Hamburg/Mölln. Gut 200 Hamburger Verkaufsstellen der traditionsreichen Möllner Bäckerei wechseln den Besitzer. Rund 2500 Mitarbeiter betroffen.

Es ist das Ende eines vor fast 120 Jahre gegründeten Unternehmens, dessen Geschichte kurz nach Beginn des vorvergangenen Jahrhunderts im beschaulichen Bauerndörfchen Sterley im Lauenburgischen als örtliche Bäckerei begann, seitdem durchgehend von der Familie geführt wurde und sich zu einem mittelständischen, norddeutschen Bäckerei-Imperium mit zuletzt gut 2500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelte: Nun verliert die Heinrich von Allwörden GmbH ihre Eigenständigkeit, wird von Edeka Nord übernommen und damit ein Teil von Deutschlands größter Supermarktkette.

Das teilten die beiden Unternehmen am Donnerstag gemeinsam mit. „Wir übernehmen die Verantwortung für das gesamte Unternehmen mitsamt seinen rund 2500 Mitarbeitenden“, erklärte Wolfgang Matthiessen, der Aufsichtsratsvorsitzende von Edeka Nord.

Edeka übernimmt Allwörden: Kartellamt muss noch zustimmen

Die beiden geschäftsführenden Gesellschafter der Großbäckerei mit Sitz in Mölln, betonten, es handele sich um eine zukunftsweisende Entscheidung. „Edeka Nord ist das richtige Unternehmen, um unseren Familienbetrieb zukunftsorientiert weiterzuentwickeln“, erklärte Ralf von Allwörden. Sein Bruder Manfred sagte mit Blick auf den Lebensmittelhändler: „In der Vergangenheit konnten wir bereits wertvolle Synergie-Effekte nutzen.“

Tatsächlich war Edeka Nord bereits 2018 in das von den beiden Brüdern in vierter Generation geführte Familienunternehmen eingestiegen. Damals erwarb die Handelsgesellschaft 45 Prozent der Anteile. Nun sollen auch die restlichen 55 Prozent von Edeka übernommen werden. Das Geschäft muss von den Kartellbehörden noch freigegeben werden. Angaben über den finanziellen Umfang der geplanten Komplettübernahme machten die Unternehmen nicht. Die beiden Brüder werden nach Vollzug der Übernahme aus dem Unternehmen ausscheiden.

Von Allwörden ist ein in Hamburg sehr präsentes Unternehmen: Allein in der Hansestadt betreibt es derzeit gut 50 Filialen und Verkaufsstellen in Supermarktfilialen, viele davon in Edeka-Märkten. Den ersten Standort in der Hansestadt eröffnete das Unternehmen vor mittlerweile annähernd 30 Jahren an den Colonnaden. Er existiert bis heute.

Dallmeyers-Filialen kehren zurück zu Edeka-Nord

Doch die Heinrich von Allwörden GmbH ist zugleich unter anderem Eigentümer der Nur Hier GmbH. Nach den jüngsten vorliegenden Zahlen betrieb die Firma 2019 in der Hansestadt insgesamt an die 200 Filialen und Verkaufsstellen sowie weitere gut 300 in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und im nördlichen Niedersachsen.

Die Geschäftsgebiete von Edeka Nord und von Allwörden sind in großen Teilen deckungsgleich. Stark gewachsen war das Unternehmen mit Produktionsstandorten in Mölln und Rellingen in den vergangenen Jahren immer wieder auch durch Übernahmen kleinerer Ketten. Darunter die Bäckerei Knaack, die Coop-Backkette Unser Norden, im Jahr 2010 die Nur Hier-Filialen in Hamburg und zuletzt die Mehrzahl der Standorte der insolventen Schenefelder Bäckerei Drave.

Im Zuge des Einstiegs von Edeka Nord bei von Allwörden vor vier Jahren hatten die Möllner gleichzeitig alle Anteile an Dallmeyers Backhus sowie um die 100 Filialen von der Handelskette übernommen. Kurz darauf wurde die Dallmeyers-Bäckerei in Hohenwestedt geschlossen. Nun kehren die Dallmeyers-Filialen im Paket mit den anderen Von-Allwörden-Ketten zurück zu Edeka Nord. Die Handelsgesellschaft hat wieder eine Backwarensparte mit dem neuen Geschäftsführer Willi Vaassen.

Edeka übernimmt Allwörden: Folgen für Beschäftige unklar

Welche Folgen die geplante Übernahme für die Beschäftigten und die Kunden der verschiedenen Allwörden-Ketten haben wird, mochte die Edeka-Nord-Zentrale in Neumünster am Donnerstag dem Abendblatt nicht mitteilen. Bleiben die verschiedenen Ketten des Möllner Bäckerei-Imperiums erhalten? Wird es Namensänderungen geben und zu Filialschließungen kommen? Was geschieht nun mit Von Allwörden-Verkaufsstellen, die bei Edeka-Konkurrenten angesiedelt sind wie etwa bei Rewe an der Lübecker Straße? Werden alle Beschäftigten ihren Arbeitsplatz behalten? Welches strategische Ziel verfolgt Edeka Nord mit der Komplettübernahme?

Auf einen umfangreichen Fragenkatalog des Abendblatts antwortete die Kommunikationsabteilung der Handelsgesellschaft mit einigen dürren Sätzen: „Wir bitten um Verständnis, dass wir aktuell keine weiteren Auskünfte zur Übernahme der Heinrich von Allwörden GmbH geben können. Es handelt sich um ein laufendes Verfahren. Solange keine Entscheidung des Bundeskartellamts vorliegt, können wir uns nicht konkreter äußern.“ Selbst die schlichte Frage, wie viele Standorte der Übernahmekandidat derzeit in der Hansestadt betreibt, blieb unbeantwortet

Heinrich von Allwörden GmbH: Muttergesellschaft machte Millionenverlust

Warum sich die Familie von Allwörden gerade jetzt zum Komplettverkauf des traditionsreichen Unternehmens entschieden hat, bleibt letztlich ebenfalls unklar. Allerdings weisen die öffentlich einsehbaren Geschäftsberichte der Heinrich von Allwörden GmbH darauf hin, dass sich das Unternehmen zuletzt in einer wirtschaftlich mindestens unerfreulichen Situation befand. So dokumentiert der jüngste umfangreich mit Zahlen unterlegte Geschäftsbericht einen Rückgang des Gewinns im Jahr 2018 auf gut eine Million Euro von zuvor 5,3 Millionen Euro im Jahr 2017.

Für die Jahre 2019 und 2020 weist die GmbH mit Sitz in Mölln, die eine 100-prozentige Tochter der Heinrich von Allwörden Holding mit Sitz im mecklenburgischen Gadebusch ist, lediglich darauf hin, der Jahresabschluss sei in den Konzernabschluss der Holding eingeflossen. Die Holding wiederum erklärt, dass sie die GmbH finanziell so ausstatten wird, „dass die Gesellschaft stets in der Lage ist, alle Verbindlichkeiten fristgerecht zu erfüllen.“ Der letzte einsehbare Konzernabschluss der Holding betrifft 2019. Er weist einen Verlust in Höhe von 4,2 Millionen Euro aus.