Hamburg. Der Flughafen zieht Bilanz nach dem Start in die Sommerferien. Bundespolizei verlängert Einsatz der Krisenreaktionskräfte.

Ingrid Krause hat sich bestens auf ihre Reise vorbereitet. „Ich habe gestern direkt beim Flughafen angerufen, weil ich gehört habe, manche Leute kommen vier Stunden vorher hierher“, sagt die Hamburgerin. Doch die Mitarbeiter hätten sie beruhigt. Zwei bis 2,5 Stunden vor Abflug reiche völlig. Nun steht sie am Donnerstag zusammen mit ihrer Tochter Meena Si Mohamed und den grünen Koffern am Ende der übersichtlichen Schlange des Check-ins in Terminal 1. Es ist 9.33 Uhr, ihr Condor-Flieger nach Fuerteventura soll um 11.35 Uhr abheben.

Neun Nächte wollen sie auf der Kanaren-Insel verbringen, sagt Krause, die in Absprache mit ihren Arbeitskollegen gleich am ersten Tag der Hamburger Sommerferien in den Urlaub startet: „Zu unserer Abflugzeit ist es ganz relaxed.“

Flughafen Hamburg: „Ich hatte ein bisschen Angst“

Das stellt ein paar Meter weiter auch die Mutter von Moritz fest. Mit der Oma soll der Achtjährige zu seinem Vater für zwei Wochen nach Frankreich fliegen. Die Maschine geht aber erst um 14.45 Uhr – also in fünf Stunden. „Ich hatte ein bisschen Angst“, sagt Martina, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, und lacht. Die Berichte über die langen Wartezeiten hätten sie verunsichert, auch wenn sie eine Verbesserung der Lage erwartet habe.

Denise Bliesener fliegt für eine gute Woche nach Mallorca.
Denise Bliesener fliegt für eine gute Woche nach Mallorca. © Unbekannt | Roland Magunia/Funke Foto Services

„Das ist hier richtig entspannend“, sagt sie nun erleichtert. Ihren Sohn wird sie gleich in die Obhut der Großmutter geben. Und für Moritz dürfte es ein langer Tag werden. Nach Zwischenlandung in Paris geht es nach Marseille weiter, in der Nähe der Mittelmeerstadt lebt sein Vater – und der Junge freut sich, ihn wiederzusehen. Etwa um 19 Uhr soll er in Marseille landen.

Lange Schlangen am frühen Morgen

Dass die Sorgen seiner Mutter nicht ganz unbegründet sind, erleben viele Passagiere am frühen Morgen. Bis 4.15 Uhr lag die Wartezeit vor der Sicherheitskon­trolle bei bis zu 60 Minuten, so die Bundespolizei. Der dafür zuständige Dienstleister FraSec meldet wie so viele Firmen Personalmangel. Während der Corona-Krise wurden Jobs gestrichen, oder die Mitarbeiter verließen die Luftfahrt freiwillig. Nun kommt der große Passagierzuwachs für die Branche offenbar überraschend. Bis 5.40 Uhr betrug die Wartezeit sogar 90 Minuten. Der Grund fürs Gedränge: Allein in den ersten 1,5 Stunden nach Beginn der regulären Betriebszeit um 6 Uhr waren 26 Abflüge angesetzt.

Die Spitzenbelastungen lägen teilweise höher als zur Vor-Corona-Zeit, so der Flughafen. Im weiteren Tagesverlauf beruhigt sich die Lage. „Der Ferienstart läuft aus unserer Sicht gut“, sagt Airport-Sprecherin Katja Bromm und lobt die Passagiere. Sie seien gut vorbereitet und hätten viel Verständnis für die Mitarbeiter. „Ich weiß von niemandem, der seinen Flug verpasst hat“, sagt Bromm. Insgesamt sollen am Donnerstag je 148 Starts und Landungen stattfinden, teilweise mit einiger Verspätung wie der Condor-Flieger nach Fuerteventura, der rund eine Stunde zu spät abhebt. Rund 37.000 Passagiere werden an dem Tag erwartet.

FraSec schickte für die Sommerferien mehr Personal

Eine von ihnen ist Denise Bliesener. Kurz nach 12 Uhr will sie mit Eurowings nach Mallorca abheben. „Ich bin viel zu früh“, sagt die Hamburgerin. Nun rollt sie ihren Koffer deutlich vor zehn Uhr zum Gepäckaufgabeautomaten. Wenn sie früher als Geschäftsreisende unterwegs war, sei sie eine halbe Stunde vorher am Flughafen gewesen. Das gehe nicht mehr. „Jetzt ist es schon ein bisschen aufwendiger. Ich beschwere mich aber nicht“, sagt Bliesener und freut sich auf ihr Kind, das mit dem Papa auf die Baleareninsel nachkommt. Zwei, drei Tage arbeite sie dort aus dem Homeoffice, dann habe sie eine Woche richtig frei. Ihr kleines Handgepäckstück hat sie richtig gepackt. Die Flüssigkeiten sind in einem Beutel schon griffbereit. „Einmal raus und rein – alles fertig“, sagt Bliesener und lacht.

