Schleswig-Holstein. Markus Heide hat Europas größten Onlinehandel für Süßigkeiten aufgebaut. Vor Ostern ist im Lager in Henstedt-Ulzburg Hochsaison.
Schokohasen in allen Größen, Marzipaneier in buntem Papier, Fruchtgummi-Küken in knisternden Tüten: In dieser Lagerhalle gibt es einige Wochen vor Ostern kaum etwas, das es nicht gibt. Zumindest, wenn es süß ist. In den Gängen 1 bis 10 sind die Regale bis obenhin voll mit allem, was die Süßwarenindustrie an Osterartikeln zu bieten hat. Insgesamt 685 verschiedene Produkte. Mit ein bisschen Fantasie fühlt man sich an Willy Wonkas legendäre Schokoladenfabrik in der Geschichte von Roald Dahl erinnert.
„Es war schon immer unser Ziel, alle Marken mit dem kompletten Sortiment zu führen“, sagt Markus Heide. Der Mann ist natürlich nicht Willy Wonka, sondern Chef von World of Sweets – Europas größtem Onlinehändler für Süßigkeiten mit Sitz in Henstedt-Ulzburg. Das Ostergeschäft bedeutet Hochsaison in seinem Unternehmen. „Die Bestellungen steigen um ein Drittel“, sagt der 52-Jährige. Nur Weihnachten ist es noch mehr. Dann liegt das Plus bei 50 Prozent.
World of Sweets: Europas größter Onlinerhändler für Süßigkeiten
Seit 6 Uhr morgens ist die Frühschicht im Einsatz. Mitarbeiter kurven mit großen Einkaufswagen durch die Gänge, fischen die bestellten Waren mittels eines computergesteuerten Systems aus den Regalen. „Die ersten Osterartikel werden im Januar bestellt“, sagt Markus Heide. Jetzt läuft der Countdown. Daneben wird das ganz normale Geschäft abgewickelt. Im Sekundentakt leert eine Beschäftigte einen Einkaufswagen, verteilt Kaugummi-Packungen, Bonbon-Tüten und Schokoladentafeln in Plastikkisten. Für jede Bestellung eine, die dann von einem Kollegen auf der anderen Seite des Regals verschickt werden. 600.000 Pakete hat der Onlinehändler nach diesem System im vergangenen Jahr in die ganze Welt ausgeliefert – 125.000 mehr als 2020.
Fruchtgummi-Schnuller, Cola-Flaschen oder Schokolinsen im Kiosk um die Ecke für ein paar Cent zusammensuchen oder im Supermarkt ein paar Tüten mit Süßkram kaufen? Wem das nicht reicht, kann sich bei World of Sweets durch ein Sortiment mit 10.000 Artikeln von mehr als 800 Marken klicken. Neben den Klassikern von Haribo bis Milka gibt es Produkte aus mehr als 30 Ländern. Beliebt sind Boxen mit den Neuigkeiten oder mit Mottos wie Retro, USA oder einer Auswahl an veganen Artikeln. In den nächsten Tagen kommt erneut eine Box, die der Onlinehändler gemeinsam mit dem bekanntesten deutschen Süßwaren-Blogger Daniel Härtnagel aus Hamburg anbietet, der unter dem Namen JunkFoodGuru knapp 190.000 Follower in sozialen Medien hat. „Beim ersten Mal war die limitierte Auflage von 1000 Stück in 30 Minuten ausverkauft“, sagt Heide und lächelt zufrieden.
Krieg: Lieferung nach Russland eingestellt
Der Hunger nach süßem Überfluss ist offenbar groß. Auch im zweiten Corona-Jahr hat World of Sweets ein überdurchschnittliches Wachstum erwirtschaftet. „Wir konnten den Umsatz um 26 Prozent steigern und liegen jetzt bei knapp 34 Millionen Euro“, sagt Inhaber Heide. Der Süßigkeiten-Experte profitiert davon, dass während der Pandemie, die Bereitschaft Lebensmittel im Internet zu bestellen, deutlich gewachsen ist. Dazu kommt: „Man tut sich gern etwas Gutes, gerade wenn es schlecht geht.“ Für 2022 sieht Heide Wachstumsraten im zweistelligen Bereich.
