Hamburg. Anbieter für Bequemschuhe mit 120-jähriger Tradition zeigt sich von der Krise unbeeindruckt – und will in Hamburg neue Filiale eröffnen.

Wie wichtig passendes Schuhwerk ist, merkt man oft erst, wenn es drückt. „Da können wir helfen“, sagt Michael Schockmann. In seinem Geschäft in der Hamburger Innenstadt gibt es Schuhe für (fast) jeden Fuß. In den Regalen stehen Pumps und Alltagsschuhe, Stiefeletten und Sneakers, Wanderschuhe und Pantoletten in allen Farben und vielen Formen – Hauptsache bequem. An diesem Vormittag sind die ersten Kunden schon vor der regulären Öffnungszeit zur Schuhanprobe gekommen. Manche von weither. „Wir besetzen eine absolute Nische“, sagt der Inhaber des Schuhhauses Schockmann. Mehr als 10.000 Schuhe hat er im Angebot – und damit die wohl größte Auswahl an gesunden Schuhen in Deutschland.

Der 58-Jährige steht im hinteren Teil der Hauptfiliale des traditionsreichen Familienunternehmens. Gerade schiebt ein Paketbote zwei Transportwagen durch die Ladentür an der Amelungstraße, voll beladen mit Kartons. „Die Frühjahrssaison geht los“, sagt Michael Schockmann und hofft auf Geschäfte ohne Corona-Einschränkungen. Die vergangenen zwei Pandemie-Jahre waren hart für den Schuhhändler. Nach monatelangen Lockdowns und strengen Zugangskontrollen mit stark reduzierter Kauflaune schätzt Schockmann das Umsatzminus in seinen drei stationären Geschäften auf 40 Prozent.

Einzelhandel Hamburg: Schuhhaus Stockmann plant Neueröffnung

Dass der Betrieb trotzdem vergleichsweise gut durch die Krise kommt, hat verschiedene Gründe: Er hatte Glück mit seinen Vermietern, die ihm teilweise die Miete erlassen haben, außerdem konnte er mit staatlichen Hilfen und eigenen Rücklagen die Liquidität sichern. „Und unser Onlineangebot hat uns geholfen.“ Jetzt hat der Unternehmer große Pläne. „Ich möchte in Eppendorf eine weitere große Filiale eröffnen.“ Die Suche nach einem Ladenlokal läuft.

Die Expansionspläne fallen in eine Zeit, in der andere familiengeführte Betriebe der Branche aufgeben. Wie schwierig die Lage nach dem zweiten Pandemiejahr für die bundesweit 3000 Schuhhändler ist, zeigen erste Schätzungen des Handelsverbands Textil, Schuhe, Lederwaren (BTE), der Anfang des Jahres mit dem Handelsverband Schuhe fusioniert hatte. Schon im ersten Corona-Jahr 2020 haben die Deutschen deutlich weniger Geld für Schuhe ausgegeben.

Das Marktvolumen war um 13 Prozent auf gut zehn Milliarden Euro im Vergleich zum Vorkrisenniveau gesunken. Für dieses Jahr rechnet der Verband mit ähnlichen Zahlen. Dabei waren die Umsätze über den Online- und Kataloghandel erneut um bis zu 15 Prozent gestiegen, der stationäre Handel hat zeitgleich 25 Prozent der Umsätze verloren. Insgesamt werden demnach 40 Prozent aller Schuhe in Deutschland inzwischen im Internet gekauft.

Negativtrend bei Schuhgeschäften? Schockmann unbeeindruckt

Michael Schockmann lässt sich von dem Negativtrend in den Schuhgeschäften nicht beeindrucken. „Wir haben zwei Weltkriege überstanden. Ich habe keinen Zweifel, dass wir auch diese Krise bewältigen“, sagt der Kaufmann, der den Familienbetrieb in vierter Generation führt. Sein Urgroßvater, der Schuhmachermeister Heinrich Vagedes, hatte sich 1902 mit einer Maßschuhanfertigung in der Gerhofstraße niedergelassen.

Mit der Entwicklung der Orthopädieschuhtechnik spezialisierte er sich nach dem Ersten Weltkrieg auf Schuhe für Menschen mit Fußproblemen, darunter viele Soldaten, die mit Verletzungen aus dem Krieg zurückgekehrt waren. Nachdem sein Großvater angefangen hatte, auch mit Schuhen zu handeln, war das Geschäft in der Ägide seines Vaters stetig gewachsen und umgezogen. Aktuell betreibt der Schuhhändler neben dem Hauptladen in der City zwei kleinere Filialen in Poppenbüttel und seit 2016 auch in Blankenese.

Hamburger Schuhgeschäft: „Bislang hat jeder Standort funktioniert“

„Bislang hat jeder Standort funktioniert“, sagt Unternehmer Schockmann, der vor dem Einstieg ins Schuhgeschäft vor 13 Jahren Mitinhaber einer Fachhandelskette für Tapeten und Teppiche war. 2016 hatte er den Betrieb komplett von seinem älteren Bruder übernommen. Den Wettbewerbsvorteil sieht er in dem hoch spezialisierten Angebot. Marken wie FinnComfort, Ganter oder Think! stehen mit Modellen in verschiedenen Weiten und besonderen Passformen für komfortables Gehen – und werden zudem in Europa produziert.

Ganz wichtig ist der Orthopädietechniker mit Werkstatt im Schuhladen, der Einlagen anfertigt, Reparaturen und Maßanfertigungen anbietet. „Beratung spielt bei uns eine große Rolle“, sagt Michael Schockmann, der in der Hauptfiliale 14 Voll- und Teilzeitangestellte beschäftigt.

Schockmann: Fachmärkte für bequemes Schuhwerk in Planung

Dabei kommt ihm zugute, dass sich um eine der Marken ein regelrechter Modehype entwickelt hat: Birkenstock. Sein Vater Claus-Heinrich, als Nummer drei in der Generationsfolge 1961 in die Geschäftsverantwortung gekommen, hatte die Ökolatschen als erster Hamburger Händler überhaupt ins Sortiment genommen. Inzwischen bestimmen „die deutschesten aller deutschen Sandalen“ seit Jahren international den Trend, von Hollywood bis Shanghai zeigen sich die Prominenten und Reichen damit. „Birkenstock-Schuhe sind heute absolute Premiumprodukte“, sagt Michael Schockmann.

Im vergangenen Jahr war der Eigentümer des französischen Luxuskonzerns LVMH mit Marken wie Christian Dior und Louis Vuitton bei dem erfolgreichen deutschen Schuhhersteller eingestiegen. Mit Folgen: In diesem Jahr sind die Preise kräftig gestiegen, und ein Drittel der bisherigen Einzelhandelspartner wird nicht mehr beliefert. Pionier Schockmann kann weitermachen. Und das, obwohl ein paar Häuser weiter ein Birkenstock-Markenshop Geschäfte macht.

Einzelhandel Hamburg: Neues Schuhhaus in Eppendorf

Schuhhändler Michael Schockmann setzt jetzt darauf, dass die Kauflaune der Hamburger mit dem Frühling steigt. Ende des Jahres, spätestens Anfang 2023, möchte er die neue Filiale in Eppendorf eröffnen. „Der Bedarf ist da“, sagt der Komfortschuh-Spezialist.

Davon ist er so überzeugt, dass er noch ein weiteres Projekt in Planung hat. Zusammen mit einem Partner will er Fachmärkte für bequemes Schuhwerk mit einer Fläche von 1000 Quadratermetern und mehr eröffnen – außerhalb von Hamburg. Das wäre etwas komplett Neues in der 120-jährigen Firmengeschichte.