Hamburg. Discounterkette kooperiert mit regionalen Handwerksbetrieben. In diesen Hamburger Märkten ist der Verkauf schon gestartet.
Sie heißen Sonnenbatzen, Bauernvesper, Rosenbrötchen oder Apfelecke. Regelmäßige Kunden kennen das Angebot im Backwarenregal von Aldi Nord. Es gibt 30 Sorten Brot, Brötchen, süße und herzhafte Snacks, die den Tag über im Backautomaten fertig gebacken werden. Die Auswahl ist in jeder Filiale gleich und vor allem deutlich günstiger als beim Bäcker um die Ecke.
Da kann es schon für Irritationen sorgen, wenn plötzlich andere Brote hinter den Plexiglasscheiben liegen. Eine Kundin, die an diesem Morgen ihren Einkaufswagen durch eine Filiale der Discounterkette in Barmbek-Nord schiebt, muss zumindest erst einmal genau hingucken.
Aldi Nord bietet Brote von Bäcker Daube an
In einem Teil der Regalwand werden jetzt auch Schoko-Franzbrötchen, Buchweizenbrot und Landbrot der Hamburger Bäckerei Daube angeboten. „Traditionelles Bäckerhandwerk aus deiner Region“ preist ein Schild das neue Angebot, das allerdings auch andere Preise hat als das bisherige Sortiment.
Die Daubes verkaufen ihre Backwaren normalerweise in sieben mit viel Holz und Glas gestalteten Filialen. In ihren Verkaufstheken liegen bis zu 150 Produkte, vom kräftigem Vollkornbrot bis zu feinem Kuchen. Dazu kommen drei Marktwagen, mit denen sie vor allem im Osten der Stadt unterwegs sind, und die Belieferung von Hotels, Gastronomie und Seniorenheimen. Eine Familienbäckerei mit mehr als 130 Jahren Tradition und 82 Mitarbeitern. Dass Katharina und Frank Daube jetzt mit Aldi im Geschäft sind, ist ganz neu.
Dass die Traditionsbäckerei mit Aldi kooperiert ist neu
Als Erste in der Hansestadt haben sie eine Kooperation mit der Discounterkette geschlossen. In sechs Märkten zwischen Sasel und Lohbrügge gibt es frisch Gebackenes aus der Backstube in Barsbüttel, sieben verschiedene Brote, Apfeltaschen und Franzbrötchen mit Schoko – aber keine Brötchen. „Für uns ist es ein weiterer Absatzweg“, sagt Katharina Daube, die auch Obermeisterin der Hamburger Bäckerinnung ist, beim Ortstermin in der Aldi-Filiale an der Bramfelder Straße. „So erreichen wir Kunden, die sonst nicht in unsere Fachgeschäfte kommen würden.“
Die Zusammenarbeit zwischen dem Discountriesen und den lokalen Handwerksbetrieben ist ein Strategiewechsel – und ein Experiment. „Wir kommen damit den Kundenwünschen nach mehr Regionalität beim Einkauf nach“, sagt Tim Lüers, Verkaufsleiter bei der Aldi-Regionalgesellschaft in Bargeheide, zu der 58 der 90 Hamburger Aldi-Märkte gehören.
Insgesamt 30 Bäcker arbeiten bislang mit Aldi zusammen
„Zudem wird der Einkauf für unsere Kundinnen und Kunden einfacher, weil kein weiterer Zwischenstopp bei einem Bäcker eingelegt werden muss.“ Nach einer mehrmonatigen Testphase gibt es im Geschäftsgebiet von Aldi Nord seit Kurzem an mehr als 560 Standorten regionales Bäckerbrot. „30 Betriebe kooperieren bereits mit uns“, heißt es aus der Unternehmenszentrale in Essen.
Das ist ein erster Schritt. Geplant ist, das neue Konzept auszuweiten und in allen der insgesamt 2250 Märkte anzubieten. Dafür tauscht das Unternehmen im Schnitt etwa zehn Produkte aus dem eigenen Backwaren-Sortiment durch die Produkte der ortsansässigen Bäckereien aus. In Hamburg startet mit der Mühlenbäckerei Schmacke aus Buxtehude ein zweiter Partner. Zunächst beliefert der Betrieb je zwei Filialen in Buxtehude und Neu Wulmstorf. Am 20. Juni kommen drei Märkte im Süden von Hamburg dazu.
