Hamburg. Nicole Zinchenko findet beim Hamburger Kaffeehaus Black Hat Coffee Arbeit. Unternehmerpaar bietet weiteren Job für Flüchtling.

Meistens dauert es im Moment mehrere Wochen oder noch länger, bis ein Job in der Gastronomie neu besetzt ist. Bei dem Hamburger Kaffeehändler Black Hat Coffee waren es nicht mal 14 Tage. Die Gründer hatten ihr Stellenangebot Anfang März kaum auf dem Onlineportal Job Aid Ukraine veröffentlicht, da kamen schon die ersten Anfragen. „Wir wollten einen Arbeitsplatz für Menschen schaffen, die vor dem Krieg in der Ukraine flüchten mussten“, sagt Inna Zamikhovska, die das kleine Unternehmen mit ihrem Ehemann Slava Zamikhovskyy führt. Die beiden stammen ebenfalls aus dem umkämpften Land, haben sich in den vergangenen Jahren in Hamburg eine Existenz aufgebaut. Dass sie jetzt ihre erste Mitarbeiterin einstellen, war nicht unbedingt geplant. „Aber wir glauben, dass wir so noch mehr helfen können“, sagt Slava Zamikhovskyy.

Inzwischen ist klar, dass Nicole Zinchenko zukünftig an der mobilen Espressobar des Unternehmens in Eimsbüttel steht. Sie ist gelernte Barista, hat in ihrer Heimatstadt Odessa schon vier Jahre lang in Coffeeshops gearbeitet. „Ich bin sehr glücklich, dass es so schnell geklappt hat mit einer Arbeit“, sagt die 22-Jährige. Das Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt findet per Video statt, auf Ukrainisch und auf Deutsch. Nicole Zinchenko sitzt in Rahlstedt in einem Café, weil sie an ihrem derzeitigen Wohnort bei einem Onkel kein Internet hat.

Ukrainerin findet Job in Hamburger Kaffeehaus

Gemeinsam mit ihrem Freund war die junge Frau kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine zu einen Verwandtenbesuch nach Deutschland gereist. Eingepackt hatte sie Kleidung für vier Tage, sonst nichts, sagt sie. „Wir haben nicht geglaubt, dass es tatsächlich Krieg geben könnte und sind überrascht worden.“ Jetzt sitzt sie in Hamburg fest. Kann nicht zurück, weil es viel zu gefährlich wäre. Ihr bisheriges Leben, ihre Familie, ihre Katzen und alles, was sie besitzt, ist in Odessa geblieben. „Ich kann meine Gefühle kaum in Worte fassen. Da ist Angst und Wut und auch Hilflosigkeit“, sagt Nicole Zinchenko und spricht immer schneller. So schnell, dass ihr neuer Chef Slava Zamikhovskyy beim Übersetzen kaum hinterherkommt.

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Eine Freundin hatte ihr von der Jobofferte bei den ukrainischen Unternehmern in Hamburg erzählt. Nicole Zinchenko meldete sich sofort. „Ich bin es gewöhnt, zu arbeiten und mein eigenes Geld zu verdienen“, sagt sie. „Gerade weil wir nicht wissen, ob und wann wir wieder in die Heimat können, ist es mir wichtig, nicht vom Staat abhängig zu sein.“ Schon beim ersten Gespräch mit den Kaffeehändlern kam heraus, dass es persönliche Berührungspunkte in ihrer Heimatstadt Odessa gibt. Inna Zamikhovska hatte mit Nicoles Schwester an der Universität der Schwarzmeer-Metropole Politologie studiert. „Die Welt ist klein“, benutzt die 33-Jährige lächelnd eine Redewendung. Die gibt es in der Ukraine und in Deutschland.

Einstellungsverfahren im Schnelldurchlauf – ohne Zeugnisse

Inzwischen hat Nicole Zinchenko das Einstellungsverfahren im Schnelldurchlauf bestanden. „Ich habe sie am Anfang gebeten, einen Cappuccino zu machen, und war danach überzeugt, dass sie die Richtige ist“, sagt Inna Zamikhovska. Seit vergangenem Freitag hat die junge Ukrainerin auch alle Formalien für die behördliche Registrierung als Geflüchtete in Hamburg geklärt. Rechtlich steht einem Arbeitsvertrag damit nichts mehr im Weg. Ukrainer bekommen mit ihrer Aufenthaltserlaubnis sofort eine Arbeitserlaubnis. „Dass sie die üblichen Bewerbungsunterlagen und Zeugnisse nicht dabei hat, spielt für uns keine Rolle“, sagen die Black-Hat-Coffee-Chefs. Anfangs möchte die neue Barista nur stundenweise arbeiten. Sie sucht gerade einen Deutschkurs. Langfristig soll es eine Vollzeitstelle werden. „Unser Ziel ist, ein überdurchschnittliches Gehalt zu zahlen“, sagt Slava Zamikhovskyy.

Das Unternehmerpaar mit zwei kleinen Kindern hatte Black Hat Coffee vor gut zwei Jahren gegründet und verkauft Kaffeespezialitäten an Geschäftskunden und zunehmend über den eigenen Onlineshop. Geplant war als nächster Schritt die Eröffnung einer Espressobar am Eppendorfer Weg. Nach Kriegsbeginn Ende Februar hatten sie das Projekt vorübergehend gestoppt. „Der russische Angriff auf die Ukraine hat alles verändert“, sagt Slava Zamikhovskyy. Der 37-Jährige lebt schon seit 20 Jahren in Deutschland, hat Medienwissenschaften studiert und arbeitet parallel für eine Agentur. In den vergangenen Wochen haben die Unternehmer aber vor allem ihre Familien unterstützt und eine Spendenaktion gestartet.

Inhaber schaffen noch eine weitere Stelle für Geflüchtete

Die Espressobar soll nun Anfang des Sommers den mobilen Stand vor der Tür ersetzen, mit Nicole Zinchenko hinterm Tresen. Die Kommunikation läuft auf Englisch, ein bisschen Deutsch versteht sie schon. „Die Menschen sind interessiert und mögen unsere Produkte“, sagt ihre Chefin Inna Zamikhovska. Einige Geschäfte in der Nachbarschaft verkaufen jetzt ihren Kaffee. Gerade haben sie und ihr Mann noch eine weitere Stelle ausgeschrieben – wieder für Geflüchtete.