Hamburg. Steinway & Sons investiert zwölf Millionen Euro in Standort. Joja Wendt spielt bei Einweihung. Bald soll Innovation vorgestellt werden.

Dass es bei einem Flügelbauer wie Steinway & Sons auf den perfekten Ton ankommt, ist klar. Wie entscheidend auch die glänzende, schwarze Oberfläche der Instrumente ist, wird bei der Inbetriebnahme des neuen Lackierzentrums am Firmensitz in Hamburg deutlich. „Wir haben es anfangs Lackierhaus genannt. Das war, als wir dachten, wir kommen mit zehn Millionen Euro hin.

Es ist dann ein Lackierzentrum geworden, und fast wäre es ein Lackier-Imperium geworden“, sagte Guido Zimmermann, Europa-Chef von Steinway & Sons, augenzwinkernd in Anspielung auf die Investitionssumme von zwölf Millionen Euro. Für den Statthalter des internationalen Unternehmens in Deutschland läutet der Neubau auch deshalb eine neue Ära in der mehr als 140-jährigen Geschichte des Instrumentenbauers in Hamburg ein. „Das Projekt ist ein Meilenstein für Steinway & Sons. Es ist auch ein Bekenntnis zum Standort Hamburg.“

Steinway & Sons: Hamburgs Bürgermeister Tschentscher gratuliert

Das muss gefeiert werden. Es ist Freitagmittag kurz nach Betriebsschluss. Guido Zimmermann steht auf dem Firmenhof vor mehreren Hundert Beschäftigten und Geschäftspartnern. Joja Wendt, Pianist und Steinway-Künstler, spielt in gewohnter Fingerfertigkeit zur Einstimmung auf dem großen Flügel, den das Protokoll für die Einweihungszeremonie auf die Bühne vor das neue Lackierzentrum hat bringen lassen.

Bürgermeister Peter Tschentscher (M.) mit Steinway&Sons-Chef Guido Zimmermann (l.) und Projektmanager Michael Zelaß
Bürgermeister Peter Tschentscher (M.) mit Steinway&Sons-Chef Guido Zimmermann (l.) und Projektmanager Michael Zelaß © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ist gekommen. „Steinway & Sons ist ein Hamburger Traditionsunternehmen, dessen Flügel in der ganzen Welt für höchste Qualität bekannt sind und in den besten Konzerthäusern zum Einsatz kommen“, sagt er. Es sei wichtig, das solch ein Instrument auch glänze. „Das Auge hört mit“, zitiert der Senatschef Hamburgs neuen Ehrenbürger Udo Lindenberg in seiner kurzen Ansprache. „Mit der neuen Lackierhalle investiert das Unternehmen in die Zukunft und setzt moderne Standards beim Umweltschutz.“ Große Bühne für ein Gebäude, das auf den ersten Blick nicht besonders viel hermacht.

Eine große Halle eben, eingeklemmt zwischen den bestehenden Backsteinbauten, 55 Meter lang, 20 Meter breit, 14 Meter hoch, mit einer Nutzfläche von 3300 Quadratmetern. Draußen Metallverkleidung, dicke Rohrleitungen und eine riesige Filteranlage mit Schornstein. Was es damit Besonderes auf sich hat, verbirgt sich im Inneren. Projektleiter Michael Zelaß aus der Steinway-&-Sons-Geschäftsleitung öffnet die Tür zum Lackierzentrum. Alles ist fast klinisch sauber. Nur ein leichter Farbgeruch lässt erahnen, dass hier künftig bis zu 1800 Flügel und 450 Klaviere im Jahr ihre hochglänzende Oberfläche bekommen sollen.

