Hamburg. Zeremonie bei der Übergabe einer Korvette. Doch hinter den Kulissen brodelt es: 123 Kollegen müssen gehen, vielen wird gekündigt.

Schiffstaufen sind eine feierliche Angelegenheit. Das gilt insbesondere für Hamburgs Traditionswerft Blohm+Voss, bei der die Übergabe eines Neubaus inzwischen Seltenheitswert hat. So findet die Weihe der neuen Korvette für die Marine namens „Köln“ am Donnerstag große Beachtung. Zahlreiche Feiergäste – sowohl in Uniform als auch in Zivil – sind angereist, um dem strengen Zeremoniell zu folgen. Die Patenstadt Köln wird dabei von ihrer Oberbürgermeisterin Henriette Reker vertreten, die als Taufpatin fungiert.

Die Musikinstrumente des Marinemusikkorps blitzen und blinken in der Sonne beim feierlichen Einmarsch der Truppenfahne, während das eigentliche Taufkind, die 89 Meter lange Korvette, hinter dem Ausrüstungskai langsam immer tiefer sinkt, weil im Hafen das Niedrigwasser eingesetzt hat.

Hamburger Traditionswerft: Grote repräsentiert Senat

Ein Kind steht zur Übergabe der Blumen an die Ehrengäste bereit, in der Schiffbauhalle wartet ein Festmahl – alles wäre perfekt, wenn sich der geopolitische Rahmen, in dem die Bundeswehr ihr neues Kampfschiff erhält, in den vergangenen Wochen nicht so dramatisch geändert hätte. Das wird bei den Taufreden deutlich.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD), der den Senat der Hansestadt bei der Zeremonie repräsentiert, bringt es auf den Punkt: „Die heutige Taufe hätte noch vor zwei Monaten eine ganz andere Bedeutung gehabt.“ Damals schienen die Folgen des Kalten Krieges noch überwunden und der Frieden in Europa nicht in Gefahr. Doch mit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar hat sich Situation und damit auch das deutsche Sicherheitsbedürfnis geändert.

Vorschiff wurde auf Lürssen-Werft in Bremen gebaut

„Die Taufe der Korvette ,Köln‘ steht für den Schritt zu einer erhöhten Einsatzfähigkeit unserer Deutschen Marine und somit unserer Seestreitkräfte“, sagt die Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller (SPD), die als parlamentarische Staatssekretärin des Bundesverteidigungsministeriums den Auftraggeber bei der Feier in Hamburg repräsentiert. „Die erhöhte Einsatzfähigkeit hat eine Dringlichkeit bekommen, die sich vor zwei Monaten noch niemand vorstellen konnte.“ Auch der Marine­inspekteur, Jan Christian Kaack, betont, dass die Korvette dringlich erwartet werde, um die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr zu erhöhen.

Bei der „Köln“ handelt es sich um den ersten von fünf Neubauten der Klasse K130. Das Vorschiff wurde auf der Lürssen-Werft in Bremen gebaut, das Hinterschiff am Standort Wolgast. Dort wird gerade das letzte Hinterschiff der Serie hergestellt.

Teile werden bei Blohm+Voss in Hamburg verbunden

Da es sich bei dem zwei Milliarden Euro umfassenden Auftrag um ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer Werften handelt, wird das Vorschiff der Korvette bei German Naval Yards in Kiel gefertigt. Bei Blohm+Voss in Hamburg werden die Teile beim sogenannten „Hochzeitsstoß“ miteinander verbunden und die Schiffe ausgerüstet.

Von ihrer Gestalt und ihrem Aufbau her unterscheiden sich die neuen Boote kaum von den fünf Korvetten des baugleichen Typs K130, die in den Jahren 2007 bis 2013 gebaut wurden. In der Schiffstechnik und den Waffensystemen sind die Korvetten, deren Einsatzgebiete vornehmlich die europäischen Randmeere sind, aber wesentlich fortschrittlicher. Es sei so, als habe man Hightech-Systeme in einen alten VW Golf eingebaut, sagt der Chef der NVL-Gruppe, Tim Wagner.

