Hamburg. Käufern aus dem Umland, Shanghai oder Peking ersetzt der Video-Rundgang den Ortstermin. Nicht nur das wird ins Internet verlegt.
Der Kauf einer Immobilie ist für die meisten Menschen das größte Geschäft, das sie in ihrem Leben abschließen. Trotzdem gibt es Deutsche, die bereit wären, eine Wohnung zu kaufen, die sie nur virtuell besichtigt haben. Wie eine repräsentative Umfrage des Digitalverbands Bitkom kürzlich ergab, haben zwar erst vier Prozent der Befragten die Möglichkeit einer Besichtigung mittels Virtueller Realität (VR) wahrgenommen.
Aber 48 Prozent sind dafür offen – und mehr als ein Viertel (27 Prozent) von ihnen können sich sogar vorstellen, eine Immobilie zu mieten, die sie ausschließlich per VR gesehen haben. Jeder Zehnte würde sogar einen Immobilienkauf allein auf Basis einer VR-Besichtigung tätigen.
Immobilie in Hamburg kaufen nach Video-Rundgang?
Einfache Video-Rundgänge durch die Wohnung finden sich in den Online-Angeboten von Maklern zwar schon lange. Seit einigen Jahren nutzen aber auch Hamburger Immobilienvermittler eine verfeinerte Technik, bei der das Objekt gewissermaßen bis in jede Ecke abgefilmt wird und man die Blickrichtung beliebig wählen kann. Nach einer gewissen Aufbereitung lassen sich die so gewonnenen Bilder sogar mittels einer VR-Brille betrachten, was den räumlichen Eindruck deutlich verstärkt. Man kann sie sich aber auch auf dem Smartphone- oder Computerbildschirm ansehen.
„Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass diese Technik noch stärker in den Fokus gerückt ist“, sagt Annika Zarenko, Geschäftsführerin der Hamburger Maklergruppe Dahler & Company. „Heute bieten wir den virtuellen Rundgang für etwa 30 Prozent aller von uns vermittelten Immobilien an.“ So werde er im Vermietungsbereich sehr viel verwendet. „Besonders im Neubausektor nutzen wir VR-Brillen schon lange, wir waren einer der Vorreiter“, sagt Immobilienberater Dankmar Lund, ebenfalls von Dahler & Company.
Die Technik habe sich seitdem erheblich weiterentwickelt: „Als wir vor etwa zehn Jahren bei einem Objekt in Eppendorf damit begonnen haben, waren die Brillen noch verkabelt und recht umständlich in der Handhabung.“
Wird Immobilien-Besichtigung per VR-Brille Standard?
„Wir nutzen die VR-Besichtigung bei der Vermarktung von Neubauprojekten standardmäßig“, sagt Frank Stolz, Geschäftsführer Wohnen-Neubau bei Grossmann & Berger. Das zur Haspa-Gruppe gehörende Maklerunternehmen setze dafür unter anderem ein Produkt namens „Realtydesk“ ein, das ein „einmaliges Erlebnis“ für den Immobilienkunden schaffe und zunehmend unverzichtbar werde, um „zügige Vertriebserfolge“ bei noch nicht fertiggestellten Objekten sicherstellen zu können.
„Diese Software erlaubt eine Videokonferenz mit dem Kunden, der auch die Steuerung der Maus übernehmen und damit die Blickrichtung selbst bestimmen kann“, erklärt Stolz.
Mittlerweile hätten die VR-Besichtigungen „eine Qualität erreicht, bei der man manchmal nur an den Außenanlagen erkennen kann, dass es keine realen Bilder sind.“ Aber nicht nur die Besichtigung wird ins Internet verlegt: „Man kann eine Wohnung heute komplett digital kaufen, und das hat es bei uns auch schon gegeben“ – mit einer Einschränkung: Zum Notar müsse man nach deutschem Recht noch immer persönlich gehen. Für Stolz ist es nicht verwunderlich, dass sich die VR-Technologie gerade im Neubausektor so stark durchgesetzt hat: „In diesem Bereich kauft man seit jeher eine Vorstellung“, sagt er.
