Hamburg. Der Energiekonzern investiert in die Bramfelder Firma NWG, die Stromtankstellen in Tiefgaragen einrichtet und betreibt.
Um auch beim Zukunftsgeschäft der Elektromobilität mit im Geschäft zu bleiben, geht der Energiekonzern Shell inzwischen weit über die Schnellladesäulen an seinen eigenen Tankstellen hinaus: Nachdem der Ölkonzern im vorigen Jahr eine Firma übernommen hat, die Straßenlaternen zu E-Auto-Ladesäulen aufrüstet, steigt der Konzern nun in ein Hamburger Unternehmen ein, das Ladepunkte in Tiefgaragen einrichtet und betreibt.
„Wir werden der Elektromobilitäts-partner von Shell für Mehrfamilienhäuser sein“, sagt Bernhard Rönsberg, Geschäftsführer von NWG Power aus Bramfeld. Die Firma mit knapp 20 Beschäftigten ist in der Strombelieferung und -Abrechnung im Auftrag der Immobilienwirtschaft tätig, kümmert sich über die Tochtergesellschaft NWG Charging aber auch um den Einbau und die Bewirtschaftung von Ladesäulen für diesen Kundenkreis. An dieser Tochterfirma hat sich Shell jetzt maßgeblich beteiligt.
E-Mobilität: Unternehmen sieht großes Marktpotenzial
„Uns war klar, dass wir frisches Kapital brauchen, um auf diesem großen Markt eine bedeutende Rolle spielen zu können“, sagt Rönsberg: „So sind wir mit Shell ins Gespräch gekommen, weil wir schon früher gelegentlich zusammengearbeitet haben.“
Nach Einschätzung von NWG-Power-Mitgeschäftsführer Per Pöhl ist das Marktpotenzial enorm groß. „Allein in Deutschland gibt es 8,8 Millionen Tiefgaragenplätze, bisher kann aber erst an weniger als 100.000 davon ein E-Auto geladen werden“, sagt Pöhl: „Wir glauben, dass Ladepunkte in Mehrfamilienhäusern den größten Teil der Ladeinfrastruktur stellen werden – noch vor den Wallboxen an Einfamilienhäusern und weit vor den Säulen im öffentlichen Raum.“ Experten gehen davon aus, dass 80 bis 85 Prozent aller Ladevorgänge zuhause oder am Arbeitsplatz stattfinden.
"Thema hat extrem viel Fahrt aufgenommen"
Tatsächlich gab es Ende 2021 in Deutschland rund 50.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte, es sind aber bisher staatliche Förderungen für ungefähr 900.000 private Ladepunkte vergeben worden, der größte Teil davon an Eigenheimbesitzer. Rönsberg erklärt, warum das so ist: „Bis Ende 2020 war es de facto nicht möglich, als Mieter oder Mitglied einer Wohneigentümergemeinschaft einen eigenen Ladepunkt zu bekommen.“ Doch dann erhielten auch Wohnungsbesitzer und Mieter durch eine Gesetzesänderung das Recht auf die Einrichtung einer privaten Lademöglichkeit an ihrem Stellplatz. „Seitdem hat dieses Thema extrem viel Fahrt aufgenommen“, sagt Rönsberg.
Bisher habe NWG in knapp 30 Immobilienobjekten vor allem in Hamburg und Berlin jeweils eine kleinere Zahl von Ladepunkten eingerichtet. „Unser Ziel ist es, bis Jahresende schon 1000 solcher Stationen bundesweit in Betrieb zu haben“, so Rönsberg. In diesen Objekten sei man in einer guten Position, auch bei einer Erweiterung auf zusätzliche Stellplätze wieder im Geschäft zu sein.
„NWG Charging bleibt operativ komplett unabhängig"
Im Zusammenhang mit dem Investment von Shell sollen bei NWG Charging noch bis Jahresende zehn bis 15 weitere Beschäftigte eingestellt werden. Perspektivisch sollen die Hamburger im gesamten deutschsprachigen Raum für den Energiekonzern tätig werden.
„NWG Charging bleibt aber operativ komplett unabhängig und kann weiter frei am Markt agieren, Shell greift nicht in das Tagesgeschäft ein“, stellt Rönsberg klar. Zwar könne selbstverständlich die „Shell Recharge“-Ladekarte für die Abrechnung verwendet werden, das sei aber nicht verpflichtend. Für den Energiekonzern dürfte es hauptsächlich darum gehen, Know-How über diesen bedeutenden Teilmarkt des E-Auto-Ladens aufzubauen. Es ist kaum möglich, hier selbst tätig zu werden, ohne sehr viel Erfahrung mit der Immobilienwirtschaft zu haben – genau diese Erfahrung aber bringt NWG mit.
E-Autos mittlerweile bezahlbar und praxistauglich
Nicht nur die Gesetzesänderung hat es nach Einschätzung von Rönsberg einem großen Personenkreis prinzipiell ermöglicht, jetzt auf ein Elektroauto umzusteigen. Ebenso habe sich die Fahrzeugtechnik zuletzt deutlich weiterentwickelt: „Die Elektromobilität ist im Massenmarkt angekommen, auch weil jetzt bezahlbare und praxistaugliche E-Autos verfügbar sind.“
Noch immer aber sind sie teurer als ein vergleichbarer Pkw mit Verbrennungsmotor, außerdem kommen die Aufwendungen für eine eigene Stromtankstelle hinzu, wenn man nicht auf öffentliche Ladesäulen angewiesen sein will. „Es kostet im Schnitt 3000 bis 4000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer, einen Tiefgaragen-Ladepunkt einzurichten“, sagt Rönsberg.
„Privates Laden wird auf Dauer günstiger sein"
Ungefähr die Hälfte davon entfalle auf Vorbereitungskosten, also den Hausanschluss, einen entsprechenden Zähler, ein Brandschutzgutachten und ähnliches: „Wir sehen die Tendenz, dass immer häufiger der Immobilieneigentümer diesen Teil der Kosten übernimmt und ein Mieter nur die eigentliche Ladesäule und ihre Installation bezahlen muss.“
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Zwar ist ein Bundes-Fördertopf über je 900 Euro für private Ladepunkte inzwischen ausgeschöpft. Rönsberg ist sich aber sicher, dass die Investition in die eigene Technik dennoch lohnend ist. „Privates Laden wird auf Dauer günstiger sein als die Nutzung einer Stromtankstelle im öffentlichen Raum“, sagt der NWG-Geschäftsführer. Denn in der Tiefgarage müsse man nicht mit hoher Geschwindigkeit den Akku laden können: „Damit ist die Technik viel einfacher als die einer Ladesäule im öffentlichen Raum, die einen deutlich fünfstelligen Betrag kostet.“
E-Mobilität: Hamburg Energie kündigt Verteuerung an
Dieser Preisunterschied macht sich auch in den Ladekosten bemerkbar. Gerade erst hat Hamburg Energie eine Verteuerung von 69 Prozent zum 1. Mai angekündigt und dies auch damit begründet, dass die Stadt Hamburg nun einen „Nutzungspreis“ von zwölf Cent pro Kilowattstunde für die öffentlichen Ladepunkte eingeführt hat, um die teure Infrastruktur nicht mehr aus Steuermitteln subventionieren zu müssen.