Vor den Kontrollstellen ist es am Donnerstagvormittag noch recht voll.
Vor den Kontrollstellen ist es am Donnerstagvormittag noch recht voll. © Unbekannt | Roland Magunia/Funke Foto Services

Der Weg zur Sicherheitskontrolle ist kurz. Eine Schlange vor den Scannern, an denen man seine Bordkarte vorzeigt, gibt es am Vormittag nicht. Nur direkt vor den Kontrollstellen, von denen die meisten geöffnet sind, stauen sich die Menschen. Bis 6.30 Uhr reduziert sich die Wartezeit auf 45 Minuten. Seitdem lägen sie bei weniger als 30 Minuten, heißt es am Mittag. Um die Lage zu verbessern, schickt FraSec für die Sommerferien 30 Luftsicherheitsassistenten von anderen Stationen nach Fuhlsbüttel.

Bundespolizei verlängert Einsatz

Zusätzlich setzt die Bundespolizei jeden Tag 15 bis 20 Beamte als Krisenreaktionskräfte ein. Diese Maßnahme war zunächst für eine Woche geplant und wird nun verlängert. „Auch in der kommenden Woche werden wir eine vergleichbare Anzahl Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei im Bereich der Luftsicherheitskontrolle einsetzen“, sagt Bundespolizei-Sprecher Marcus Henschel auf Anfrage dem Abendblatt.

Pianist Sebastian Knauer bringt seine Familie zum Flughafen.
Pianist Sebastian Knauer bringt seine Familie zum Flughafen. © Unbekannt | Roland Magunia/Funke Foto Services

Sebastian Knauer hat sich an der Sicherheitskontrolle gerade von Frau, Tochter und deren Freundin verabschiedet. Sie fliegen in den Familienurlaub nach Mallorca vor, er fliegt mit seinen Sohn am Montag nach. „Ich muss noch arbeiten“, sagt der klassische Konzertpianist, der wegen seines Jobs ein Vielflieger ist. Normalerweise. „Wenn es irgendwie geht, fahre ich tatsächlich nur noch mit dem Auto“, sagt Knauer. Rund 200 Tage im Jahr sei er unterwegs. Drei bis vier Stunden vor dem Abflug am Flughafen sein – wie es wegen personeller Engpässe und schlechter Organisation teilweise nötig sei – das ginge als Geschäftsreisender nicht, sagt Knauer und moniert, dass am Helmut-Schmidt-Flughafen die sogenannten Fastlanes geschlossen sind.

Fastlanes am Flughafen geschlossen

Diese schnellen Spuren bieten Vielfliegern normalerweise einen fixen Zugang in den Sicherheitsbereich. „Ich kenne eigentlich alle Flughäfen in Deutschland, europaweit und weltweit – das habe ich noch nie erlebt, dass die Fastlanes bis auf Weiteres geschlossen werden“, sagt Knauer. Der Flughafen verstehe wohl nicht, dass Businessfliegende nicht so viel Zeit hätten wie Urlauber. Auch ein bekannter Hamburger Geschäftsmann äußert per Mail diese Kritik, möchte aber nicht mit Namen genannt werden. Der Flughafen teilt mit, dass die beengten Kontrollkapazitäten allen Reisenden zur Verfügung stellen sollen. Daher sei dieser Schritt erfolgt. Knauer fliegt am Montag nach Mallorca übrigens ab Frankfurt, weil er beruflich in der Nähe zu tun hat.

Ihre Reise bereits hinter sich hat eine Etage tiefer auf der Ankunftsebene Ann-Christine Hindersmann. Sie klingelt mit einem Kind auf dem Arm und eines an der Hand an der Tür zur Gepäckermittlung. Von Philadelphia wollte sie mit ihrer Familie eigentlich über Frankfurt zurückfliegen, sagt die Hamburgerin: „Der Flug wurde Flug gestrichen. Dann sind wir über Newark und London nach Hamburg. Jetzt fehlt das Gepäck: vier Koffer und ein Maxi-Cosi.“ Und das seit einer Woche.

Flughafen Hamburg: Gepäck in vielen Fällen verschwunden

Sie gehört also zu den Tausenden betroffenen Passagieren, die vor allem bei Umsteigeverbindungen vom Verlust ihres Gepäcks berichten können. Nach kurzer Zeit wird ihr die Tür geöffnet. Eine Mitarbeiterin der Gepäckermittlung fragt sie, um welche Airline es gehe – British Airways. Dann wird sie hineingebeten. Die Mitarbeiter der zuständigen Firma seien allerdings noch nicht da, sagt die Frau, die die Tür geöffnet hat. Hindersmann muss warten.