Hamburg. Super E10 und Diesel sind zuletzt spürbar billiger geworden. Doch mit dem Tankrabatt hat das wenig zu tun. Die wirklichen Gründe.
An Diesel-Preise oberhalb von 2 Euro pro Liter hatten sich Hamburgs Autofahrer seit dem Frühjahr fast schon gewöhnt. Auch der seit Anfang Juni geltende Tankrabatt änderte daran kaum etwas. Erst in den vergangenen beiden Wochen sind an den Preistafeln der Tankstellen der Hansestadt wieder meist Zahlen mit einer Eins vor dem Komma zu sehen – und Super E10 konnte man zuletzt im Schnitt sogar wieder für weniger als 1,80 Euro je Liter tanken.
Zeigt die noch bis Ende August geltende Senkung der Energiesteuer mit Verzögerung also doch Wirkung? Haben sich die Mineralölkonzerne einen Teil des Rabatts in die Tasche gesteckt? Warum sinken die Benzinpreise, obwohl der Euro so schwach ist? Und wie geht es mit dem Ölpreis weiter? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu diesem Themenkomplex.
Benzinpreise Hamburg: Hat der Tankrabatt für die Verbraucher etwas gebracht?
Beim Benzin hat die Bundesregierung die Steuern um insgesamt 35 Cent je Liter gesenkt, beim Diesel um knapp 17 Cent. Doch während Diesel in Hamburg am Tag vor Inkrafttreten des Tankrabatts im Durchschnitt 2,055 Euro kostete, musste man Mitte Juni sogar mehr als 2,08 Euro dafür bezahlen. Verbraucherfreundlicher sah es bei Super E10 aus. Hier lag der Preis am 31. Mai noch bei 2,174 Euro, im Juni dann wochenlang oberhalb von 1,90 Euro – von einer Ermäßigung um 35 Cent konnte allerdings keine Rede sein. „Der Tankrabatt ist bei den Verbrauchern nur teilweise angekommen“, urteilt Andreas Hölzel, Benzinpreis-Experte beim Automobilclub ADAC.
Vergleicht man die Preise in verschiedenen europäischen Ländern, zeigt sich aber doch ein deutlicher Effekt. Während Benzin in Deutschland noch im April viel teurer war als etwa in Österreich, Frankreich, Italien und Großbritannien, hat sich dies im Juli umgedreht: In allen diesen Ländern bezahlt man für Benzin nun wesentlich mehr als in Deutschland.
Haben sich die Ölmultis am Tankrabatt bereichert?
Zunächst einmal fällt auf, dass vor allem beim Super-Benzin der Preis in den Tagen vor der Steuersenkung noch einmal kräftig angezogen hat. Nach Auffassung von Hölzel war der Benzinpreis in Relation zu den Mineralöl-Notierungen monatelang „um bis zu 25 Cent pro Liter überhöht“, erst jüngst habe sich das etwas gelegt. „Darauf ist auch das Bundeskartellamt aufmerksam geworden“, so Hölzel. Die Behörde hatte bereits Mitte April eine „Untersuchung der Raffinerie- und Großhandelsebene“ eingeleitet. „Man hört aus der Branche, dass sich das Kraftstoffgeschäft durch den Tankrabatt belebt hat“, sagt Kai Eckert, Chefredakteur des Energie Informationsdienstes (EID) aus Hamburg – die Bundesregierung hätte damit also selbst für höhere Nachfrage gesorgt.
Eckert beobachtet aber auch: „Die Raffineriemargen steigen seit Jahresbeginn auf immer neue Rekordwerte.“ Dies könne die großen Mineralölkonzerne gegenüber dem Bundeskartellamt „in Erklärungsnot bringen“. Allerdings würden mehr als 50 Prozent der Tankstellen in Deutschland von mittelständischen Unternehmen ohne eigene Raffinerie betrieben.
Warum ist Diesel nun deutlich teurer als Super-Benzin?