Etwa 60 Prozent der Besteller sind Privathaushalte, darunter viele Stammkunden. Aber auch Kioske, Tankstellen, Hotels und kleine Läden ordern bei World of Sweets. Die Preise sind ähnlich wie im Handel, aber es gibt teilweise erhebliche Mengenrabatte. Die durchschnittliche Bestellung liegt bei 55 Euro. Dabei hat Unternehmer Heide inzwischen weltweit Kunden, übrigens auch in Russland. „Wir machen dort mehrere 100.000 Euro Umsatz im Jahr“, sagt er. Vor allem Weihnachten kauft die wohlhabende Mittelschicht gern deutsche Süßigkeiten. Seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine ist damit allerdings erst mal Schluss. „Wir haben die Lieferungen bis auf Weiteres eingestellt.“
Onlinehändler investiert über zwei Millionen Euro
Mit pechschwarzen Süßholz-Leckereien hatte die Erfolgsgeschichte von World of Sweets vor 19 Jahren angefangen. Weil er so begeistert von den 30 Lakritz-Sorten war, die sein Schwiegervater in seiner Apotheke in Norderstedt verkaufte, eröffnete Wirtschaftsinformatiker Markus Heide einen Onlineshop. Die Idee funktionierte, schon ein Jahr später wurde aus dem Lakritz-Versand World of Sweets.
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Seitdem ist das Unternehmen jedes Jahr gewachsen. 2017 war Heide mit seinem Versandhandel in das Gewerbegebiet nach Henstedt-Ulzburg gezogen. Auch dort wurde der Platz schon wieder knapp. Im vergangenen Jahr hat der Unternehmer deshalb eine neue Lagerhalle in der direkten Umgebung gekauft. Noch im März soll eine weitere Halle mit 1800 Palettenstellplätzen als Nachschublager fertiggestellt werden. Investitionskosten: mehr als zwei Millionen Euro. Inzwischen sind bei dem Onlinehändler 90 festangestellte Mitarbeiter und 50 Aushilfskräfte beschäftigt.
Süßigkeiten: 2021 3,9 Millionen Tonnen produziert
Auch wenn man es es dem drahtigem Unternehmer nicht ansieht, der in seiner Freizeit Golf spielt, joggt oder auf dem Surfbrett steht: Markus Heide nascht gern mal. „Ich halte immer die Augen offen, auch im Urlaub findet man immer was Neues“, sagt der Vater von zwei Töchtern.
Dass die Verführung zu den süßen Leckereien nicht unbedingt gesund ist, ist ihm natürlich klar. „Aber das muss jeder für sich entscheiden.“ Nach Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Süßwaren und Knabberartikeln bei 33,4 Kilogramm (2020) – Tendenz steigend. Im Schnitt gaben die Verbraucher 170 Euro für Süßigkeiten aus. Für das Jahr 2021 melden die Hersteller hierzulande ein Produktionsplus von 1,3 Prozent auf 3,9 Millionen Tonnen. Der Umsatz erhöhte sich um 2,2 Prozent auf 13,1 Milliarden Euro.
Vielen Kunden kann es nicht süß genug sein
Auch wenn die meisten Süßigkeiten nach wie vor in Supermärkten verkauft werden, gibt es inzwischen einige Anbieter mit neuen digitalen Konzepten. Dabei kann es nicht süß und bunt genug sein. So hat sich das Hamburger Start-up World of Candy spezialisiert auf Importware aus aller Welt, mit einem Internet-Shop und einem Laden in der Innenstadt erfolgreich positioniert. Inzwischen betreibt das Unternehmen auch Standorte in Stuttgart und Konstanz. Der Online-Anbieter House of Sweets aus dem niedersächsischen Salzgitter hat mit ähnlichem Geschäftsmodell inzwischen Geschäfte unter anderem in der Europa Passage und im Elbe Einkaufszentrum eröffnet.
Markus Heide beobachtet die Konkurrenz gelassen. „Wir haben einen großen Vorsprung“, sagt der Unternehmer. Inzwischen gibt es einige Produzenten, die statt einen eigenen Onlineshop zu betreiben auf die Seite von World of Sweets verlinken, darunter der Schokoladenhersteller Hachez. „Das ist wie ein Ritterschlag.“ Für die Zukunft sieht Heide weiteres Potenzial im Geschäftskundenbereich. „Wir sind der größte Onlineshop. Das haben die Kunden verstanden und gucken deshalb erst mal bei uns.“ Konkrete Pläne für den Einstieg in den Einzelhandel gibt es im Moment nicht. „Was mich reizt, ist ein Kaufhaus für Süßwaren, so richtig groß und knallbunt“, sagt der Geschäftsführer. So eins, das auch Schokoladenfabrikanten Willy Wonka gefallen hätte.