Hamburg. Mit First A kommt neuer Anbieter nach Hamburg. Die Konkurrenz ist groß – und etablierte Apotheken sehen die Entwicklung kritisch.

Florian Swoboda ist als Sohn eines Ärzteehepaars aufgewachsen. Doch statt ebenfalls Medizin zu studieren, zog es den gebürtigen Würzburger an die renommierte Wirtschaftsuniversität WHU bei Koblenz. Noch im Studium gründete er sein erstes Unternehmen. Und jetzt hat der junge Mann gerade seine dritte Firma First A verkauft: an Shop Apotheke, einen der großen Online-Arzneimittelhändler. Denn, und hier schließt sich der Kreis – Florian Swoboda hat einen Lieferservice für Medikamente aufgezogen – ist also beim Thema Gesundheit zu den elterlichen Wurzeln zurückgekehrt.

First A bietet seine Dienste jetzt auch in Hamburg an, wie es bereits einige Konkurrenten wie Cure und Mayd tun. „Wir wollen den Kunden, die noch schnell ein Mittel gegen Halsschmerzen brauchen, auch hier das Produkt an die Haustür liefern, sie müssen nicht krank in die Apotheke“, sagt Swoboda beim kurzen Besuch in Hamburg, denn der Sitz seiner Firma ist in Berlin. Der 33-Jährige wohnt am Prenzlauer Berg und lobt die bestens vernetzte Start-up-Szene in der Hauptstadt.

Bringdienste: Medikamente per Radkurier

Zum Markteintritt sind in der Hansestadt 15 Fahrerinnen und Fahrer für First A unterwegs. Wie Anita Lober, die mit dem von der Firma gestellten Elektrofahrrad, einer leuchtend roten Jacke und einem großen Rucksack zu den Kunden radelt, für mehr als 12 Euro die Stunde, versichert Swoboda, der die Mitarbeiter unter Studenten, Kurierfahrern oder Beschäftigten anderer Bringdienste findet. „Medikamente sind leicht, unsere Fahrer müssen nicht so schwere Kisten schleppen wie zum Beispiel bei Getränken“, sagt der Gründer mit Blick auf Dienste, die Haushalte mit Tomaten, Tiefkühlpizza und Limonade versorgen. Die ganze Branche ist seit der Pandemie auf Wachstumskurs, die Nachfrage nach Lieferangeboten mit kurzer Wartezeit steigt rasant.

Das Liefergebiet von First A umfasst große Teile Hamburgs, von der Innenstadt bis Ottensen im Westen, im Süden bis Hammerbrook, östlich der Alster werden auch Haushalte in Eilbek oder Hamm versorgt. Der Service ist Montag bis Sonnabend zwischen 8 Uhr morgens und 18.45 Uhr verfügbar, heißt es von First A. Der Anbieter kooperiert mit örtlichen Apotheken, bisher etwa mit der Antares Apotheke, die First A als Verkaufsplattform für ihre Produkte nutzen und einen niedrigen zweistelligen Prozentsatz vom Umsatz an den Betreiber abgeben müssen.

First A: Medikamente per App bestellen

Zugleich berechnet der Dienst den Kunden eine Gebühr von 1,80 Euro pro Lieferung. Um die Fahrradkuriere zur eigenen Wohnung zu bestellen, müssen Nutzerinnen die gleichnamige App von einem der gängigen App-Dienste herunterladen und können sich dann die gewünschten apothekenpflichtigen Arzneimittel und Drogerieprodukte liefern lassen. Die Medikamente sollen in 30 Minuten an der Haustür sein, verspricht das Unternehmen, das in Sachen Geschwindigkeit damit die eigenen Boten der Apotheken in der Regel übertrifft.

Diese hatten in der Pandemie ihre Dienste bereits kräftig ausgebaut. Wurden zuvor 300.000 Botendienste täglich von deutschen Apotheken geleistet, wuchs deren Zahl nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie zeitweise auf 450.000, sagte Christian Splett von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Vornehmlich beliefert werden von den Apotheken chronisch Kranke, dazu kommen Menschen, die zum Beispiel stärker in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, heißt es von der Apothekerkammer in Hamburg zu den wichtigsten Kunden der brancheneigenen Bringdienste.

Co-Gründer vom Lieferdienst Gorillas investiert

Swoboda sieht bei First A aber auch junge Familien als Zielgruppe: „Wenn ein Kind krank ist, muss man nicht noch raus, um den Hustensaft zu holen“, argumentiert der Unternehmer, der seine Firma Anfang 2021 gemeinsam mit Antonie Nissen und Leif Löhde gegründet hatte und schnell renommierte Unterstützer fand: Zu den Investoren gehören die Co-Gründer von Gorillas Felix Chrobog, Jörg Kattner und Ronny Shibley sowie Alexander Artopé von Smava.

