Hamburg. Der OMR-Podcast „Ohne Aktien wird schwer“ soll Geldanlagen unterhaltsam vermitteln. Produzent Noah Leidinger erzählt, wie das geht.

Seit gut einem Jahr ist Noah Leidinger Host von „Ohne Aktien wird schwer“. Vielleicht, weil der junge Österreicher so leidenschaftlich wird, wenn es um das Thema Wirtschaft geht? Ein Gespräch über Aktien, falsche Fragen, Philipp Westermeyer und den Podcast mit einem grammatikalisch katas­trophalen Titel.

Hamburger Abendblatt: Bevor wir mit dem Interview starten – eine Frage vorweg: du oder Sie?

Noah Leidinger: Auf jeden Fall du!

Wann hast du deine ersten Aktien gekauft?

Noah Leidinger: Ich glaube, da war ich 13 Jahre. Das war damals ein klassischer ETF-Sparplan, den ich mit 13 aufgesetzt habe: 50 EUR in MSCI World, 25 in MSCI Emerging Markets und 25 in einen Small Cap ETF, wenn ich mich richtig erinnere. Meine erste Einzelaktie habe ich 2016 gekauft – und zwar Bayer, nachdem die wegen der Monsanto-Übernahme so gefallen sind.

Wie bist du Host des Podcasts „Ohne Aktien wird schwer“ geworden?

Noah Leidinger: Ich verfolge den OMR-Podcast schon sehr lang. Seit Anfang an eigentlich höre ich ihn. Es gibt noch alte Kommentare von mir auf der Webseite. Da war ich 15 Jahre alt. Ich habe durch Zufall die Stellenausschreibung von OMR (Online Marketing Rockstars) gesehen und mich beworben. Eigentlich war das eine Redakteursstelle. Zuerst habe ich für den Podcast recherchiert, und Philipp war der Podcast-Host. Er fand meine Analysen dann anscheinend gut und fragte nach drei Monaten, ob ich mir vorstellen kann, den Podcast zu übernehmen. Im Juni 2021 war das. Und jetzt mache ich das seit fast einem Jahr als Host.

OMR-Podcast: Durch Zufall zum Traumjob

War das dein Traumjob?

Noah Leidinger: Im Nachhinein ist es mein Traumjob. Aber ich hatte nie das Ziel, Podcast-Host von „Ohne Aktien wird schwer“ zu werden. Wie gesagt, ich habe durch Zufall die Stellenanzeige von OMR gefunden, habe dann gesehen, dass das eigentlich genau das ist, was ich gern machen will.

Also Aktien waren schon vorher ein Thema?

Noah Leidinger: Ja, auf jeden Fall. Das ist die Grund­voraussetzung, um so etwas machen zu können. Da passiert so viel. Man muss da eigentlich 24/7 dran sein – teilweise auch am Wochenende – damit man alles mitbekommt und es für die Hörer jeden Tag auf zehn gehaltvolle Minuten komprimieren kann.

Also ohne Leidenschaft für das Thema geht es nicht?

Noah Leidinger: Ja, genau. Man merkt ja, ob ein Sprecher selbst begeistert ist. Und ich glaube, das ist ja auch das Konzept in unserem Podcast, dass wir da wirklich energisch sind, dass wir mit viel Leidenschaft das machen. Und ich glaube, das ist auch eines der großen Erfolgsgeheimnisse.

Hat Philipp dir eigentlich einmal erklärt, woher der Titel „Ohne Aktien wird schwer“ kommt? Grammatikalisch ist das ja eine Katastrophe.

Noah Leidinger: Es gibt tatsächlich eine Liste mit ganz vielen verrückten Titelideen. Und irgendwie hat sich das Team dann in einem Brainstorming dafür entschieden. Aber warum genau, das habe ich bislang nicht herausfinden können. Es gab aber schlechtere Vorschläge. Aber irgendwie passt der Titel doch ganz gut. Auch die Abkürzung „OAWS“ ist prägnant. Das hat sich durchgesetzt und kann man jetzt auch schwer ändern.

Wie sieht dein Alltag als Host aus?

Noah Leidinger: Wir starten vormittags mit der Recherche, lesen die verschiedenen Wirtschaftszeitungen und die wichtigen Internetseiten. Dann gibt es ein Redaktionsmeeting, und wir beginnen damit, die Themen zu recherchieren. Auch für eine Drei-Minuten-Story zu einer Firma muss man sich oft ein paar Stunden mit dem Unternehmen auseinandersetzen und die ­Hintergründe analysieren.

