Hamburg. Nach dem Ende des Steuersenkung schießen die Preise in der Hansestadt nach oben. Kritik vom ADAC. Das Abendblatt schaut ganz genau hin.

Am Mittwochabend hatten sich vor vielen Tankstellen zeitweise Schlangen von Autos gebildet. Die Fahrer wollten noch mal den Tank füllen, bevor wenige Stunden später der sogenannte Tankrabatt endet. Das war eine gute Idee, denn in den ersten Stunden nach Mitternacht geschah, was erwartet worden war: Die Preise an den Hamburger Tankstellen gingen drastisch nach oben.

Für Super E10 um mehr als 30 Cent, da und dort sogar um mehr als 40 Cent. Diesel wurde auf einen Schlag zumeist zwischen 12 und 17 Cent pro Liter teurer. Das Abendblatt hat sich die Preisentwicklung an zehn Stationen im Stadtgebiet genau angesehen und beantwortet die wichtigsten Fragen nach Ende des Tankrabatts.

Wie haben sich die Preise für Super E10 und Diesel in Hamburg verändert?

Die drastischen Anhebungen in den ersten Stunden des Donnerstag sind eine Momentaufnahme. Ein realistischeres Bild ergibt sich bei einem Vergleich zur gleichen Tageszeit. Dabei fallen die Preissprünge geringer aus. An den zehn vom Abendblatt anhand von Daten des Preisportals Benzinpreis-Blitz ausgewerteten Stationen (siehe Grafik) war ein Liter Super am Donnerstagvormittag im Durchschnitt knapp 22 Cent teurer als zur gleichen Zeit am Mittwoch, bei Diesel waren es im Schnitt 7,6 Cent.

Der ADAC kam in einer ersten Einschätzung zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach hatte sich Super gegenüber dem Vortag bundesweit um durchschnittlich 25 Cent je Liter verteuert, Diesel um etwa zehn Cent. Auffällig ist, dass es bei den zehn Hamburger Tankstellen sehr große Unterschiede gibt. So war Diesel an einer Station lediglich drei Cent teurer als am Vortag, bei einer anderen aber 15 Cent. Bei E10 betrug der Unterschied im Tagesvergleich zwischen 14 und 30 Cent.

Wie bewerten Experten die aktuelle Preisentwicklung?

„Angesichts voller Tanks an den Tankstellen, die bis gestern zu niedrigen Steuersätzen befüllt wurden, ist das gegenüber den Verbrauchern in keiner Weise zu rechtfertigen“, sagte eine ADAC-Sprecherin am Donnerstag über das Ausmaß der Preisanhebung.

Der Tankstellen-Interessenverband, der die Anliegen von Pächtern und Eigentümern von Tankstellen vertritt, warf den Mineralölkonzernen vor, bereits eingekauften und damit billigeren Kraftstoff nun zu überhöhten Preisen zu verkaufen. Verbandssprecher Herbert Rabl sagte dem SWR, an den Zapfsäulen werde es in den kommenden Wochen einen großen Preiskampf geben. „Die großen Marken haben den Tankrabatt fast oder ganz draufgehauen – die kleinen Marken ziehen nun nach. Wir erleben ein Tauziehen, wer sich durchsetzt“, sagte Rabl.

Wie hatten sich die Preise zuletzt verändert?

Bereits in den vergangenen zwei Wochen waren sie wieder deutlich gestiegen. Am Mittwoch hatte ein Liter E10 laut ADAC im Schnitt 1,792 Euro gekostet, ein Liter Diesel 2,086 Euro. Das war der höchste Wert im August. Obwohl der Rohstoff Rohöl nicht deutlich teurer wurde, hatte bereits Mitte August ein Preisauftrieb an den Stationen eingesetzt. „Die Mineralölwirtschaft hat sich bereits wieder ein Preispolster verschafft“, bewertete ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand diese Entwicklung.

Die Branche widersprach dem. Adrian Willig, der Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Fuel und Energie (EN2X), dem Unternehmen wie BP, Shell, Totalenergies und Eni angehören, sagte: „Gründe aktueller Preissteigerungen sind eine gestiegene Nachfrage, knappe Kapazitäten in Raffinerien und logistische Herausforderungen.“ So habe das Niedrigwasser im Rhein dazu geführt, das die Transportkosten deutlich höher seien. Nach Darstellung der Branche sind die Rohölpreise nicht wirklich entscheidend für die Spritpreise.