„Der Bedarf ist unstrittig und der Anlass ideal"

NVL steht für Naval Vessels Lürssen. Unter diesem Namen fertigt die Bremer Werftenfamilie nach einer Abspaltung des zivilen Schiffbaus ihre Marineschiffe. Wagner betont vor dem Hintergrund von Putins Angriffskrieg, dass der Bund schnell über ein drittes Los zum Bau von fünf weiteren Korvetten entscheiden müsse: „Der Bedarf ist unstrittig und der Anlass ideal. Jeder Handgriff bei der Fertigung sitzt.“

Im Rahmen des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro, mit dem die Bundesregierung die Bundeswehr besser ausstatten will, werde darüber diskutiert, ob ein drittes Baulos folgen soll oder ob die alten Korvetten aus dem ersten Baulos ertüchtigt werden, fügt Staatssekretärin Möller hinzu. „Es gibt darüber aber keine Entscheidung.“

Blohm+Voss will Jobs abbauen

Dann ist es so weit: Nachdem das Marinemusikkorps das von der Patin gewünschte Tauflied, „Am Dom zo Kölle, zo Kölle am Rhing“, angestimmt hat, darf Oberbürgermeisterin Reker das Band zerschneiden, woraufhin eine Flasche am Bug zerschellt – gefüllt mit Champagner, nicht mit Kölsch. Dann zieht die Festgesellschaft zum Schmaus in die Schiffbauhalle um. Und die Blohmer haben die Werft wieder für sich.

Auch für sie ist dieser Tag alles andere als perfekt. Denn ungeachtet des Bauprogramms an den Korvetten kreist bei Blohm+Voss wieder einmal der Sparhammer. Der Mutterkonzern Lürssen will von den rund 580 noch beschäftigten Mitarbeitern 123 weitere abbauen. Nachdem es vonseiten der Werft mehrere Sparvorschläge gegeben hatte, die mit der Führung der IG Metall zwar ausgehandelt, von den Beschäftigten aber abgelehnt worden waren, greift das Unternehmen jetzt durch. Der Mehrzahl der Betroffenen steht eine betriebsbedingte Kündigung ins Haus. Im Mai soll der Personalabbau greifen.

In der Belegschaft herrscht schlechte Stimmung

„Die Stimmung in der Belegschaft ist schlecht“, sagt ein alter Blohmer. Wie schlecht sie ist, zeigt die Tatsache, dass die IG Metall zur Tauffeier gar nicht eingeladen wurde. „Die IG Metall hatte damals zusammen mit dem Bundestag, durchgesetzt, dass die Korvetten von deutschen Werften gebaut werden. Es ist schon verwunderlich, dass die Gewerkschaft nun nicht zur Taufe eingeladen wurde“, sagt Emanuel Glass von der IG Metall Region Hamburg.

Die IG Metall befürchtet, dass der Standort Hamburg absichtlich ausbluten soll, weil Lürssen die Instandsetzung von Handelsschiffen bei Blohm+Voss abzieht. Peter Lürßen, der das Familienunternehmen zusammen mit seinem Cousin Friedrich Lürßen führt, weist das zurück. Am Rande der Taufe sagt er dem Abendblatt: „Selbstverständlich geht es bei Blohm+Voss weiter. Wir müssen nur auf einen Personalstamm kommen, der wirtschaftlich vertretbar ist.“

Hamburger Traditionswerft: Borgschulte zieht sich zurück

Für ein Mitglied der Führungsriege werden die Sparmaßnahmen die letzten sein, die es durchsetzen muss: Klaus Borgschulte, seit fast 20 Jahren Kenner von Blohm+Voss und zuletzt Geschäftsführer der NVL B+V, zieht sich aus dem Unternehmen zurück. Zu den Gründen sagt er nichts. Sein Weggang dürfte ein weiterer Einschnitt für Blohm+Voss sein.