzlich, so ein HWW-Sprecher, würde zu viel Verkehr, gerade schwerer, aber immer zu Lasten der Haltbarkeit von Rohren gehen, die in der Straße verlaufen.