Lange Arbeitstage für das OMR-Podcast-Team

Der Rechercheprozess zieht sich über den ganzen Tag hin. Aufgenommen wird dann meist abends gegen 20 Uhr. Wenn Quartalszahlen der Konzerne in den USA kommen, nehmen wir erst um 22 Uhr auf. Danach wird das Ganze geschnitten. Wir hören den Podcast meist gegen Mitternacht noch einmal zur Abnahme an, und um 3 Uhr nachts geht er dann online.

Wie groß ist das Team von „Ohne Aktien wird schwer“?

Noah Leidinger: Es gibt drei Redakteure, einen Audio-­Produzenten, der den ganzen Schnitt macht, und es gibt einen Projektmanager, der alles koordiniert. Aber natürlich sind wir auch mit dem Rest von OMR eng vernetzt. Im Kern geht es ja überall um Digital Business. Ich arbeite zusätzlich auch für den OMR-Podcast und unterstütze Philipp, wenn er sich hin und wieder an Start-ups beteiligt. Es ist alles sehr vernetzt.

Weißt du, wer deine Hörerinnen und Hörer sind? Wie sieht deine Zielgruppe aus?

Noah Leidinger: Die ist sehr breit gefächert. Viele junge Leute sind dabei, weil wir vom Stil her eher jugendlich sind. Wir sind ja keine klassischen Börsenkorrespondenten, die eher trocken die Zahlen ablesen, sondern (hoffentlich) etwas dynamischer. Tatsächlich reicht unsere Hörerschaft vom 20-Jährigen bis zum 50-Jährigen. Wir sehen, dass wir in den großen Städten mehr gehört werden als auf dem Land.

Wie ist das eigentlich, wenn man so einen Podcast als Host von Philipp Westermeyer übernimmt? Kommt er manchmal und sagt „Mensch, Noah, mach das anders!“ Mischt er sich noch ein?

Noah Leidinger: Am Anfang habe ich ja Philipp zugearbeitet, da war er noch sehr stark involviert. Aber tatsächlich ist Philipp sehr gut darin abzugeben. Als ich den Podcast als Host übernommen habe, hat er sich die Folgen noch oft vorher angehört und mir Feedback gegeben. Das war sehr hilfreich. Jetzt macht er das auch noch oft, wenn er den Podcast hört. Aber thematisch lässt er uns freie Hand. Wenn Philipp Leute gefunden hat, die etwas gut machen, dann können sie bei OMR auch schnell Verantwortung übernehmen.

OMR-Podcast: Wirtschaftsthemen mal anders

Ihr verwendet bei „Ohne Aktien wird schwer“ viel Energie darauf, witzige O-Töne, Musik- oder Soundstücke mit einzubauen. Warum betreibt ihr so einen Aufwand? Wollt ihr die trockenen Wirtschaftsnachrichten damit auflockern?

Noah Leidinger: Genau das ist das Ziel. Wir wollen da etwas Frisches reinbringen, uns auch einmal ein wenig selbst auf die Schippe nehmen. Ich glaube, das lockert gerade bei diesem Thema sehr gut auf und hilft auch neuen Hörern, ins Thema reinzukommen. Das große Ziel unseres Podcasts ist es, Menschen für Geldanlage, aber auch für Wirtschaft an sich zu begeistern.

Die führenden Podcasts im Wirtschaftsbereich haben gerade einmal Zehntausende Hörer, andere Themen haben ein paar Millionen Hörer. Das finde ich wirklich schade, für ein Land mit 80 Millionen Menschen und in einer Zeit, in der Wirtschaft eigentlich jeden direkt betrifft. Unser Ziel ist es, den Menschen Wirtschaft auf unterhaltsame Weise näherzubringen. Und ich glaube, das schaffen wir auch gut.

Vor eurem Podcast hört man einen Warnhinweis: „Risikohinweis. Die Inhalte dienen ausschließlich der allgemeinen Information (…) und sind keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf bestimmter Finanz­instrumente. (…) Ihr entscheidet selber, was ihr macht.“ Aber wirst du jetzt, wenn du privat unterwegs bist, nicht trotzdem ständig angequatscht und gefragt: „Noah, hast du einen Tipp? Was soll ich kaufen? In welche Aktien soll ich investieren?

Noah Leidinger: Ja, das werde ich wirklich oft gefragt. Meine Antwort ist immer: Wenn du dich nicht auskennst und auch nicht intensiv damit beschäftigen willst, dann ist es besser, du kaufst einfach einen breit gestreuten ETF und sparst mit einem regelmäßigen Sparplan an. Wenn man die Antwort, worin man investieren soll, von einem anderen beantwortet haben will, dann ist man nicht bereit dazu, in einzelne Aktien zu investieren.