Immobilien-Käufer kommen aus Schanghai und Peking
Bei Dahler & Company macht man ähnliche Erfahrungen. „Kunden von uns aus Shanghai und Peking haben schon allein aufgrund von VR-Besichtigungen Neubauwohnungen in Hamburg gekauft“, so Lund. Für einen noch realistischeren Eindruck gehe die Kamera nun sogar in die Luft, wie Annika Zarenko erklärt: „Wir setzen inzwischen auch Drohnen ein, mit denen wir den Blick aus jedem Fenster jeder Etage schon lange vor der Fertigstellung visualisieren können.“
Doch die größte Herausforderung für die VR-Technologie bleibt der Verkauf von Bestandswohnungen. „Da ist die persönliche Besichtigung weiterhin der Königsweg“, sagt Stolz. Geschätzt werde das digitale Angebot allerdings von Kunden, die beruflich sehr stark eingebunden sind: „Der Vorteil von virtuellen 360-Grad-Rundgängen ist, dass man sich auch kurz während der Mittagspause einen ersten Eindruck von einer Wohnung verschaffen kann.“ Durch die Corona-Pandemie habe die Nutzung virtueller Besichtigungen noch einmal einen Schub bekommen.
Wohnungsbesichtigung per VR-Brille hat Grenzen
Stolz räumt jedoch ein, dass die Methode ihre Grenzen hat: „Manches lässt sich nur real vor Ort feststellen, wie etwa: Wie laut ist die Straße? Welchen Eindruck habe ich von der Nachbarschaft?“ Im Hinblick auf Bestandsobjekte äußert man sich auch bei Dahler & Company etwas verhaltener. „Dieses Verfahren hat seine Daseinsberechtigung, vor allem wenn es um einen ersten Eindruck geht“, findet Annika Zarenko. „Gerade bei Premium-Immobilien, auf die wir uns konzentrieren, kommt es allerdings auf Faktoren wie etwa die Deckenhöhe, das Raumgefühl und den Lichteinfall an, die durch einen 360-Grad-Rundgang nicht so gut vermittelt werden können.“
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Zudem gibt es eine technische Beschränkung. „Die Kunden haben diese VR-Brillen in der Regel nicht selbst, also stellen wir sie“, sagt Zarenko, „aber in der Pandemie war die Bereitschaft, geliehene Brillen aufzusetzen, nicht groß.“ Für Frank Stolz von Grossmann & Berger ist das jedoch kein großes Problem: „Man kann sich den Rundgang mit einer VR-Brille ansehen. Aber nach unserer Erfahrung bevorzugen die meisten Menschen den Monitor – das ist beeindruckend genug.“
Immobilien-Besichtigung mit digitalem "Homestaging"
Daneben gibt es einen eher psychologisch begründeten Vorbehalt auf der Seite der Immobilieneigentümer, der die Privatsphäre betrifft. „Für die Kunden ist es gefühlt diskreter, wenn ein Interessent real vor Ort besichtigt“, sagt Zarenko. „Aber wenn das vom Kunden so gewünscht wird, stellen wir einen virtuellen Rundgang nicht ins Internet, sondern geben den Link dazu nur exklusiv per Mail weiter. Außerdem kann man bestimmte Dinge wie wertvolle Kunstgegenstände oder das Regal mit den Familienfotos natürlich pixeln.“
Andererseits gibt es nicht nur die Möglichkeit, bestimmte Dinge zu entfernen, sie lassen sich auch nachträglich hinzufügen. „Bei einer virtuellen Besichtigung kann man das sogenannte digitale Homestaging einsetzen, man kann also die Möblierung und die Böden, wenn sie zum Beispiel nicht mehr zeitgemäß sind, durch eine beliebige andere Ausstattung ersetzen“, sagt Annika Zarenko – schließlich gebe es viele Menschen, die sich eine neue Wohnung nicht so leicht mit ihren persönlichen Möbeln vorstellen können. „Damit erleichtert die VR-Besichtigung auch uns das Leben.“