Sierksdorf. Vor Corona waren Schließzeiten während der Saison völlig unüblich. Jetzt lässt sich das Team von der Disney-Konkurrenz inspirieren.
- Hansapark in Sierksdorf ändert die Öffnungszeiten.
- Die Corona-Pandemie hat den Park schwer getroffen.
- Hanspark: Vor der Pandemie waren Schließzeiten während der Saison unüblich.
Die Schüler in Kapuzenjacken und bunten Sweatshirts reden im Hansapark aufgeregt durcheinander, als sie zur Wildwasserbahn kommen. Ihre Lehrerinnen warten an der Hecke neben den Stromschnellen und springen immer mal wieder vor dem Spritzwasser zur Seite, wenn eines der Holzflöße mit kreischenden Gästen die Abfahrt herunterrauscht.
„Kommen Sie mit zum Fluch des Kärnan?“, fragt ein Mädchen die beiden Frauen, die ihre Abschlussfahrt organisiert haben. Die Klasse einer Oberschule aus Sachsen hat Glück: Gruppenausflüge sind erst seit Kurzem wieder möglich, der Besuch im Hansapark ist eines der ersten Abenteuer, das die Schüler wieder gemeinsam erleben dürfen nach der langen Zeit der Pandemie.
Hansapark – Achterbahnen mit Blick auf die Ostsee
Die Achterbahnen mit Blick auf die Ostsee, Neuheiten wie der Highlander, in dem man aus 120 Metern Höhe im freien Fall hinuntersaust, dazu das gute Wetter, das die vielen Frühlingsblumen leuchten lässt – die Laune der Besucher ist glänzend.
Auch wenn für Attraktionen wie „Der Schwur des Kärnan“ mit einer Beschleunigung wie auf der Autobahn einiger Mut erforderlich ist und manche Gäste etwas benommen aus den Wagen steigen, die meisten laufen mit strahlenden Augen durch das liebevoll gestaltete Areal. Zudem lassen die neuen Fassaden aus alten Hansestädten wie Krakau, Stockholm oder Venedig Urlaubsstimmung aufkommen.
So ausgelassen die Besucher die ersten Tage ohne Maske erleben, so erleichtert sind die Beschäftigten des Parks. Nach den schwierigen zwei Jahren, mit Zwangsschließungen, Kurzarbeit und Hygieneauflagen, erleben sie jetzt wieder eine allmähliche Rückkehr zur Normalität in der Spaßhochburg, die mit 40 Fahrattraktionen und landestypischen Häusern die Geschichte der Hanse erzählt. Am 2. April hat die diesjährige Saison begonnen.
Corona hatte den Hansapark fest im Griff
Doch vorher hatte Corona den Park fest im Griff. „Es gab Tage, die einem unwirklich vorkamen“, erzählt Tim Neben, langjähriger Mitarbeiter des Familienparks über die schwere Zeit. Er sei Ostern 2020 durch die Anlage gelaufen, habe schon fast das Rattern der Fahrgeschäfte und die Rufe der Besucher im Ohr gehabt, doch dann sei alles still geblieben.
Keine Gäste seien gekommen, die Lockdowns haben den Betrieb schließlich immer wieder ausgebremst. 2020 durfte der Park nur an knapp 100 von sonst gut 200 üblichen Öffnungstagen Besucher empfangen, im vergangenen Jahr nur unwesentlich länger. Die 1,4 Millionen Kunden, die das Freizeitland am Meer sonst jährlich ansteuern, wurden so zum unerreichbaren Ziel. Zu möglichen Überbrückungshilfen schweigt sich der Park aus, hier agiert man in Sachen Zahlen hanseatisch zurückhaltend.
Vorerst bleibt der Hansapark montags und freitags geschlossen
Zwar ermöglichen die gelockerten Corona-Regeln im Norden nun eine fast unbeschwerte Zeit auf dem Gelände, ohne Masken, ohne Einlasskontrollen, doch nach wie vor haben die Betreiber mit Herausforderungen zu kämpfen. Noch bis zum 20. Mai bleibt der Hansapark immer montags und freitags geschlossen. Auch im September sind wieder Ruhetage vorgesehen, zur Vorbereitung auf den alljährlichen Herbstzauber, der mit Millionen Lichtern und einem Feuerwerk zu den Highlights in Sierksdorf zählt.
Vor der Pandemie waren solche Schließzeiten während der Saison unüblich, sagt Tim Neben, der hier für den Einkauf und das Controlling verantwortlich ist. Doch wenn an bestimmten Tagen nur wenige Gäste kämen, wie eben am Anfang und Ende der Woche, müsse der Park draufzahlen. Und nur das, was am Ende der Saison übrig bleibe, könne dann auch wieder für neue Attraktionen für die Besucher ausgegeben werden, argumentiert Tim Neben.
Schließlich müssen sich die Betreiber ständig etwas Neues einfallen lassen. Immerhin mehr als 100 Freizeitparks konkurrieren in Deutschland um die Gunst der Kunden, darunter konzerneigene, finanzstarke Betriebe wie der Heide Park, der zu Merlin Entertainments gehört.
Familie Leicht ist Eigentümer des Hansaparks
Im Hansapark hält dagegen seit Mitte der 80er-Jahre die Familie Leicht als Eigentümer die Zügel in der Hand - und hat auch in diesem Jahr investiert: in den Themenbereich „Peterhof von Novgorod“ mit zwei neuen Attraktionen: Der „Turm vom Peterhof“ bietet Fahrspaß mit Rundumblick aus sieben Metern Höhe. Die „Tierkinder vom Peterhof“ locken die kleinsten Gäste an. Das Karussell mit handgeschnitzten Rehen oder Eichhörnchen dreht sich nur langsam und hebt nicht ab.