Weil das viel Zeit kostet?

Noah Leidinger: Genau, Aktien sind Arbeit und Leidenschaft. Ich glaube aber, der Podcast ist eine super Inspirationsquelle, um neue Themen zu finden oder auf Themen aufmerksam zu werden. Aber die finale Recherche muss jeder selbst machen. Das hängt ja auch vom eigenen Profil ab: Will man weniger oder mehr Risiko eingehen? Glaubt man an eine Firma oder ein Produkt? Was ist die eigene Erwartung für die Zukunft dieser Firma? Solche Faktoren spielen eine große Rolle.

Der Podcast als Ideengeber, als Inspiration. Ein interessanter Ansatz.

Noah Leidinger: Es sind zehn Minuten jeden Morgen, in denen wir die Menschen animieren, darüber nachzudenken: Wie funktioniert unsere Wirtschaft? Wie hängt das alles zusammen? Ich glaube, das ist der große Wert von „Ohne Aktien wird schwer“: Zehn Minuten Wirtschaftsstudium jeden Morgen. Zehn Minuten, in denen wir die Menschen versuchen für Wirtschaft zu begeistern. Zehn Minuten über Umsatz, Gewinn und Brutto …

Der Podcast ist also ein Nachrichtenformat, aber auch ein Bildungsformat?

Noah Leidinger: Genau. Wir versuchen immer wieder, wichtige Dinge aus der Aktien- und Wirtschaftswelt zu erklären: Wie funktioniert ein Aktienfonds? Wie verhält es sich mit der Dividendenrendite? Und vieles mehr. Das ist immer ein Balanceakt: Denn die Stammhörer haben das schon mehrfach gehört. Das ist die Schwierigkeit an so einem täglichen Pod­cast. Aber genau darum geht es: die Mischung zu finden aus Nachrichten, aus spannenden Storys – und dann trotzdem noch ein bisschen weiterzubilden.

Welches Feedback bekommst du von den Hörerinnen und Hörern?

Noah Leidinger: Manchmal schreiben die Menschen nette Dinge: Sie sind begeistert oder es hilft ihnen oder auch nur, dass sie den Podcast jeden Morgen gern hören. Aber manchmal gibt es natürlich auch Menschen, die sehr leidenschaftlich mit einer Aktie verbunden sind. Wenn man sich dann nicht positiv geäußert hat, dann erntet man schon mal sehr negatives Feedback. Einmal hat mich ein Hörer nach einer Analyse zum Kreditkartenkonzern Visa angerufen und gedroht, mich bei der BaFin anzuzeigen. Ich habe geantwortet: Ja, dann muss das wohl so sein. Aber natürlich habe ich nie etwas von der BaFin gehört.

Was hast du gemacht, bevor du zu OMR gekommen bist?

Noah Leidinger: Ich habe als Freelancer gearbeitet, für mehrere Medien. Als ich mich bei OMR bewarb, habe ich gerade meinen Zivildienst in Bulgarien gemacht. Das ging dann sehr schnell – wie alles bei OMR. Ich habe dann gleich angefangen und deshalb die ersten Monate von Bulgarien aus gearbeitet: immer am Wochenende, weil ich noch den Zivildienst zu Ende machen musste.

Was hast du dort in Bulgarien gemacht?

Noah Leidinger: Das war ein Krisenzentrum für Kinder der Roma. Wir haben dort Kinder betreut, die von ihren Familien verstoßen wurden oder die von den Familien geholt wurden, weil sie in Gefahr waren. Die Kinder waren für fünf bis sechs Monate bei uns, bis eine dauerhafte Lösung gefunden wurde. Die Situation der Roma-Bevölkerung in Bulgarien ist wirklich schrecklich. Das war eine sehr prägende Erfahrung für mich – und ein sehr großer Kontrast zu dem, was ich jetzt mache.

Was machst du, wenn du dich nicht mit Aktien beschäftigst?

Noah Leidinger: Ich gehe gern laufen und mache öfter mit Philipp Klimmzüge im Office. Als Ausgleich zu den vielen Börsen-News und Schlagzeilen unter der Woche lese ich gern lange Hintergrundartikel oder ein längeres Buch. Aber so viel Zeit bleibt tatsächlich nicht. Der Podcast ist eine ausfüllende Aufgabe, und er lässt mich auch in meiner Freizeit nicht los.