„Es gelten die Angebots- und Nachfragebedingungen an den internationalen Märkten für Benzin und Diesel. Diese Großhandelspreise für die Kraftstoffe bestimmen maßgeblich die grundsätzliche Preisentwicklung an den Tankstellen -- nicht die Rohölpreise.“

Was genau war der Tankrabatt – und hat er den Verbrauchern etwas gebracht?

Angesichts der hohen Energiepreise nach Beginn des Kriegs gegen die Ukraine hatte die Bundesregierung die Energiesteuer auf Kraftstoffe vom 1. Juni an für drei Monate gesenkt. Rechnerisch hätte der Preis für Super E10 deshalb um 35 Cent und für Diesel um 17 Cent sinken können. Das geschah aber nicht in vollem Umfang, wenngleich die Preise im Sommer dauerhaft unter zwei Euro pro Liter sanken. Es folgte ein langanhaltender Sinkflug. Am 12. August betrug der bundesweite Durchschnittspreis für Super 1,691 Euro, dies war der niedrigste Wert seit Januar.

Die Preisgestaltung der Konzerne hatte seit März immer wieder Diskussionen ausgelöst. Die Frage, in welchem Umfang sie die Steuersenkung wirklich an die Kunden weitergeben ist weiterhin umstritten. „Die Energiesteuersenkung wurde umfassend weitergegeben“, sagte der Branchenverbandsgeschäftsführer Willig. Ganz ähnlich sieht das der Benzinpreisexperte Manuel Frondel vom RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung: Der Rabatt sei „im Wesentlichen“ weitergegeben worden, sagte er auf Grundlage von Preisvergleichen zwischen Deutschland und Frankreich.

Der ADAC kommt zu einem anderen Ergebnis: „In der Gesamtbilanz stellen wir fest, dass die Steuersenkung nicht vollständig beim Verbraucher angekommen ist“, sagte Jürgen Albrecht, der Spritpreisexperte des Clubs. „Angesichts der niedrigen Besteuerung und des zuletzt niedrigen Ölpreises war das für die Branche schon sehr auskömmlich, das sieht man ja auch an den Quartalszahlen der großen Konzerne und den Rekordmargen der Raffinerien.“ Kritisch äußerte sich auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Ein Teil des Tankrabatts sei „vielleicht auch dazu genutzt worden, Rekordgewinne einzufahren“, sagte die vzbv-Mobilitätsexpertin Marion Jungbluth. „Das heißt, die Unternehmen hätten jetzt auch die Möglichkeit, den Tankrabatt langsam auslaufen zu lassen und die Spritpreise nicht ganz so krass ansteigen zu lassen.“ Sie forderte, dass das Bundeskartellamt kontrollieren müsse, wie sich die Spritpreise entwickeln.

Wie bewertet das Bundeskartellamt die Preisentwicklung an den Tankstellen?

Ebenso wie der ADAC sehr kritisch. Es gebe in der Branche nur relativ wenige Unternehmen und vielfach seien sie vom Bohrloch bis zur Tankstelle aktiv, was ihnen bei der Preissetzung viele Möglichkeiten gebe, sagte Andreas Mundt, der Präsident der Wettbewerbsbehörde. Er kündigte für die Zeit nach dem Wegfall der Steuerermäßigung an: „Wir werden weiter ganz genau hinsehen wie sich die Preise entwickeln und was passiert.“ Bereits im März hatte das Kartellamt angekündigt, die Branche insgesamt genauer unter die Lupe zu nehmen. Erste Ergebnisse der Untersuchung will die Behörde im Herbst vorlegen. Allerdings sei nicht jede Preiserhöhung ein Fall für die Wettbewerbshüter, so Mundt. „Einfach nur hohe Preise sind für uns nicht notwendigerweise ein Grund zum Einschreiten. Wir brauchen einen missbräuchlich überhöhten Preis.“

Kommt ein neuer Tankrabatt?

Nichts deutet darauf hin. Die Steuersenkung gilt als Fehlschlag. Selbst der ADAC fordert keine Fortsetzung. Branchen wie die Logistik, die unter hohen Energiepreisen leiden, weinen dem Rabatt ebenfalls keine Träne nach. „Der Tankrabatt hat uns nicht weitergeholfen“, heißt es beim Branchenverband BGL. Die nun wieder gestiegenen Spritpreise für Lkw seien aber eine zusätzliche Belastung, die für die Firmen kaum zu kompensieren sei.