Dass Diesel teurer verkauft wird als Super-Benzin, war in Deutschland bisher sehr ungewöhnlich: Im Mai 2008 kostete Diesel laut einer wöchentlichen Erhebung des ADAC erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik mehr als Super, wenn auch nur ein Zehntel Cent. Wie Eckert erklärt, liegt es maßgeblich am Ukraine-Krieg, dass höhere Dieselpreise seit einigen Monaten zur Normalität geworden sind: „Früher wurden bis zu 15 Prozent des in Deutschland benötigten Diesels aus Russland importiert“, sagt er, seit März kauften die Händler aber nicht mehr bei russischen Lieferanten ein.
Traditionell rückten die Preise von Diesel und Benzin zudem stets im Winter näher aneinander, weil die Raffinerien dann auch das mit Diesel chemisch gesehen eng verwandte Heizöl produzieren. „In diesem Jahr haben wir aber auch über den Sommer eine hohe Heizölnachfrage, weil die Menschen verunsichert sind“, erklärt Eckert.
Wie teuer sind Benzin und Diesel in Hamburg im Bundesländer-Vergleich?
Noch vor einigen Monaten war es häufig besonders günstig, in Hamburg zu tanken. Inzwischen ist das nicht mehr so. Sowohl bei Super E10 als auch beim Diesel lag die Hansestadt im Juli nach Angaben des ADAC im Bundesländer-Vergleich im Mittelfeld. Eher teuer sind die Kraftstoffe demnach in Bayern und in Bremen, während man im Saarland und in Berlin am wenigsten zahlt.
Warum ist Kraftstoff trotz der Euro-Schwäche zuletzt günstiger geworden?
So billig ist der Euro schon lange nicht mehr gewesen: Im Juli ist die europäische Gemeinschaftswährung erstmals seit Dezember 2002 wieder auf die Marke von einem Dollar abgerutscht. Der schwache Euro macht Importe von Gütern, die in Dollar gehandelt werden – so wie Öl – also tendenziell teurer. Dennoch haben sich Diesel und Benzin an den deutschen Tankstellen im zurückliegenden Monat tendenziell verbilligt.
Allerdings ist der Ölpreis auf Dollar-Basis im Juli deutlich gegenüber dem Vormonat gesunken und Benzin ist auch in den USA im Juli spürbar günstiger geworden. „Der Euro-Dollar-Kurs spielt für den Benzinpreis an den deutschen Tankstellen nur eine kleinere Rolle“, sagt Hölzel.
Wie werden sich Öl- und Benzinpreise voraussichtlich weiter entwickeln?
Nach Angaben der Energiemarktexperten der Hamburg Commercial Bank weisen die Terminkontrakte „auf einen weiteren deutlichen Rückgang der Ölpreise hin“. Weil die Händler offensichtlich zunehmend eine Rezession oder zumindest eine deutliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums einpreisen, liege der Terminkurs für ein Barrel (159 Liter) Rohöl in vier Monaten rund zehn Dollar niedriger als der Terminkurs für den nächsten Monat.
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Auch die US-Energiebehörde EIA erwartet, dass der Jahresdurchschnittspreis von Öl der Nordseesorte Brent von 104,05 Dollar je Barrel in diesem Jahr auf 93,75 Dollar im Jahr 2023 sinkt. Die Preise für Benzin und Diesel werden nach Einschätzung der EIA im wichtigsten Verbraucherland ebenfalls zurückgehen, aber weniger deutlich als die Rohöl-Notierungen.
Benzinpreise Hamburg: Wird der Tankrabatt über den August hinaus verlängert?
Dazu gibt es unter Spitzenpolitikern gegensätzliche Positionen. „Der Tankrabatt muss über den kompletten Winter verlängert werden“, forderte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kürzlich in der „Bild am Sonntag“. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hingegen sprach sich gegen eine Anschlussregelung ab September aus. „Wir können nicht auf Dauer gestiegene Preise für das importierte Öl, die Entwicklung des Dollar und die Knappheiten bei Raffinerien mit Staatsgeld ausgleichen“, so Lindner.