Hamburg. Diverse Versicherungen bieten Tarife an, die mit mit zu 30 Prozent Rabatt werben. Wie diese funktionieren, was die Nachteile sind.

Mit jeder Autofahrt spart der Hamburger Fotograf Tobias B. bares Geld. Sein Versicherer ADAC bewertet seinen Fahrstil. „Meist bekomme ich eine Goldmedaille, man muss schon sehr schlecht fahren, um überhaupt keine Medaille zu erhalten“, sagt er. „Das habe ich noch nicht geschafft.“

Aus den Fahrten des Monats wird dann noch eine Gesamtwertung erstellt, ebenfalls in Medaillenform: Gold, Silber oder Bronze. „Bisher habe ich mir schon 20 Prozent Ersparnis erfahren, ich denke, ich werde auch 30 Prozent schaffen“, sagt B. Nach Angaben des ADAC reichen neun Monate mit jeweils einer Goldmedaille aus, um die maximale Ersparnis von 30 Prozent auf die Kfz-Versicherung zu bekommen.

Autoversicherung: Telematik-Tarife können sich lohnen

Wenn Versicherer meist mittels einer App auf dem Mobiltelefon den Fahrstil ihrer Kunden bewerten spricht man von Telematik-Tarifen, die inzwischen von acht Versicherern angeboten werden. Noch ist das ein Nischenmarkt, aber Allianz und HUK-Coburg können bereits auf jeweils mehrere hunderttausend Kunden verweisen.

Wie funktionieren Telematik-Tarife? Welche Ersparnis ist möglich? Welche Parameter der Fahrten werden überwacht? Kann nachträglich der Versicherungsbeitrag steigen? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie funktionieren Telematik-Tarife?

Die meisten Anbieter setzen auf eine App, die auf dem Smartphone des Fahrers installiert wird, und einen Sensor, der die Fahrt aufzeichnet und der leicht im Auto ohne Werkstattbesuch montiert werden kann. Nur Ergo und LVM nutzen ausschließlich eine App. Für die Nutzung des Telematik-Tarifs gibt es unterschiedliche Voraussetzungen. Bei der LVM ist eine Fahraufzeichnung von mindestens 250 Kilometern pro Quartal notwendig.

Die Ergo erwartet eine Mindestfahrleistung von 5000 Kilometern im Jahr, ebenso die DEVK. Bei der Versicherungskammer Bayern reichen 1000 Kilometer im Jahr. Bei der Allianz müssen grundsätzlich alle Fahrten aufgezeichnet werden. Je länger eine Fahrt dauert, umso größer ist ihr Einfluss auf die Tageswertung. Voraussetzung für eine Monatswertung sind mindestens zehn Tageswertungen im jeweiligen Monat. Das gilt auch für den ADAC-Tarif. Einzige Ausnahme ist der erste Monat nach Abschluss des Vertrages.

Wie werden die Fahrten bewertet?

Die Versicherer bewerten das Fahrverhalten individuell und ermitteln daraus einen Score. Beispiel ADAC-Tarif: „Zur Ermittlung des Extra-Bonus werden Bremsverhalten, Beschleunigungsverhalten, Kurvenverhalten, Geschwindigkeit und Routenkriterien herangezogen“, sagt ein Sprecher der ADAC-Versicherung. Routenkriterien seien Wochentag und Tageszeit sowie die Straßenart innerorts, Landstraße oder Autobahn. Den höchsten Einfluss hat das Bremsverhalten mit 30 Prozent. Die Beschleunigungsvorgänge, das Kurvenfahrverhalten und die Routenkriterien werden jeweils mit 20 Prozent bewertet, die Geschwindigkeit mit zehn Prozent.

Bei der DEVK kann man schon viel erreichen, wenn man während der Fahrt trotz Freisprecheinrichtung nicht telefoniert. Denn der Handyverzicht geht mit 30 Prozent in die Wertung ein. Auch bei Ergo und LVM ist das ein Kriterium für die Fahrtbewertung. Die Kriterien bei der DEVK sind das Kurvenverhalten (15 Prozent), Geschwindigkeit (20 Prozent), Beschleunigung (15 Prozent), Bremsvorgänge (15 Prozent) und Tageszeit (5 Prozent). Ähnliche Kriterien gibt es auch bei der Versicherungskammer Bayern. Insgesamt wird vorausschauendes und risikoarmes Fahren von den Versicherern belohnt.

Telematik-Tarife: Profitiere ich gleich nach Vertragsabschluss?

Unabhängig vom Fahrstil profitieren die Telematik-Kunden bereits im ersten Jahr von einem günstigeren Beitrag, da die Versicherungen einen Start-Bonus zwischen fünf (HUK-Coburg) und 30 Prozent (Versicherungskammer Bayern) bieten. Im zweiten Jahr richtet sich dann der Tarif nach dem individuellen Fahrverhalten. Bei der Ergo gibt es einen dauerhaften Nachlass von zehn Prozent.

Alle Anbieter schließen aus, dass der Versicherungsbeitrag nachträglich durch einen schlechten Fahrstil höher ausfällt als zunächst vereinbart. Wer erst einmal nur sehen möchte, wie sein Fahrstil bewertet wird, kann das bei der ADAC-Autoversicherung, der Allianz und der DEVK auch ohne festen Versicherungsvertrag ausprobieren.

