Hamburg. Biotechnologie-Konzern erweitert sein Zentrum für Stammzellen-Forschung in Langenhorn. Es soll ein weltweites Leuchtturmprojekt werden.

Beim Hamburger Biotechnologie-Unternehmen Evotec haben sie ein Problem: Außer den derzeit gut 700 Beschäftigten in der Konzernzentrale in Langenhorn wissen und verstehen nur sehr wenige Menschen in der Stadt so ganz genau, was die da eigentlich machen bei Evotec am Essener Bogen und an den anderen weltweit 15 Standorten mit weiteren 3500 Beschäftigten. Kurz gesagt ist es pharmazeutische Wirkstoffforschung.

Das Unternehmen, das sich selbst als Wissenschaftskonzern bezeichnet, erforscht und entwickelt Wirkstoffe und Verfahren zur Herstellung von Medikamenten, unter anderem gegen Krebs-, Infektions-, Stoffwechselkrankheiten und neurologische Erkrankungen wie Alzheimer. Oft im Auftrag oder in Kooperation mit großen Pharma-Unternehmen wie Sanofi, Bayer und Bristol Myers Squibb, teils auf eigene Rechnung. Und weil es Grundlagenforschung ist, gehört Scheitern zum Arbeitsalltag. „Ein Großteil der Wirkstoffe, die wir erforschen, wird nie marktfähig“, sagte Vorstandschef Werner Lanthaler dem Abendblatt im Herbst 2020, als Evotec ein wichtiger Baustein im Forschungsnetzwerk zur Entwicklung von Corona-Impfstoffen war.

Evotec: Biotech-Unternehmen konnte den Gewinn steigern

Trotz solcher Rückschläge ist das 1993 vom deutschen Nobelpreisträger Manfred Eigen gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern gegründete Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich. Evotec ist eine der wenigen Biotech-Firmen, die überhaupt einen Gewinn erwirtschaften.

Im vergangenen Jahr stieg der operative Gewinn vor Steuern (Ebitda) auf gut 107 Millionen Euro, der Umsatz legte sogar um annähernd 25 Prozent auf 618 Millionen Euro zu. Für dieses Jahr erwartet der Vorstand ein weiteres kräftiges Umsatzwachstum auf bis zu 720 Millionen Euro und einen operativen Vorsteuergewinn etwa in der Höhe wie im vergangenen Jahr. Bei der Bilanzvorlage Mitte April hieß es, Evotec werde 2022 erneut kräftig in Forschung und Entwicklung investieren.

Gebäude bietet Platz für gut 250 weitere Arbeitsplätze

Auch in Hamburg. Am Donnerstag machte Vorstandschef Lanthaler unter anderem mit Wirtschafts-Staatsrat An­dreas Rieckhof auf einem Grundstück neben dem Manfred Eigen Campus den ersten Spatenstich für einen Erweiterungsbau. Der Projektentwickler Beos AG errichtet für sein Mutterunternehmen, die Vermögensverwaltung Swiss Life Asset Managers, bis voraussichtlich Mitte 2024 einen dreistöckigen Neubau mit 12.000 Quadratmetern Fläche. Evotec hat langfristig gemietet, investiert selbst mehr als zehn Millionen Euro und schafft in dem künftigen Laborgebäude Platz für gut 250 weitere Arbeitsplätze.

Ein Großteil davon werden hoch qualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besetzen: Biologen, Chemiker, Bio-Chemiker. Das wissenschaftliche Personal macht schon heute mehr als die Hälfte aller Mitarbeiter in Hamburg aus. Deren Zahl ist allein in den vergangenen zwei Jahren um etwa 150 gewachsen. Finanzvorstand Enno Spillner sagte dem Abendblatt, nach der Fertigstellung des Neubaus würden voraussichtlich zunächst 180 bis 200 der neu geschaffenen Arbeitsplätze besetzt.

Evotec: Neue Technologie wird in Hamburg genutzt

Innerhalb des Konzerns wird das Projekt als „unser iPSC-Lighthouse“ bezeichnet, also als das Leuchtturmprojekt bei der Forschung mit und an sogenannten „induzierten pluripotenten“ Stammzellen. Das Verfahren ermöglicht es, aus den Zellen eines Menschen, der die Anlagen zum Beispiel für eine Alzheimererkrankung hat, zunächst Stammzellen zu gewinnen und aus diesen wiederum sämtliche Zelltypen eines Menschen. Ein potenzieller Wirkstoff gegen Alzheimer lässt sich so im Labor an allen Arten menschlicher Zellen testen. Es ist eine Technologie, die erst zu Beginn dieses Jahrhunderts entwickelt wurde und auf der große Hoffnungen ruhen.

Hamburg war bei Evotec von vornherein der Standort, an dem sie genutzt wird. „Hier sitzt die Kompetenz, hier sitzt das Know-how“, sagte Finanzchef Spillner. Vorstandschef Lanthaler betonte, die Hansestadt solle nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern weltweit ein Leuchtturm in der iPSC-Forschung sein. Und er fand einen Satz, der dem Nicht-Fachpublikum bei der Grundsteinlegung dann doch in einfachen Worten erklärte, was sie da eigentlich machen bei Evotec am Essener Bogen in Langenhorn: „Wir versuchen jeden Tag, die 3300 Krankheiten, die bislang nicht behandelbar sind, behandelbar zu machen.“