Steinway verdoppelt Lackierkapazität

Hinter einer Glasscheibe steht Alex Hlawatschke mit Atemschutz und Spritzpistole. Mit schwingenden Bewegungen aus dem Handgelenk trägt er mit großer Präzision schwarzen Polyesterlack auf einen Flügel-Rohbau auf. Insgesamt vier Lackierkabinen mit zehn Arbeitsplätzen befinden sich an dem langen Flur im Erdgeschoss. „Der Lack muss in mehreren Schichten aufgetragen werden“, erklärt Projektleiter Zelaß das Verfahren. Die Arbeitsplätze sind mit modernster Filtertechnik ausgestattet. Die Anlage und die dafür notwendige Lüftungstechnik verteilt sich auf zwei Stockwerke, auf denen zudem große Trocknungsräume eingerichtet wurden. „So wie wir hier lackieren, gibt es das sonst nirgendwo.“

90 Prozent weniger Schadstoffe

Im Einsatz sind zwei riesige Aktivkohlefilter an der Fassade, in die alle lösungsmittelrelevanten Luftströme gebündelt und immer wieder ausgetauscht werden. Damit werde gewährleistet, dass die im Bundesimmissionsschutzgesetz vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten werden, erklärt Zelaß. Tatsächlich liege Steinway sogar deutlich unter den Werten. „Mit der neuen Anlage verringern wir unseren Ausstoß an Lösungsmitteln in die Umwelt um 90 Prozent.“

Der Neubau war auch deshalb notwendig geworden, weil der Flügelbauer in den vergangenen Jahren die Produktionszahlen deutlich erhöht hatte und drohte über die zulässigen Immissionswerte zu kommen. Ein weiterer Vorteil ist, dass weniger Lärm im Inneren des Gebäudes erzeugt wird. Das kommt vor allem denen am Klang arbeitenden Abteilungen im benachbarten Montagegebäude zugute, heißt es.

Steinway & Sons: Corona hat zu Bauverzögerungen geführt

Die Planungen für das neue Lackierzentrum hatten bereits vor vier Jahren begonnen, nachdem die Konzernzentrale von Steinway & Sons in New York das ehrgeizige Projekt genehmigt hatte. Mit dem ersten Spatenstich im November 2020 war das Millionenprojekt dann in die entscheidende Phase gegangen. Zunächst sollte die neue Anlage schon 2021 fertig sein.

Doch die Corona-Pandemie, Lieferengpässe und die Rohstoff-Knappheit hatten den Bau verzögert und die Kosten in die Höhe getrieben. Nach zwei Jahren Bauzeit startete im Juli schließlich der Testbetrieb. Inzwischen ist die Anlage von Sachverständigen abgenommen worden und kann auf den vollen Lackierbetrieb ausgeweitet werden.

2022 baut Steinway 1400 Flügel und 340 Klaviere

„Die Anlage kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden“, sagt Steinway-&-Sons-Chef Zimmermann. Nach einem Absatzeinbruch 2020 hatte der Premium-Instrumentenbauer 2021 deutlich mehr Flügel und Klaviere verkauft und Rekordumsätze erwirtschaftet. Auch 2022 waren die Auftragsbücher schon zu Jahresbeginn voll.

Bis Dezember haben die inzwischen knapp 500 Beschäftigten voraussichtlich 1400 Flügel und 340 Klaviere fertig gebaut – den Großteil in Handarbeit. Mit der neuen Anlage verdoppele Steinway & Sons seine Lackierkapazitäten, so Zimmermann. „Wir feiern damit auch unser Verständnis von ,made in Hamburg‘ mit dem Anspruch von höchster Qualität.“

Fast 500 Steinway-Beschäftigte

Pianist Joja Wendt sorgt gewohnt fingerfertig für gute Unterhaltung
Pianist Joja Wendt sorgt gewohnt fingerfertig für gute Unterhaltung © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Auch die Beschäftigten, die an Biertischen sitzen und das Bühnenprogramm beobachten, sehen die Investition positiv. „Das Trägt zur Sicherung unsere Arbeitsplätze bei“, sagt Heinz Witt, der in der großen Montagehalle für die Holzbearbeitung zuständig ist. „Es macht stolz“, ergänzt auch sein Kollege Stefan Wojcik. Nachdem die Chefs mit dem Bürgermeister feierlich das Band vor dem Eingang des Lackierzentrum durchschnitten haben und danach einen Schnelldurchgang durch die Fertigung machen, sorgt Joja Wendt draußen für gute Unterhaltung bei Saftschinken aus der Pfanne und Salaten.

Noch in diesem Jahr will der Flügelbauer eine weitere Innovation vorstellen. Details werden noch nicht verraten, aber es soll eine Weltneuheit sein.