Nach der Übernahme durch die derzeit marktführende Online-Marke Shop Apotheke verfolgt First A große Ziele. „Wir haben die Kräfte gebündelt, um europaweit das Medikamenten-Sofortlieferungs-Modell zu etablieren“, sagt Swoboda. Schon ein Jahr nach Gründung war First A in deutschen Großstädten wie Düsseldorf, Frankfurt und Stuttgart vertreten. Der Zusammenschluss mit der im SDAX notierten Shop Apotheke dürfte auch Folge des harten Wettbewerbs im Markt der Lieferanten von Arzneimitteln sein. Zum einen bieten Versandfirmen ihre Dienste an. Mit der niederländischen Shop Apotheke und der Schweizer Zur Rose Group – zu der DocMorris, Medpex und Apotal gehören – sind auch börsennotierte Unternehmen am Werk, die das Geschäft unbedingt dominieren wollen. Die Parfumkette Dou­glas stieg mit der Übernahme der Online-Apotheke Disapo kürzlich ebenfalls in den florierenden Markt ein.

Große Konkurrez ist DocMorris

Und schließlich sind diverse Firmen auch mit Fahrradkurieren im Segment wie First A aktiv. Mit DocMorris Express hat auch der zweitstärkste Online-Anbieter dieses Geschäftsmodell eingeführt – und auch viele der Neulinge im Schnellservice haben mächtige Geldgeber im
Rücken. So ist seit einigen Wochen auch Cure in Hamburg unterwegs, auf deren App Kundinnen und Kunden aus 3000 rezeptfreien Medizinprodukten ihren Einkauf zusammenstellen können. Das Team um die Gründer Manuel Aberle und Ali El-Ali wird unterstützt von einer Reihe von Investoren, allein die erste Finanzierungsrunde brachte vier Millionen Euro ein.

Mit viel Startgeld ist auch Mayd in der Branche unterwegs. Der Lieferdienst, der ebenfalls mit lokalen Apotheken zusammenarbeitet und in Hamburg, Berlin, München, Frankfurt am Main, Köln und Düsseldorf verfügbar ist, hat kürzlich noch einmal insgesamt 30 Millionen Euro von Investoren erhalten. Schon bald wird neue Bewegung in den Markt kommen: Sobald das elektronische Rezept in Deutschland einsatzfähig ist, wollen die Kuriere auch rezeptpflichtige Bestellungen mit Salben oder Säften liefern. Die Einführung des E-Rezepts für verschreibungspflichtige Präparate befindet sich bereits in der Testphase, es soll aber ab September in immer mehr Regionen online einlösbar sein.

Lieferdienst für Medikamente: Kritik von Apotheken

Vonseiten der etablierten Apotheken werden die neuen Dienste eher kritisch gesehen. Die konservative Branche nennt keine Partner der Start-ups, auch auf Abendblatt-Nachfrage wollen die kooperierenden Apotheken lieber nicht genannt werden. Und viele der etablierten Apotheker sehen auch Nachteile bei der Zusammenarbeit mit First A oder Cure: So muss nach deutschem Recht stets ein Apotheker die Bestellungen abarbeiten, das Lager muss die Lieferfähigkeit immer gewährleisten, zudem werden die Partner offenbar dazu angehalten, möglichst auch am Wochenende und bis in den späten Abend für die Boten verfügbar zu sein. Denn auf diese Weise schaffen sich die Dienste ein Alleinstellungsmerkmal.

Schließlich gilt es, nicht nur mit dem stationären Handel, sondern auch mit Versandhändlern wie DocMorris mitzuhalten. Diese Anbieter, die oft auf niedrige Preise setzen und Partner wie Hermes oder DHL für die Bestellungen nutzen, haben sich inzwischen hohe Marktanteile erarbeitet. Laut einer Befragung des Digitalverbands Bitkom stieg die Zahl der Verbraucherinnen, die ihre Tabletten online bestellen, von 2019 bis heute zunächst auf 46 und 2021 auf 62 Prozent. Und auch DocMorris und Co. erhoffen sich von den E-Rezepten einen Wachstumsschub.

Übrigens sind die Fahrradkuriere für Medikamente, anders als die Online-Apotheken, auf die deutschen Metropolen beschränkt. Ihr Radius erfasst nicht die Provinz, wo immer mehr Apotheken wegen Nachwuchsmangels aufgeben und viele Dörfer schon um die Versorgungssicherheit für Patienten bangen. Große Städte, mit dichter Besiedelung, stehen ganz klar im Fokus der Expansion. „Hier lohnen sich die Wege für die Fahrer eher, sie können Lieferungen bündeln“, begründet Florian Swoboda diese Strategie.

Der leidenschaftliche Skifahrer wird seinen Service in seiner Heimatstadt so schnell nicht anbieten, das müssen auch seine Eltern erfahren. „Immer wenn mein Vater in Berlin ist, macht er eine Probebestellung und testet unsere Firma“, erzählt der Sohn. Denn daheim in Würzburg ist das Kundenpotenzial trotz digitaler Routenoptimierung (noch) zu klein.