Neue Preise für Aldi-Kunden
„Die Resonanz ist positiv. Vor allem die Schoko-Franzbrötchen sind ein Renner“, sagt Aldi-Regionalverkaufsleiterin Judith Neuberger, die für die Filiale an der Bramfelder Straße zuständig ist. Seit Mitte Mai liegen Daube-Backwaren dort im Regal, deutlich erkennbar durch rote Preisschilder mit dem Firmenlogo. Allerdings müssten sich die Kunden noch an das neue Angebot gewöhnen, sagt sie und meint damit vor allem die Preise.
Ein Schoko-Croissant von Daube kostet – für eine Bäckerei marktübliche – 1,69 Euro, das Landbrot mit 1250 Gramm 5,39 Euro und das mit Traubenkernöl gebackene 500 Gramm schwere Fitberry schlägt mit 3,69 Euro zu Buche. Zum Vergleich: Die Bauernvesper, ein Weizenmischbrot mit 500 Gramm Gewicht und das beliebteste Produkt aus dem Aldi-eigenen Aufbacksortiment, gibt es für 99 Cent. Das normale Franzbrötchen kostet 69 Cent.
- Zwölf-Millionen-Euro-Projekt: Famila kommt nach Barmstedt
- Hamburger Unverpackt-Läden in Existenznot
- Wie man jetzt beim Kauf von Lebensmitteln sparen kann
Wie sich die große Preisspanne im Backwaren-Regal auf Dauer bei den Kunden auswirkt, muss sich zeigen. Die Daubes sind erst mal zufrieden mit dem Start der Kooperation. „Uns ist wichtig, dass unsere Produkte nicht unter Wert verkauft werden“, sagt Frank Daube. „Die Preise, die wir erzielen, sind faire Preise. Dumpingpreise kommen für uns nicht infrage“, so der Bäckermeister.
Preisunterschied zwischen Aldi und Bäckerei
In der Regel werden die Daube-Backwaren bei Aldi allerdings minimal günstiger angeboten als in den eigenen Filialen. Begründet wird das mit dem Wegfall von Serviceleistungen des Personals beim Verkauf. Beim Schoko-Franzbrötchen etwa liegt die Differenz bei einem Cent, genau wie beim Fitberry oder beim Buchweizenbrot.
Beim Landbrot sind es elf Cent. Die Verhandlungen mit dem Discounter liefen auf Augenhöhe, lobt das Unternehmerpaar. „Wir schaffen das zusätzliche Geschäft mit dem vorhandenen Personal. Das ist eine wichtige Voraussetzung, weil der Fachkräftemarkt besonders im Verkauf leer ist“, sagt Katharina Daube. Um die Aldi-Backwaren-Regale zu bestücken, werden etwa 17 Prozent mehr Brot und Backwaren in Barsbüttel produziert. Was nicht verkauft wird, geht zurück an die Bäckerei und dann in die Futtermittelverwertung. Die Abrechnung erfolgt wochenweise. Über konkrete Zahlen wollen die Partner noch nicht sprechen.
Aldi-Nord-Strategie ist nichts für jede Hamburger Bäckerei
Es zeichnet sich allerdings schon ab, dass die veränderte Aldi-Strategie in der Branche unterschiedlich aufgenommen wird. Sie habe einige kontroverse Gespräche mit Kollegen gehabt, die das Image der Traditionsbäckereien bedroht sähen, sagt Obermeisterin Daube, die den elterlichen Betrieb 1996 übernommen hatte. „Es muss jeder Unternehmer selbst entscheiden, ob es passt.“ Eine Gefahr für die Handwerksbetriebe sieht sie nicht. „Das Discounterangebot ist ein Zusatzgeschäft. Wir werden deshalb keine Filialen schließen“, sagt sie und nennt die Kooperation eine „Win-win-Situation“.
Das ist offenbar nicht immer so. Auf Anfrage erklärte die Bäckerei Junge mit Sitz in Lübeck: „Nach einem Test mit Aldi haben wir uns entschlossen, die immer sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht fortzuführen und auch die Erfahrungen vertraulich zu behandeln.“
Aldi Nord ist aktuell massiv auf Werbetour für die Ausweitung der Kooperationen. Weitere Interessenten aus Hamburg hätten sich bereits gemeldet, heißt es. Namen werden allerdings nicht genannt. In dem Barmbeker Aldi-Markt greifen die meisten Kunden an diesem Morgen zu den bekannten Backwaren-Sorten. „Ich kaufe immer das Gleiche“, sagt eine Kundin und guckt dann doch noch mal in das Regal mit dem Angebot von Bäckerei Daube. Vielleicht beim nächsten Mal.