Welche Ersparnis ist möglich?

Für den Vergleich hat das Abendblatt eine 20 Jahre alte Fahrerin aus Hamburg auf die Strecke geschickt, die jährlich 9000 Kilometer zurücklegt und ihren Fiat 500 auf der Straße parkt (siehe Tabelle). Auch ohne Berücksichtigung des Telematik-Tarifs gibt es große Preisunterschiede in den Tarifen für junge Fahrer, die von rund 575 Euro (VHV) im Jahr bis zu 900 Euro (DEVK) reichen. Der Vergleich zeigt zudem, dass die Höhe der möglichen Einsparung des Telematik-Tarifs nicht von der Höhe des Rabatts abhängt. So bewegen sich die Tarife der Versicherungskammer Bayern und ihrer Konzerngesellschaften mit Einsparungsmöglichkeiten von bis zu 45 Prozent nur im Mittelfeld.

Die günstigsten Tarife für die junge Fahrerin bei optimalem Fahrstil kommen von VHV, HUK-Coburg und ADAC. Bis zu 220 Euro im Jahr kann sie bei diesen drei günstigen Anbietern einsparen (s. Tabelle). Nicht jeder wird allerdings die maximale Ersparnis erreichen. Eine junge Fahrerin der Stiftung Warentest erreichte in den vergangenen fünf Jahren Einsparungen zwischen acht und 25 Prozent. Die Stiftung verweist in einem Test darauf, dass sich einige Parameter des Fahrverhaltens je nach Lebenssituation nur schwer beeinflussen lassen.

„Wer nachts arbeitet, kann Nachtfahrten kaum vermeiden. Wer im Stadtzentrum wohnt und parkt, muss sich zwangsläufig durch den Stadtverkehr kämpfen“, heißt es in dem Test. „Ständiges abruptes Bremsen und schnelles Beschleunigen in Situationen mit hohem Verkehrsaufkommen, wirken sich negativ auf den Fahrwert aus“, sagt dazu HUK-Coburg-Sprecher Holger Brendel.

Autoversicherung: Wer kann Telematik-Tarife nutzen?

Ursprünglich wurden sie für junge Fahrer entwickelt, die sehr hohe Versicherungsbeiträge bezahlen müssen. Denn das Unfallrisiko von Fahranfängern zwischen 18 und 20 Jahren ist nach Angaben des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft fünfmal höher als das von Fahrern im Alter zwischen 45 und 67 Jahren.

Aber nutzt man Telematik, überlegt man sich zweimal, ob man mit einem forschen Fahrstil seinen Freunden imponieren will und damit Punkte aufs Spiel setzt. Da nur wenige Anbieter (Ergo, LVM und Versicherungskammer Bayern) die Nutzung auf ein Höchstalter begrenzen, können auch ältere Fahrer die Telematik-Tarife nutzen.

Welche Erkenntnisse bringen Telematik-Tarife?

Eine klare Tendenz sei bei der Verkehrssicherheit zu erkennen, sagt HUK-Coburg-Sprecher Brendel. Die Versicherung hat 450.000-Telematik-Kunden. „So haben Fahrer mit schlechtem Punktestand eine um ein Vielfaches höhere Unfallwahrscheinlichkeit als andere Fahrer.“

In Zeiten hoher Kraftstoffpreise gibt es noch einen anderen Effekt: „Durch eine vorausschauende und angepasste Fahrweise wird aber nicht nur Versicherungsbeitrag gespart, sondern auch weniger Sprit verbraucht und damit weniger Feinstaub verursacht“, sagt Brendel. So hätten Berechnungen, die mit Tests validiert wurden, ergeben, dass Fahrer mit niedrigem Punktestand zehn Prozent mehr Sprit verbrauchten als solche mit hoher Einstufung.

Autoversicherung: Wie steht es bei Telematik-Tarifen um den Datenschutz?

Ob man sich während der Autofahrt von seinem Versicherer überwachen lassen will, muss jeder selbst entscheiden. Doch auch ohne Telematik-Vertrag werden in einem modernen Auto jede Menge Daten wie Fahrstrecken, Maximaldrehzahl des Motors, Zahl der Gurtstraffungen auf Grund starken Bremsens oder Verstellvorgänge des Fahrersitzes (erlaubt Rückschlüsse auf die Zahl der Fahrer) gesammelt, wie eine Erhebung des ADAC zeigt. Allerdings wissen die Autofahrer nicht, welche Daten der Hersteller sammelt und haben auch keinen Zugriff darauf. Erkenntnisse über eine missbräuchliche Verwendung der Kundendaten durch die Versicherer jenseits der für die Telematik notwendigen liegen der Stiftung Warentest nicht vor.

Allerdings wurden nur den Tarifen von Allianz, HUK-Coburg und LVM nur geringe Mängel in der Datenschutzerklärung bescheinigt. Die anderen Anbieter haben deutliche Mängel. So klären manche Versicherer nur unzureichend darüber auf, „nach welcher Logik sie die erfassten Daten auswerten, um die automatische Entscheidungsfindung zum Score-Wert in Gang zu setzen“, heißt es bei Stiftung Warentest.