2019 war im Hansapark zuletzt eine neue Großattraktion eröffnet worden, der Freifallturm Highlander, damals der höchste der Welt. Gerade bei Adrenalinjunkies, die Achterbahnen besuchen wie andere Leute zu Sehenswürdigkeiten wie dem Eiffelturm reisen, sind diese Hits beliebt. Zwar hat der Hansapark viele treue Stammkunden, Urlauber, die in der Lübecker Bucht die Ferien verbringen und für die sich schon beim dritten Besuch eine Jahreskarte für 105 Euro lohnt. Aber zugleich sollen die Zugpferde auch internationale Gäste anlocken. „Einmal konnten wir sogar Besucher aus Argentinien begrüßen, als der ,Schwur des Kärnan‘ Premiere feierte“, freut sich Neben.
Hansapark: Der Eintritt kostet inzwischen 44 Euro für Besucher ab 12 Jahren
Die Notwendigkeit, immer größer und aufregender zu werden, ist aber nicht die einzige Herausforderung für den Hansapark: Viele Kosten sind gestiegen. Doch während für Lebensmittel, Energie und Personal mehr bezahlt werden muss, sollen die Preise für die Gäste möglichst in Grenzen gehalten werden. Denn das Ausflugsziel in Ostholstein hat den Anspruch, insbesondere für Familien attraktiv zu sein. Der Eintritt kostet inzwischen 44 Euro für Besucher ab 12 Jahren, nicht gerade wenig Geld für einen Tag. Dafür sollen die Ausgaben fürs Essen und Trinken bezahlbar bleiben, betont Neben. Beim Rundgang zu den Restaurants und Bistros bestätigt sich diese Preisstrategie: Eine große Pommes mit Spezialsoße ist für 3,50 Euro zu haben, ein 0,5-Liter-Becher Cola für 3,50 Euro, ein Eis ab 1,50 Euro.
Die beiden Tage ohne Gäste nutzt das Management aber auch für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Wie bediene ich die Fritteuse im Kiosk, wie helfe ich den Gästen beim Einstieg in das Kettenkarussell? Viele Handgriffe müssen geschult werden, auch, weil etliche Neulinge in Sierksdorf angeheuert haben. „In der Pandemie haben sich einige Beschäftigte in systemrelevante Branchen umorientiert“, sagt Claudia Leicht, die sich mit ihrem Mann Christoph Andreas die Verantwortung im Management teilt.
Die Personalsituation ist angespannt, viele Stellen unbesetzt
Die Industrie im Norden, die Schwartauer Werke, Brüggen oder ähnliche Arbeitgeber zahlen gut und bieten familienfreundliche Arbeitszeiten. Hier locken Bedingungen, mit denen der Hansapark kaum mithalten kann. Gleichzeitig steht der Park in Konkurrenz zur Gastronomie in der Lübecker Bucht, wo ebenfalls händeringend Köche oder Servicekräfte gesucht werden. Die Folge: Die Personalsituation ist angespannt, viele Stellen sind unbesetzt.
Immerhin 850 Mitarbeiter benötigen die Betreiber in der Saison, für die Restaurants und Imbisse, die Shows, die Technik und die Fahrgeschäfte. Wer für die Gäste sorgen will, hat jedoch bei der eigenen Freizeit Abstriche zu machen. „Wenn bei uns ein Auszubildender anfängt, sage ich direkt, dass sich der Freundeskreis verändern wird“, berichtet Claudia Leicht von den Bewerbungsgesprächen.
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Es laufe darauf hinaus, mehr mit Leuten zu unternehmen, die einen gleichen Arbeitszyklus haben, die auch vermehrt am Wochenende oder an Feiertagen arbeiten müssten, sagt die 54-Jährige über die Erfordernisse einer Anstellung in ihrem Geschäft. Mit der Erfahrung während Corona, gekürztem Gehalt und guten Alternativen auf dem Arbeitsmarkt seien ihrem Team jedenfalls einige Leute abhandengekommen.
Hansapark-Team lässt sich von der Disney-Konkurrenz inspirieren
Für Tim Neben wäre ein solcher Wechsel allerdings undenkbar. Der studierte Hotelmanager sieht den Hansapark noch immer als sein liebstes Hobby, auch wenn er schon 2013 seine Leidenschaft für Achterbahnen zum Beruf gemacht hat.
Der 33-Jährige ist wegen seines neuen Arbeitgebers aus dem Raum Stuttgart nach Ostholstein gezogen und wohnt hier auf einem Bauernhof. Außerdem hat er die Hansapark-DNA, wie auch Claudia Leicht über ihre Wunsch-Beschäftigten nicht müde wird zu betonen. Die Mitarbeitenden sollen sich bestenfalls als Teil einer Familie sehen. Und mit Feuer bei der Sache sein. Gefragt ist eine Begeisterung für Fahrgeschäfte wie „Awildas Abenteuerfahrt“, und für die Geschichten, die der Park erzählt, über das Leben von Störtebeker oder die Siedler von Haithabu.
Wichtig sind auch gute Ideen für neue Attraktionen. Um die Kreativität zu beflügeln, geht es mit einigen Entscheidern immer mal wieder ins Ausland, hier lässt sich das Hansapark-Team dann inspirieren. Zuletzt besuchten sie Orlando, die berühmte Disney-Konkurrenz. Ob sich die Holsteiner bei den Amerikanern etwas abgeschaut haben, will Tim Neben nicht verraten. Aber er verspricht den Gästen weitere Publikumsmagnete: „Wir haben noch wahnsinnig viel vor!“